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Ein Fehler zieht den nächsten Fehler nach sich.. EZB ist zerstritten: Zinsen anheben in die Rezession?

EZB zerstritten Zinsen und Rezession

Die heute veröffentlichten Daten zu den Einkaufsmanagerindizes aus der Eurozone sollten die EZB nachdenklich machen: vor allem die Industrie ist tief in der Rezession, besonders in Deutschland – kann die europäische Notenbank in diesem Umfeld die Zinsen weiter anheben? Gleichzeitig gehen die Erzeugerpreise, eine Art „Pipeline-Inflation“, immer weiter zurück (so etwa heute neue Zahlen aus Spanien mit -8,1% zum Vorjahresmonat).

EZB hebt Zinsen in  die Rezession an

Die EZB hatte die Inflations-Dynamik unterschätzt, als die Erzeugerpreise auf über 30% gestiegen waren – nun ignoroert man die stark fallenden Erzeugerpreise erneut. Man wird nicht umhin können, hier von einem erheblichen Versagen zu sprechen. Dieses Versagen wird die Wirtschaft der Eurozone noch tiefer in die Rezession stürzen.

Vor allem die Ökonomien der wichtigsten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland und Frankreich, sind laut Einkaufsmanagerindizes bereits in der Rezession – also Wirtschaftsräume mit ca. 150 Millionen Menschen:

Deutschland Frankreich EZB Zinsen Rezession

Hebt die EZB also in eine beginnende Rezession die Zinsen an – ein Fehler, den sie in ihrer noch jungen Geschichte bereits dreimal begangen hat? Vieles spricht dafür. Denn die Notenbanker wollen ihren vorherigen Fehler wieder gutmachen: man hatte die Inflation lange unterschätzt und will nun zeigen, dass man es richtig ernst meint mit der Bekämpfung der Teuerung.

Ein Fehler zieht also den nächsten Fehler nach sich. Hinzu kommt, dass die Mitglieder innerhalb der EZB uneinig sind über das weitere Vorgehen. Die Vertreter der Südländer fordern ein Ende der steigenden Zinsen, die Vertreter der Nordländer wollen mit weiteren Anhebungen der Zinsen sicher stellen, dass die Inflation wirklich besiegt wird.

EZB uneinig – was tun mit den Zinsen?

Ein Jahr nach dem Aufbruch der EZB in höhere Zinsgefilde planen die Ratsmitglieder nach steilem Anstieg nun den verbleibenden Weg zum Gipfelkreuz, wie Bloomberg nun berichtet.

Die Notenbanker, die sich diese Woche in Frankfurt treffen, werden voraussichtlich eine weitere Anhebung des Einlagensatzes um einen Viertelpunkt auf 3,75% bekannt geben, zusätzlich zu den 400 Basispunkten, die seit Juli letzten Jahres zur Straffung der Geldpolitik beschlossen wurden.

EZB Zinsen Straffung

Straffung der EZB so aggressiv wie nie zuvor 

Es ist jedoch weniger wahrscheinlich, dass sie einen Ausblick auf die nächste Sitzung im September geben werden. Einige Ratsmitglieder drängen auf einen letzten Schritt bei diesem Termin, während andere eine Pause bevorzugen. Auch wenn sich einige der Falken im EZB-Rat in letzter Zeit zahm gezeigt haben, ist die Debatte noch in vollem Gange. Anleger und Ökonomen tendieren zu einem Zinsgipfel von 4%.

“Die größte Herausforderung wird darin bestehen, deutlich zu machen, dass der EZB-Rat die Inflation in Richtung Zielwert bringen wird, dass aber dennoch das Ende des Zinserhöhungszyklus näher rückt”, sagte Martin Wolburg, leitender Ökonom bei Generali Investments Europe. “Die Botschaft wird sein, dass die Zinsen länger auf ihrem Höchststand bleiben werden.”

Die Märkte von einer solchen Absicht zu überzeugen, erweist sich bereits jetzt als schwierig. Von Bloomberg befragte Analysten erwarten eine Senkung der Zinsen bereits im nächsten Frühjahr. Dass die EZB in der Vergangenheit nicht alle Ankündigungen auch umgesetzt hat, könnte diese Zweifel noch verstärken. So bezeichnete Präsidentin Christine Lagarde Ende 2021 Zinserhöhungen im folgenden Jahr als “sehr unwahrscheinlich”.

Neben dem Versuch, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, haben die EZB und andere große Zentralbanken einen Großteil der letzten anderthalb Jahre damit verbracht, für eine sanfte Landung ihrer Volkswirtschaften zu sorgen, nachdem der Krieg Russlands in der Ukraine die Inflation in die Höhe getrieben und den Aufschwung nach der Pandemie zunichte gemacht hatte.

Die rasche Abfolge von Zinserhöhungen – die in der Regel mit einer Verzögerung von einem Jahr oder mehr wirksam werden – bedeutet, dass die noch ausstehenden Effekte der Geldpolitik für die Entscheidungsfindung der EZB ebenso wichtig sind wie die Vielzahl der Wirtschaftsdaten, die bis September eintreffen werden.

Ein Jahr nach dem Aufbruch der EZB ist die Inflation auf 5,5% gesunken, nachdem sie in der Spitze fast doppelt so hoch war — aber das liegt eher an der Umkehr der Erdgaspreise als an den bisherigen Maßnahmen der Zentralbank. Werden Energie und Lebensmittel herausgerechnet, ist die Kerninflation weiter höher als vor 12 Monaten. Den Prognosen zufolge wird der Gesamtpreisanstieg erst im Jahr 2025 in der Nähe des 2%-Ziels liegen.

Die Wirtschaft ist bisher von einer Rezession verschont geblieben, auch wenn höhere Energierechnungen und Kreditkosten die Haushalte belasten. Ein überraschend starker Arbeitsmarkt stützt den Konsum. Einige Sektoren – insbesondere das verarbeitende Gewerbe – haben jedoch zu kämpfen. Die Produktion in Deutschland, dem größten Mitgliedsland der EU, ist im Winter zurückgegangen. Jüngste Einkaufsmanager-Daten aus Frankreich und Deutschland lagen unter den Erwartungen.

Der Endspurt?

Vor diesem Hintergrund sind sich die EZB-Vertreter uneins über den Endspurt bei ihren Zinserhöhungen.

Yannis Stournaras, der Chef der griechischen Zentralbank, hat davor gewarnt, dass das Wachstum unterdurchschnittlich ausfallen könnte, was eine schwächere Inflation implizieren würde. Auch der italienische Notenbankchef Ignazio Visco hat erklärt, dass der Preisdruck möglicherweise schneller als erwartet nachlässt. Beide werden wahrscheinlich eine Pause im September befürworten.

Am anderen Ende des Spektrums hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel argumentiert, dass es zu früh sei, den Sieg über die Inflation zu verkünden, und damit angedeutet, dass eine weitere Anhebung im Herbst notwendig sein könnte.

Nagels traditionell falkenhafter Amtskollege aus den Niederlanden, Klaas Knot, erklärte hingegen letzte Woche gegenüber Bloomberg TV, dass Schritte nach Juli “höchstens eine Möglichkeit, keineswegs aber eine Gewissheit” seien.

“Der EZB-Rat ist sich zunehmend uneinig darüber, wie viel weitere Straffung die Wirtschaft des Euroraums braucht”, sagte Nerijus Maciulis, Chefvolkswirt der Swedbank. “Obwohl er wahrscheinlich die Tür für weitere Erhöhungen offen halten wird, wird er nicht wiederholen, dass die Aufgabe noch nicht erledigt ist.”

FMW/Bloomberg



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5 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    „Der Euro wird französisch ! “ titelte Roland Tichy, im Sommer 2000 in der Telebörse Print, als bekannt wurde, ein Franzose und kein Deutscher wird Nachfolger des Niederländers Wim Duisenberg.

    Ich konnte die Meldung nie ganz nachvollziehen. Jean Claud Trichet war ein sehr guter EZB Präsident.

    Im Sommer 2008 erhöht er die Zinsen, gegen den erbitterten Widerstand der Südländer, auf 4,25 Prozent um genau wie heute, die Inflation zu bekämpfen.

    Die Schuldnerländer wie Griechenland, Italien, Spanien, Zypern und Malta hätten natürlich die niedrigen Zinsen bis in alle Ewigkeit weiterhin gehabt, das ist klar.

    „Frage einen Frosch, ob der Sumpf trockengelegt werden soll …?.“ .

    Draghi war es, der die zwei klitzekleinen Zinserhöhungen seines Vorgängers Jean Claud Trichet sofort nach Amtsübernahme 2011 wieder egalisierte und tiefer und tiefer drückte.

    Draghi war es, der unautorisiert Billionen von Staatsanleihen kaufte.

    Mit Madame Lagarde ist damit Schluss ! Sie steht für eine andere Art von Geldpolitik.

    Ich darf daran erinnern, das sie es war, Die während der Griechenland- Krise, eine sehr harte hand gegenüber dem Schuldenstaaat führte .
    Sie war es, die dem Land indirekt den Austritt aus dem Euro empfohlen hatte, im Juli 2012 war das.

    Eine Woche später, im ARD Sommerinterviev griff Philipp Rössler diese Idee wieder auf: Mit dem Titel: „Der Austritt Griechenlands aus dem Euro hat seinen Schrecken verloren „. versetzte er die Bullen in Angst und Schrecken.

    Das war Sonntag- Abend , der 22.Juli 2012. Am Montag- Vormittag brachen schon die Börsen ein, Finanzaktien wie eine UniCredit oder Banca Santander verloren über 25 Prozent bis zum Donnerstag- Vormittag !

    Denn diese waren besonders im Schuldenstaaat Griechenland engagiert, eine Pleite hätten auch deren Pleite bedeutet.
    Am Donnerstag- Mittag, dem 26.Juli 2012 sieht sich deshalb Draghi zum Handeln gezwungen. In Londons bester Lage gibt er ein Garantie Versprechen….Whatever it takes…

    Der 26.Juli 2012 war historisch für die Bullen, der 26. und 27.Juli 2023 wird genau so historisch für die Bären sein….

    1. Was ist an dem Deal denn nicht zu verstehen??
      1) Die Gelddruckorgie des Hr. Draghi hat doch beiden den Hintern gerettet. DE & FR
      2) FR: “ Isch will Inflatsion! Funksioniert schon seit 1798!
      DE: Merkel: Ist gut aber dafür will ich Ursula von der Lügen in Sicherheit vor dem Untersuchungsausschuss bringen!
      FR: Bon dann kommt ja Mme Chr. Lagarde als verurteilte Kriminelle gut zu passe, D´accord?!

  2. Mit der aktuellen EZB-Präsidentin ist nach meiner Wahrnehmung ein vollkommen neues Verständnis der Geldpolitik wirkmächtig geworden, das ich für irrationalen ahnungslosen Unsinn halte.

    Denn die Aufkäufe von Schuldenpapieren europäischer Staaten bedeutete eine enorme Geldmengenvermehrung, die als Inflation im Immobilienbereich und als Aktienblase manifest wurde, und zugleich führte dies zu einer unbegründbaren Subventionierung der betreffenden Staaten und auch zu einer Überschuldung dieser Staaten. Das Risiko zukünftiger Krisen sowie die Selbstschädigung Europas durch überteuerte Immobilien und überteuerte Aktien und die grundlose Subventionierung bestimmter Länder ist leider enorm.

    Jetzt haben wir Preiserhöhungen, die aber durch die Verteuerung einzuführender Produkte verursacht und nicht aufgrund einer zu großen Geldmenge inflationsverursacht sind, und jetzt werden die Zinsen erhöht, was unsinnig ist.

    In beiden Fällen macht die aktuelle EZB also das Falsche:
    Denn die Geldmengenerhöhung durch die Kreditaufkäufe und die damit einhergehende einseitige Stützung bestimmter Volkswirtschaften wirkte wie beschrieben tatsächlich inflationär, wenn auch in Bereichen (Immobilien und Börse), die der Normalverbraucher nicht jeden Tag unmittelbar zu Kenntnis nimmt. Diese Inflation hätte vermieden werden müssen.
    Jetzt haben wir eine echte Verteuerung der einzuführender Produkte, und diese Entwicklung kann überhaupt nicht durch Zinserhöhung gestoppt werden, weil die Zinserhöhung die Einfuhrpreise nicht verringert, sondern nur die Wirtschaft einschränkt und so allenfalls in Nebenwirkung einer Rezession Preise sinken werden.

    Man hat den Eindruck, dass die aktuellen EZB-Akteure ihre Arbeit gar nicht verstehen.

  3. ich kann nirgendwo ein Hinweis finden, daß die EZB zerstritten ist. insofern ist die Titelaussage Unsinn.

    1. @Zoehrnes, das ist kein Unsinn – die Aussagen etwa von Griechenlands Stournaras und dem Bundesbankchef Nagek widerprechen sich diametral!

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