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EZB-Käufe von Unternehmensanleihen: Der Markt positioniert sich – bei jeder Marktverzerrung gibt´s immer auch Verlierer

FMW-Redaktion

Ab Juni wird die EZB die Verzerrung der freien Marktmechanismen auf den Markt für Unternehmensanleihen ausweiten. Freie Marktmechanismen, so sehr sie auch viel Negatives mitbringen, haben genauso ihr Gutes. Private Investoren erkennen idR faule Eier und sondern sie vom Markt ab. Firmen mit kaputten Bilanzen und schlechten Geschäftsmodellen haben in einem freien und privatwirtschaftlichen Markt keine oder nur sehr geringe Chancen Geld über Anleihen aufzunehmen. Aber wie gesagt, in einem „freien und privatwirtschaftlichen Markt“. Jetzt aber beginnt die Geldüberflutung auch dieses Marktes durch die EZB. Erste Schätzungen von Analysten besagen, dass die EZB pro Monat bis März 2017 zwischen 4 und 7 Milliarden Euro an Unternehmensanleihen aufkaufen wird. Mal ehrlich: Glaub jemand, dass die EZB im März 2017 damit aufhört? Hat sie bei den öffentlichen Anleihen auch nicht getan – man hat einfach verlängert.

EZB Draghi Unternehmensanleihen
EZB-Präsident Mario Draghi. Foto: EZB

Man muss wissen, dass die EZB nicht als aktiver Händler am Markt auftritt durch ständiges Kaufen und Verkaufen wie große Banken es tagtäglich tun. Nein, im Rahmen ihrer Kaufprogramme kauft die EZB Anleihen, legt sie in ihre Bücher und lässt sie dort verweilen bis zum Verfallstag, wo sie dann vom Emittenten den Nominalwert zurückerhält. Somit wird ab Juni auch dem Markt für Unternehmensanleihen in der Eurozone kontinuierlich Angebotsmasse entzogen. Es fehlen dann schlicht und einfach die hochwertigen AAA-gerateten Anleihen von großen Konzernen, wo Versicherungen und Fonds bisher große Cash-Bestände unterbringen konnten. Denn genau diese hochwertigen Schulden will die EZB kaufen.

Aber irgendwo müssen die Privaten ihr Geld auch in Zukunft unterbringen. Sie müssen daher fast gezwungenermaßen ausweichen auf den Rest, der am Markt zur Verfügung steht. Und da wird es eng. Wie wir schon letzte Woche beschrieben hatten, gehen wir davon aus, dass jetzt vermehrt Schrottfirmen an den Anleihemarkt zurückkehren oder dort erstmals auftauchen, wo sie bisher keine oder nur minimale Chancen hatten Anleihen loszuwerden. Der Markt muss irgendwo investieren. Und wenn dann Firmen mit schlechten Ratings, dafür aber höheren Zinsofferten auftauchen, werden eben diese Anleihen gekauft, so unsere Annahme.

„Die EZB kauft jetzt Unternehmensanleihen“ – wow, super, toll, bringt doch nur Vorteile, so der Tenor in den letzten Tagen in der Wirtschaftspresse. Aber egal was am Kapitalmarkt passiert – jede Medaille hat immer auch zwei Seiten. Jede Verzerrung, jeder Markteingriff durch staatliche Institutionen führt an einem eigentlich freien Markt, der durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden sollte, zu Fehlentwicklungen mit oft furchtbaren Folgen. Und genau dies wird wohl auch diesmal passieren. Die EZB wird mit ihrer unbegrenzten „Kaufmacht“ schlicht und einfach die bisherigen privaten Käufer von den hochwertigen guten Anleihen fernhalten – sie müssen auf minderwertige Anleihen ausweichen. Fonds, die durch ihren Verkaufsprospekt daran gebunden sind X % des Fondsvolumens z.B. in Anleihen aus der Eurozone zu investieren, müssen dann irgendwie in schlechtere Anleihen ausweichen, wenn die EZB alles andere aufkauft.

Wie auch bei den Sparern und den Negativzinsen: Die Rechnung der EZB-Käufe von Unternehmensanleihen zahlt am Ende wohl der brave Fondssparer, der Riester-Sparer, die Dachfonds-Sparer. Werden in Zukunft einzelne Schrottanleihen nicht zurückgezahlt, fällt die Rendite eines Fondssparplans eben „etwas niedriger“ aus als sonst. Aber egal, fällt ja kaum auf, oder? Ach übrigens, Gewinner gibt es bei den Aufkäufen von Unternehmensanleihen auch. Große Konzerne wie die Deutsche Telekom, Daimler, VW, Bayer, BASF, alles erstklassige Namen. Wenn die in den nächsten Monaten Anleihen ausgeben, werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach weniger Zinsen zahlen müssen, weil mehr Kaufwillige am Markt vorhanden sind.

Tritt die EZB dann als Käufer am freien Anleihemarkt auf (sie sagt sie will nur hochwertige Anleihen kaufen), ist mehr Kaufdruck da, und die Kurse der entsprechenden Papiere steigen, die Rendite sinkt (Automatismus). Schon jetzt kurz nach der EZB-Verkündung sind bei hochwertigen Unternehmensanleihen steigende Kurse zu beobachten. Die Risikoprämien im iTraxx Europe für Non Financials (also Unternehmensanleihen ohne die Finanzbranche) gingen nach der EZB-Entscheidung um 20 Punkte zurück auf 68. Marktteilnehmer wollen quasi die Papiere jetzt schon einkaufen und halten, mit dem Kalkül sie demnächst teurer an die EZB weiterverkaufen zu können – denn die will und muss ja kaufen!

Und genau diese Notwendigkeit der EZB macht an institutionellen Handelsdesks die Runde seit Anfang dieser Woche. Welche Anleihen von welchen Unternehmen die EZB aufkaufen wird, weiß noch niemand. Aber: Anleihen von Deutscher Telekom, Deutscher Bahn etc dürften schon mal voll gesetzt sein, da sie ja sogar noch anteilig in Staatsbesitz sind. Die Dax-Werte dürften, davon darf man ausgehen, auch alle mit auf der EZB-Liste stehen. Bankhändler schauen jetzt, wo sie einsteigen können um sich für einen teuren Weiterverkauf an die EZB zu positionieren. Ein überteuerter Kauf durch die EZB, auch das gibt´s nicht gratis – zahlen tut den letztlich der europäische Steuerzahler über die EZB-Bilanz. Aber na gut, so direkt fühlt man die ja nicht auf dem heimischen Sofa als Endverbraucher.

Ein Beispiel gefällig, wie schnell sich der Markt derzeit auf den Appetit der EZB einstellt? Am Donnerstag letzter Woche, kurz nachdem die EZB verkündete Unternehmensanleihen kaufen zu wollen, verkündete die Deutsche Telekom zum ersten Mal seit 2013 wieder eine Euro-Anleihe platzieren zu wollen. Und siehe da, vorgestern hatte die Telekom ihre 4,5 Milliarden Euro in Windeseile problemlos am Markt platziert. Die Nachfrage nach ihren Anleihen lag sogar bei einem Volumen von 18 Milliarden Euro. Wie gesagt: Dass die Telekom auf der EZB-Liste der zu kaufenden Anleihen steht, darf man als annähernd sicher annehmen. Wenn die Anleihen der Telekom nicht als „Investment Grade“ einzustufen sind, welche dann? Ach ja, seit Montag früh sind die Emissionsaktivitäten für Euro-Unternehmensanleihen drastisch angestiegen. Nach der EZB-Sitzung brauchten die Emittenten ja noch einen Werktag um Unterlagen und technische Details vorzubereiten, und ab dieser Woche werden jetzt Emissionen auf den Markt gedrückt. Die Nachfrage ist ja bald mehr als ausreichend vorhanden um alles weiterzureichen!

Was zeigt das? Die Großinvestoren sind heiß… die EZB kommt ja bald, da kann man doch bestimmt zu höheren Kursen weiterverkaufen, denn die Damen und Herren im EZB-Turm wollen ja unbedingt kaufen. Und wer unbedingt kaufen will, zahlt auch gerne mehr! Über den gewünschten Effekt, den die EZB eigentlich erzielen will, hat in den letzten 3 Tagen noch keine Bank gesprochen. Mehr Geld in Bankkredite an kleine Handwerker fließen lassen, weil die EZB den Anleihemarkt trocken kauft – davon hat noch keine Bank was angedeutet.




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