Anleihen

EZB-Aufkäufe von Unternehmensanleihen: Was meint Draghi mit „marktneutral“?

Ganz aktuell auf der Tagesordnung steht seit zwei Wochen der von der EZB begonnene Aufkauf von Unternehmensanleihen aus der Eurozone. Dabei verhalte sich die EZB "marktneutral". So sagte Draghi gestern man sei mit

FMW-Redaktion

Mario Draghi referierte gestern vor einem Ausschuss des EU-Parlaments und stand den Abgeordneten auch für Fragen zur Verfügung. Dabei ging es natürlich um sein 2% Inflationsziel, und auch die aktuelle Geldschwemme der EZB. Ganz aktuell auf der Tagesordnung steht seit zwei Wochen der von der EZB begonnene Aufkauf von Unternehmensanleihen aus der Eurozone.

Dabei verhalte sich die EZB „marktneutral“. So sagte Draghi gestern man sei mit seinen Ankäufen (von Unternehmensanleihen) marktneutral und sorge dafür, dass die Marktverzerrungen minimiert würden. Dazu muss man wissen: Der Markt für Unternehmensanleihen ist drastisch kleiner als der für Staatsanleihen, wo seit 15 Monaten pro Monat 60 Milliarden Euro aufgekauft wurden. In der letzten Woche hatte die EZB für 1,9 Milliarden Euro Unternehmensanleihen gekauft.

Da ist die Frage: Wie will Mario Draghi dabei marktneutral bleiben? Und was meint er damit genau? Man kann sich die selbe Frage immer wieder stellen, weil man es kaum glauben kann. Mit dieser Aussage möchte Draghi wohl beruhigend darstellen, dass die Aufkäufe der EZB keinerlei negative oder verzerrende Einflüsse auf diesen Markt haben. Aber der Witz dabei ist: Die EZB möchte doch mit ihren Käufen einen spürbaren Effekt auf diesen Markt haben, damit Kreditvergabe, Investitionen, Wirtschaftsleistung und letztlich die Inflation positiv beeinflusst wird. Aber der Markt soll nicht verzerrt werden? ?? ???

Da beißt sich die Katze in den Schwanz, wie ein altes Stichwort sagt. Wie will die EZB einen Markt in ihrem Sinne beeinflussen, ohne ihn zu verzerren? Und das soll ja wohl gemeint sein mit „marktneutral“.

Die EZB hat sich nach eigenen Aussagen selbst Regeln auferlegt, die eine Verzerrung des Marktes verhindern sollen bzw. für „Marktneutralität“ sorgen sollen. Dazu gehört z.B., dass man von einer einzelnen Anleiheemission maximal 70% aufkauft. Das heißt konkret: Gibt z.B. der Bayer-Konzern eine Anleihe für 1 Milliarde Euro heraus, will die EZB davon maximal 700 Millionen Volumen kaufen. Die EZB hat sich in ihre eigenen Regularien für diesen Markt auch reingeschrieben, dass man anders als bei Staatsanleihen die Unternehmensanleihen DIREKT beim Schuldner kauft, also nicht über den freien Anleihemarkt. Und das soll marktneutral sein bzw. keine Verzerrung?

Der Markt zeigt jetzt schon Anzeichen der Austrocknung, und durch die Schwemme der EZB sinken die Renditen immer weiter. Keine Verzerrung? Ein großes Unternehmen kann direkt bei der EZB für immer niedrigere Zinssätze Kredite aufnehmen – das soll keine Verzerrung sein? Die EZB selbst nennt es ein „Risikorahmenwerk“ – dieses Rahmenwerk stelle sicher, dass es nicht zu Verzerrungen komme. Das schütze auch die Bilanz der EZB. Draghi sagte gestern das Ankaufprogramm habe gut begonnen und treffe auf keine speziellen Schwierigkeiten.

Die Austrocknung des Marktes, die fallenden Renditen, das sind keine Schwierigkeiten? Gut, wahrscheinlich meint Draghi Schwierigkeiten für die EZB, die nicht auftreten. Aber die Anleger, wohin sollen die mit ihrem Geld? Und mögliche zwielichtige Unternehmen, die jetzt ihre Chance gekommen sehen diesen privaten Anlagenotstand mit ihren Anleihen zu bedienen, ist das kein Problem? Aber die EZB will die Anleger ja sowieso dazu bringen Aktien zu kaufen, oder ihr Cash gleich besser in Fernseher und Autos zu investieren.

Ach ja, da wäre noch die Bedingung der EZB, dass die von ihr zu kaufenden Unternehmensanleihen zwingend mindestens ein hochwertiges Rating von einer Ratingagentur aufweisen müssen – so will man verhindern, dass minderwertige Schulden in der EZB-Bilanz landen. Solche Ratings müssen Unternehmen bei den Agenturen selbst beauftragen und bezahlen. Das ist teuer, und auch nur größere Unternehmen begeben überhaupt Anleihen, statt Bankkredite aufzunehmen. Wenn die EZB jetzt nur Anleihen ganz großer Konzerne aufkauft, ist das keine Marktverzerrung bzw. Benachteiligung kleiner Unternehmen? Aber Mario Draghi hat mit dem Wort „Marktneutral“ ein schönes Wort gewählt – es hört sich gut an, als wenn gar nichts passieren würde.



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1 Kommentar

  1. Es kann nicht Aufgabe einer Zentralbank sein, Unternehmensanleihen zu kaufen. Punkt.
    Alles, was gesagt, um hier doch eine Zuständigkeit zu begründen, sind Nebelkerzen, die von dem Sündenfall ablenken sollen.

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