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EZB hat Zinsen gesenkt – was Experten sagen

Die EZB senkt die Zinsen, alle drei Sätze um je 25 Basispunkte. Hier zeigen wir diverse Expertenaussagen auch über die weiteren Aussichten.

Euro-Geldscheine
Foto: Bilanol-Freepik.com

Die EZB hat um 14:15 Uhr alle drei Zinssätze um je 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Der Einlagensatz liegt damit ab dem 12. März bei 2,50 % nach einem Hoch in 2024 bei 4,0 %. Wie beurteilen Ökonomen und Analysten diese Zinssenkung, und vor allem wie beurteilen Sie die Aussicht für weitere Zinssenkungen in den nächsten Monaten? Nachfolgend zeigen wir aktuelle Aussagen.

ifo-Präsident Fuest über weiteren Spielraum für sinkende EZB-Zinsen

ifo-Präsident Clemens Fuest sieht nach der heutigen EZB-Entscheidung keinen Spielraum mehr für weitere Zinssenkung. „Die Zinssenkung der EZB ist von den Märkten erwartet worden und war bereits eingepreist. Der Hauptrefinanzierungszins liegt jetzt nur noch knapp über der Inflationsrate. Steigende Löhne und wachsende staatliche Neuverschuldung könnten dazu führen, dass die Inflation nicht weiter sinkt, sondern eher wieder steigt. Deshalb dürften die Spielräume für weitere Zinssenkungen gering sein“, sagt Fuest. Der EZB-Rat hat heute beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 0,25 Prozentpunkte zu senken.

Mark Wall, Chefvolkswirt für Europa bei der Deutschen Bank

„Die EZB befindet sich in einer herausfordernden Position zwischen den drohenden US-Zöllen in naher Zukunft, die weitere Leitzinssenkungen – und einen Schritt in den Bereich der Stimulierung – rechtfertigen könnten, und dem wachsenden Engagement für höhere Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren, die zur Sicherung der strategischen Autonomie Europas erforderlich sind. Dieses Umfeld erfordert einen geschickten Umgang mit dem geldpolitischen Hebel und die Wahrung der politischen Optionalität.

Bankenverband

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen erneut gesenkt. „Die aktuelle Inflationsentwicklung im Euroraum hat gute Argumente für den heutigen Schritt geliefert. Die Inflationsrate nähert sich wieder der 2 Prozent-Marke“, sagt Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Auch die Kerninflation – also die Teuerungsrate ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel – geht zurück.

Und dennoch: „Es gibt gute Gründe, warum die EZB die vor kurzem gestartete Debatte um eine allmähliche Zinspause fortführen sollte“, so Herkenhoff. Das Risiko, dass die US-Zollpolitik auch im Euroraum die Inflation wieder steigen lässt, nimmt zu – etwa durch Gegenzölle der Europäischen Union oder durch eine weitere Abwertung des Euro.

Die Annahme, dass die Inflationsrate im Euroraum – ähnlich wie vor der Pandemie – längerfristig unter der Zielmarke der EZB von 2 Prozent verharren wird, ist äußerst fraglich. Die demografische Entwicklung mit einem künftig sinkenden Arbeitskräfteangebot, Rückschritte in der Globalisierung und kräftig steigende Staatsausgaben für die europäische Verteidigung sprechen im längerfristigen Trend für eine Inflationsrate von etwas über 2-Prozent. „Die EZB muss wachsam bleiben. Weit verbreitete Markterwartungen, dass die europäischen Währungshüter den Zinssenkungsprozess in den kommenden Monaten ungebremst fortsetzen, sollte die EZB nicht stützen“, mahnt Herkenhoff.

Bloomberg berichtet wie folgt über aktuelle Expertenaussagen:

Andreas Bley, Chefvolkswirt, BVR

Der Inflationsausblick hat sich spätestens mit dem finanzpolitischen Paukenschlag von CDU/CSU und SPD gedreht. Vor diesem Hintergrund war die heutige Zinssenkung um 25 Basispunkte zwar noch vertretbar, weitere Lockerungsschritte sollte die EZB aber vorerst zurückstellen und die Entwicklung zumindest bis nach der Sommerpause genau beobachten. Die Finanzpolitik dürfte insbesondere in Deutschland, aber auch im Euroraum insgesamt noch auf Jahre hinaus stark expansiv ausgerichtet bleiben. Die Wirtschaft dürfte bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, was der Inflation Auftrieb geben dürfte. Weitere Zinssenkungen würden für die EZB das Risiko eines baldigen Kurswechsels mit sich bringen.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt, DekaBank

Auf die neuen Ausgabenpläne aus Deutschland muss die EZB nicht unmittelbar reagieren. Denn die fiskalischen Pläne haben bislang nicht zu einer Erhöhung der Inflationserwartungen an den Finanzmärkten geführt. Es bleibt also in diesem Jahr bei der Aussicht auf ein oder zwei abschließende Zinssenkungen. Am Kapitalmarkt, also bei längeren Kreditlaufzeiten, bedeuten höhere Staatsschulden nun mal höhere Zinsen. Daran kann auch eine Zentralbank nichts ändern.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt, Hauck Aufhäuser

Die Zinssenkung ist ein Non-Event, sie hatte sich lange abgezeichnet. Der Rat dürfte der Zinspolitik einen klaren neutralen Stempel geben wollen. Die sich vorerst abzeichnende Phase mit Quasi-Preisstabilität hält das Fenster für eine Leitzinssenkung im April geöffnet. Da die EZB nun von einer spürbar weniger restriktiven Geldpolitik spricht, rückt die Frage nach dem Zinsboden vor. Der Wachstums- und Inflationsausblick sprechen dafür, dass dieser nicht tiefer als 2,0% liegt. Bei einer voraussichtlich moderat wachsenden Wirtschaftsleistung dürfte der Rat im zweiten Halbjahr eine abwartende Haltung einnehmen. Wegen der hohen Unsicherheit in der Handelspolitik ist der Leitzinsausblick weniger klar.

Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt, IKB

Eine expansive Fiskalpolitik infolge höherer Verteidigungsausgaben in der EU wird zu Prognoserevisionen bei den EZB-Wachstumsprognosen sorgen. Das genaue Ausmaß der möglichen fiskalischen Stimulierung ist zwar unsicher. Dennoch lassen jüngste Ankündigungen zur Fiskalpolitik in Berlin und Brüssel kaum noch Raum für eine expansive Geldpolitik und damit für einen Einlagenzins von unter 2% zu. Um zu verhindern, dass das lange Ende der Zinskurve auch nachhaltig deutlich über 2% verweilt, ist es absolut notwendig, dass die EZB in Zeiten der Aufrüstung ihr 2%-Inflationsziel besonders betont.

Reinhold Rickes, Chefvolkswirt, Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Die heutige EZB-Leitzinssenkung ist in die aktuelle finanzpolitische Zeitenwende einzuordnen. Mit neuen großvolumigen und stemmbaren Fiskalpaketen reagieren Deutschland und die EU auf die aktuellen Herausforderungen. Dabei ist der “What ever it takes”-Moment für die Stärkung von Sicherheit und Verteidigung für Deutschland und für einen gestärkten Zusammenhalt in Europa offensichtlich. Auch die Geldpolitik bleibt in dieser Zeit der finanzpolitischen Wende gesondert gefordert. Eine Zinspause im April könnte dabei helfen, mit Blick auf die Entscheidungen im Juni und Juli die Geldpolitik neu zu auszurichten.

Ulrike Kastens, Volkwirtin Europa, DWS

Die EZB bleibt auf Kurs und senkt den Einlagensatz auf 2,50%. Neu ist, dass die Geldpolitik nicht mehr als “restriktiv“, sondern als “spürbar weniger restriktiv“ bezeichnet wird. Dies deutet darauf hin, dass der Spielraum für weitere Zinssenkungen in den kommenden Monaten begrenzt ist. Ansonsten bleibt die Notenbank datenabhängig. Angesichts der politischen Unsicherheit und mit Blick auf die möglichen konjunkturellen Effekte höherer Verteidigungsausgaben ist dies mehr als angemessen.

Christian Lips, Chefvolkswirt, NordLB

Der weitere Pfad wird auch von Trumps Zollpolitik und den konkreten Änderungen der Fiskalpolitik abhängen. Bei Letzterem ist in Ausmaß und Wirkung jedoch noch vieles unklar, während die Märkte aktuell offenbar übertrieben hohe Volumina und auch leicht inflationäre Wirkungen preisen. Insofern ist sowohl eine leichte Verlangsamung des Zinslockerungstempos (Senkungen Juni und September) wahrscheinlich, aber auch eine zügigere Zinssenkung von Sitzung zu Sitzung weiterhin denkbar. Im Herbst dürfte aber so oder so die Terminal Rate von 2,00% beim Einlagesatz erreicht sein.

Carsten Mumm, Chefvolkswirt, Donner & Reuschel

Die EZB sieht die Inflation in der Eurozone auf einem guten Weg in Richtung des Zielwerts von 2%, trotz der Anhebung ihrer Inflations-Projektion für das laufende Jahr 2025 auf 2,3%. Denn parallel wurde die Wachstumserwartung der Notenbank nach unten adjustiert und die absolute Höhe des Zinsniveaus sorgt weiterhin dafür, dass aktuell zur Verlängerung anstehende Kredite in der Regel mit höheren Konditionen einhergehen.

Damit kann grundsätzlich von weiter sinkenden Leitzinsen in den kommenden Monaten ausgegangen werden, wenngleich nicht notwendigerweise der nächste Zinsschritt im April erfolgen muss. Gerade in Zeiten, die aufgrund politischer Entscheidungen der neuen US-Regierung und/oder der politisch Verantwortlichen europäischer Staaten von hoher Unsicherheit für die Wirtschaft und erhöhter Volatilität an den Kapitalmärkten geprägt ist, tut die EZB gut daran, datenabhängig den weiteren geldpolitischen Kurs festzulegen.

Gunter Deuber, Chefvolkswirt Raiffeisen Bank International

Wenig überraschend senkte die EZB heute die Leitzinsen abermals um 25 BP. Nach nun 150 BP an Zinssenkungen seit Juni letzten Jahres ist das weitere Vorgehen aber mit mehr Unsicherheit behaftet. Erstmals sinkende Dienstleistungspreisinflation im Februar stimmen uns aber positiv, dass dies nicht das Ende des Leitzinssenkungszyklus war. Der geldpolitische Beschluss verweist nach wie vor auf eine restriktive Geldpolitik, wenn auch in einem “spürbar” geringerem Ausmaß. Dies macht zumindest eine weitere Zinssenkung wahrscheinlich, ob bereits auf der nächsten Zinssitzung im April gilt es aber wohl im EZB-Rat noch auszudiskutieren.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Da braucht es keine Experten, der echte Masstab sind die Anleihenzinsen die der Markt vorgibt und die haben gerade gezeigt was auf uns zukommt. Die Experten sind meistens schönrednerisch eingestellt.
    Für tiefere Leitzinsen braucht es eine echte Rezession und eine richtige Aktienkorrektur, basta.

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