EZB-Präsidentin Christine Lagarde lebt wie die meisten anderen Zentralbanker in der Traumwelt, in der man mit seiner Arbeit wirklich die Inflation kontrollieren und in festen Bahnen lenken kann. Man ist ja auch für die Preisstabilität zuständig, also muss man daran glauben? Der aktuelle Blick scheint die Gläubigkeit an das eigene Tun zunächst zu untermauern: Derzeit liegt die Inflation in der Eurozone nämlich exakt bei 2,0 %, also genau auf dem Zielniveau der EZB. Mehr geht nicht, gute Arbeit?
Inflation auf lange Sicht eher durch Zufall mal bei 2,0 %
Die folgende Grafik zeigt als roten waagerechten Strich das 2 % Inflationsziel der EZB. Die blaue Linie zeigt die Höhe der Inflation, und die dünnere rote Linie die Entwicklung im Einlagenzins der EZB, der die Inflation steuern soll. Man sieht: Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 kämpfte die EZB jahrelang sogar mit Negativzinsen gegen Deflationsgefahren. Den großen Inflationsschub, der von Anfang 2021 bis Herbst 2022 die Verbraucherpreise sogar um mehr als 10 % ansteigen ließ, hatte die EZB überhaupt nicht kommen sehen, und auch nicht im Griff. Mit ihren Zinsanhebungen begann sie im Sommer 2022 erst ein halbes Jahr verspätet, ein großes Versagen.
Eine gewisse Lenkungsfunktion darf man den Zinsen natürlich schon zuschreiben. Höhere Zinsen halfen dabei die Inflation mit Verzögerung wieder auf tiefere Niveaus zu bringen. Aber der langfristige Blick zeigt: Ob Deflation oder Inflation: Die träumerische Idee, dass Zentralbankpolitik die Inflation punktgenau steuern kann, ist eine Illusion. Dass wir derzeit exakt bei 2,0 % Inflation liegen, dürfte eher ein Zufall sein. Der Chart zeigt es mit Blick auf die letzten 18 Jahre: Es gab keine Konstanz bei den Steigerungsraten der Verbraucherpreise.
Warum wir gerade jetzt dieses Thema besprechen? EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat heute klar zum Ausdruck gebracht, wie fest man bei der EZB glaubt, Preise präzise steuern zu können. Die Europäische Zentralbank hat Preisstabilität erreicht und wird alles Notwendige tun, um die Inflation in der Eurozone unter Kontrolle zu halten, so sagte es Christine Lagarde. Das Inflationsziel von 2 % sei erreicht, und „wir werden weiterhin die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Inflation unter Kontrolle ist und die Preise stabil bleiben”, sagte sie heute laut Bloomberg in einem Interview mit Radio Classique.
Morgen steht die Meldung zur Inflation in der Eurozone im August an. Es wirkt so, als würde die Inflation für den Moment um das Niveau von 2 % verharren können. Aber wie gesagt – dass es aktuell 2,0 % sind, dürfte im größeren Bild betrachtet eher ein Zufall sein. Bis das nächste Ereignis die Preise wieder aus der Bahn wirft, und die EZB erneut nicht weiß, wie sie die Abweichung zügig einfangen soll – weil es eben nicht geht. Man kann mit Verzögerung von mehreren Quartalen vielleicht grob die Richtung beeinflussen.
Aber eine mögliche Rezession in der Eurozone – ausgelöst durch Trumps Zölle – könnte die Verbraucherpreise deutlich unter die Steigerungsrate von 2,0 % bringen. Oder es könnte eine deutlich höhere Inflation als 2,0 % geben, weil Staaten in der Eurozone massiv neue Schulden machen, Rüstungs- und Infrastrukturausgaben vorantreiben? Auch das wäre möglich. Die EZB könnte hier quasi nur begleitend versuchen, einen gewissen Einfluss auf Preisentwicklungen zu nehmen.
FMW/Bloomberg
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Moin, moin,
gut geschrieben, die „Traumwelt“ ist leider nicht nur bei Zentralbankern vorhanden. Seit dem Ende des Ost-Blocks sollte m.E. die Thematik der „Nicht-Steuerbaren“-Wirtschaft bekannt sein.
Frankreich wird für die EU zum unlösbaren finanziellen Problem werden. Einsparungen? Nicht mit den Franzosen. Ergo folgt die Notenpresse. Eurobonds etc. pp.
Fazit: Lieber ein schnelles Ende mit Schrecken (Dexit und damit EU-Ende) als alles verlieren
Moin,
ich verstehe sowie nicht warum das Geld am Ende eines harten Arbeitstages weniger wert sein soll, als den Tag zuvor. Das ganze Inflationsziel ist doch letzendlich ein staatlich-politisch legitimierter suksessiver Diebstahl von Vermögenswerten und die eigentlich so unabhängige europäische Zentralbank setzt sich nun ganz frech und offensichtlich an die Spitze dieser ganzen Kleptokratiebewegung, anstatt den Bürger vor diesem Wahnsinn zu schützen und die Vermögenswerte zu erhalten. Das war in Deutschland im letzten Jahrhundert tatsächlich mal etwas anders, ich erinnere mich noch dunkel an diese Zeit vor dem Mauerfall. Leider hat Otto Normalverbraucher mittlerweile die meisten höheren Hirnfunktionen komplett abgeschaltet, oder ist vielleicht dank unseres genialen Bildungssystem auch nicht mehr in der Lage solche komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge zu durchdringen. Ich persöhnlich erleide mittlerweile echte physische Schmerzen aufgrund dieser ganzen Miesere und der Dexit wird es auch nicht mehr richten, da die gesellschaftlichen Realitäten sich mittlerweile stark verschoben haben.
Ich werde also vielleicht in absehbarer Zeit auch noch zu einem Wirtschaftsflüchtling.
Das hätte ich mir vor 20 Jahren niemals so vergestellt aber C’est la vie.
Munter bleiben
Ja, das 2% Ziel ist eigentlich ein Skandal. Wenn in den Achzigern die Bundesbank sowas getrieben hätte, ich möchte mal die ganzen Falken von damals sehen.
Heute gilt Folgendes: Der Euo ist eine Übereinkunft aus den damligen Erbauern und heutigen Idealisten-Tauben. Weder die einen noch die anderen werden ihn kritiseren, fällt der Euro fällt Europa hieß es, ungeprüft und rausposaunt ohne jegliche Sachlichkeit. Jeder der ihn bisher kritisierte wurde in die rechte Ecke gerdängt, was ebenfalls völliger Unsinn ist, denn bei einer Währung geht es doch nicht um irgendeine politische Ausrichtung. Nun gibt es allerdings nur eine Partei, die den Euro kritisiert und die ist rechts orientiert. Die sind halt weder Erbauer, noch die andere Gruppe. Aber ich finde das schon echt schwach, dass man dieses Thema nun einer Partei überlässt. Wenn etwas nicht so funktioniert wie geplant, dann muss man nachbessern, ich schätze, das können die meisten Praktiker als tagesübliches Geschäft bestätigen. Wobei da gibt es dann auch genug, die keinen Bock drauf haben udn sagen: Nö, das Getriebe ist nicht kaputt, die Geräusche gehören zum Schalt-Design.