Im Juni senkte die EZB ihre Zinsen, und gestern erneut. Der Einlagensatz für Banken bei der EZB sank gestern erneut um 0,25 Prozentpunkte, die beiden anderen Zinssätze sogar um 0,60 Prozentpunkte. Die Grafik zeigt seit dem Jahr 2016 den Verlauf der EZB-Zinsen für Hauptrefinanzierungsgeschäfte (blaue Linie) im Vergleich zur Inflation in der Eurozone (rote Linie), die von über 10 % im Jahr 2022 bis jetzt wieder auf 2,2 % gesunken ist. Und bereits in knapp fünf Wochen steht die nächste Zinsentscheidung der EZB an. Werden Lagarde und Co dann gleich nachlegen, und die Zinsen erneut senken? Dafür gibt es keine Garantie, aber es gibt aktuell gewisse Andeutungen.
EZB schließt Senkung der Zinsen im Oktober nicht aus: Kreise
Die Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank können eine Zinssenkung bei ihrer nächsten Sitzung am 17. Oktober derzeit nicht ausschließen, auch wenn ein solcher Schritt unwahrscheinlich sei, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen laut Bloomberg. Angesichts der Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone würden es die Währungshüter der EZB vorziehen, sich die Möglichkeit einer Zinssenkung bei diesem Treffen offen zu halten, sagten die Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten.
Da bis zu dieser Sitzung nur noch fünf Wochen verbleiben, wird den Währungshütern bis dahin nur ein neuer Inflationsbericht vorliegen. Die September-Daten werden laut gestriger Aussage von Präsidentin Christine Lagarde einen Rückgang zeigen, der sich jedoch wieder umkehren wird. Um einen eventuellen Abschwung in der Wirtschaft zu beurteilen, müssen sich die Währungshüter auf Einkaufsmanagerindizes verlassen, da bis dahin keine harten Daten vorliegen werden.
Nach der Pressekonferenz der EZB-Präsidentin reduzierten die Anleger ihre Wetten auf einen Zinsschritt im nächsten Monat. Sie sehen nun eine Wahrscheinlichkeit von 20% für einen solchen Schritt, verglichen mit 40% zu Beginn dieser Woche. Die EZB hat die Zinsen bereits zweimal gesenkt — im Juni und gestern — und die Märkte wetten derzeit auf mindestens eine weitere Zinssenkung bis zum Jahresende. Da die Währungshüter ihre vierteljährlichen Wirtschaftsprognosen vorzugsweise als Richtschnur für geldpolitische Maßnahmen heranziehen, scheint der Dezember der logischere Zeitpunkt zum Handeln zu sein.
Zu den Aussichten für die Oktober-Sitzung befragt, gab Christine Lagarde gestern keine konkreten Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit eines Schrittes und verwies auf die Festlegung der EZB, auf der Grundlage von Daten zu entscheiden.
Direktor: Inflationstrend legt nahe, dass EZB weiter lockern muss
Die EZB sollte die Leitzinsen laut Ratsmitglied Gediminas Simkus weiter senken. Die Inflation “beruhigt sich”, sagte der litauische Notenbankchef am Freitag im Interview mit Radio LRT. “Ihr Verlauf deutet darauf hin, dass weitere Zinssenkungen erfolgen müssen. Die Zinsen werden weiter sinken, doch das Tempo der Senkungen wird von den Daten abhängen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt beruhigt sich ebenfalls, aber wir müssen bei weiteren Entscheidungen immer noch vorsichtig sein“, so seine Worte. In Bezug auf die Teuerung im Dienstleistungsbereich bestehe noch immer “deutliche Unsicherheit”.
Für Peter Praet, der bis 2019 Chefvolkswirt der EZB war, ist „das beste Szenario für die EZB für weiter sinkende Zinsen ist der Dezember“. „Aber Dezember ist weit weg, viele Dinge können passieren“, sagte er am Freitag zu Tom Mackenzie von Bloomberg TV. „Also hat die EZB versucht, sich eine Option zu bewahren.“
Die Löhne stehen schon seit einiger Zeit im Fokus der EZB, wobei die letzten Daten – die vor einer Woche veröffentlicht wurden – zeigen, dass sich ein wichtiger Maßstab im zweiten Quartal weiter verlangsamt hat.
„Die Situation auf dem Arbeitsmarkt beruhigt sich ebenfalls, aber wir müssen mit weiteren Entscheidungen vorsichtig sein“, sagte Simkus und fügte hinzu, dass die Inflation im Dienstleistungssektor mit großer Unsicherheit behaftet sei. In einem separaten Interview am Freitag sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel, dass „die Inflationsaussichten sehr gut sind“. „Wir gehen davon aus und die Daten bestätigen uns, dass wir unser Inflationsziel von 2% bis Ende nächsten Jahres erreichen werden“, sagte er im Deutschlandfunk. „Die Datenlage ist so, dass sie die gestrige Zinssenkung rechtfertigt.“
FMW/Bloomberg
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