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-1,1 Billionen Euro in 10 Monaten EZB-Bilanz schrumpft – Bedeutung für Aktienmarkt?

Die EZB-Bilanz schrumpft um 1,1 Billionen Euro in 10 Monaten. Erkennt man bereits eine Bedeutung für den Aktienmarkt? Schauen wir auf Charts.

Die EZB-Bilanz ist laut aktuellsten Daten in der Woche vom 14. auf den 21. April um weitere 16,7 Milliarden Euro geschrumpft auf jetzt 7,714 Billionen Euro. In unzähligen kleinen Schritten ging es seit Sommer 2022 bergab, vom Hochpunkt bei 8,83 Billionen Euro. Also konnte die Bilanz der EZB binnen zehn Monaten um 1,12 Billionen Euro geschrumpft werden, im Zuge der Verknappung der Geldpolitik (QT).

Die Daten der letzten Woche zeigen es: Alleine 10 Milliarden Euro der um 16,7 Milliarden Euro geschrumpften EZB-Bilanz entfielen auf „zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere“. Der gigantische Berg der mit gedrucktem Geld der Zentralbank aufgekauften Anleihen beläuft sich jetzt immer noch auf 4,89 Billionen Euro. Es wird noch dauern, bis wirklich nennenswerte Teile davon abgebaut sind.

In der folgenden Grafik blicken wir auf die Bilanz der EZB als blaue Linie seit dem Jahr 2004 (damals noch 3,5 Billionen Euro). In orange sehen wir den Anstieg des Dax. Die Entwicklung lief zwar nicht immer exakt parallel. Aber man kann sehen, dass auf lange Sicht der Aktienmarkt profitiert, wenn die EZB immer mehr Geld druckt, und damit Investoren vom Anleihemarkt sozusagen „verjagt“. Durch Null- und Negativzinsen mussten Anlageklassen wie Aktien und Immobilien von Investoren fast schon zwangsweise verstärkt in Angriff genommen werden, auf der Suche nach Rendite. Ähnlich hatten wir es heute bereits bei der Geldmenge in den USA besprochen: Je mehr Volumen im Umlauf, je mehr Geldschwemme, desto mehr Aufwärtsdruck ist grundsätzlich vorhanden bei spekulativen Assetklassen.

Und nun sehen wir ein Umschwenken dieses Trends? Einen Absturz des Aktienmarkts, weil die EZB ihre Bilanz schrumpft? Wie man am Ende der Grafik sieht: Im letzten Jahr zeigten Aktienmärkte wie der Dax Schwäche aufgrund der stark steigenden Zinsen. Die seit zehn Monaten schrumpfende Bilanz der EZB wirkt sich zuletzt aber (noch) nicht negativ auf die Aktienmärkte aus. Aber wie bei Geldmenge und Zinsen, so kann auch eine schrumpfende Zentralbank-Bilanz ihre Wirkung womöglich erst mit Verzögerung entfalten.

EZB-Bilanz im Vergleich zum Dax seit 2004

Schaut man auf einen kurzfristigeren Zeithorizont, ist man verwirrt. Mit Blick auf die letzten zwölf Monate (folgender Chart) sehen wir die schrumpfende EZB-Bilanz, aber einen seit Herbst 2022 deutlich steigenden Dax – immerhin um mehr als 3.000 Punkte. Dazu muss man sehen: Der Aktienmarkt ist vielschichtig. In den letzten Monaten entspannte sich die Energiekrise, die Inflation ist rückläufig, die Unternehmensgewinne zeigen sich äußerst robust, und die Rezession scheint auszubleiben. So konnte der Dax gut laufen, und Faktoren wie eine weiter schrumpfende EZB-Bilanz und damit eine schrumpfende Geldschwemme im Gesamtsystem wurden weniger beachtet. Ob und wann genau dieser Faktor wichtiger wird, kann nicht exakt bestimmt werden. Mit Blick auf den ersten Chart kann man wohl eher sagen: Nur auf längere Sicht wird klar werden, ob diese Straffung der Geldpolitik auch negativ mit dem Aktienmarkt korreliert.

Dax und EZB-Bilanz im Vergleich der letzten zwölf Monate

Charts: TradingView



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2 Kommentare

  1. Die Geldmenge wird aber nicht nur von der Zentralbank bestimmt, sondern wird eben auch durch Banken in Form von Krediten „produziert“, die im wesentlichen ja ebenfalls ausschließlich durch eine Bilanzverlängerung entstehen. Und nicht etwa indem das Geld der „Sparer“ verliehen wird. Alleine die explodierenden Kreditkartenschulden haben die Bilanzreduktion der FED weitgehend kompensiert.
    Dazu kommt das das enorme Haushaltsdefizit der USA in den letzten Monaten nicht durch die FED „finanziert“ wurde, sondern durch die gigantischen Verluste am Anleihemarkt, die Geldtechnisch nichts anderes sind als die Streichung von Schulden.

    Um ein Gesamtbild zu haben muss man nicht irgendwas „saldieren“, sondern den (wesentlichen) Geldströmen folgen.

    Merke: „Geld“ und „Schulden“ entstehen nicht weil eine Bank einen standardisierten Schuldscheinvordruck auf einem Stapel von Schuldscheinen (vulgo Konto) ablegt, sondern durch eine nicht geschlossene Tauschtransaktion.
    Um das mal praktisch zu machen: Erst wenn der von der Bank gewährte „Kredit“ erstmalig gegen reale Güter und Dienstleistungen getauscht wird, wird aus dem Schuldscheinvordruck Geld.

  2. @thinkSelf

    Hallo thinkSelf,

    wären Sie bitte so nett und erklären mir folgenden Absatz „Dazu kommt das das enorme Haushaltsdefizit der USA in den letzten Monaten nicht durch die FED „finanziert“ wurde, sondern durch die gigantischen Verluste am Anleihemarkt, die Geldtechnisch nichts anderes sind als die Streichung von Schulden.“ mal genauer? :-)

    Ich verstehe nicht, wie ein Haushaltsdefizit durch Verluste am Anleihemarkt „finanziert“ werden kann. Wenn diese Frage zu naiv und „dumm“ ist, tut es mir leid. Aber ich beschäftige mich mit diesen ganzen Themen erst seit gut 10 Monaten und bin über jeden Input dankbar, den ich erhalten kann.

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