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Voschau auf den Zinsentscheid EZB senkt heute die Zinsen – Aber was dann, Frau Lagarde?

EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Foto: Alex Kraus/Bloomberg

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen nach Juni erneut senken, dürfte aber zurückhaltend bleiben, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. In der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid wird sich Christine Lagarde wahrscheinlich nicht zum Tempo und Ausmaß künftiger Zinssenkungen äußern, da die Inflation noch nicht vollständig besiegt ist.

EZB: Weitere Zinssenkung

Nach einer ersten Senkung der Zinsen im Juni, gefolgt von einer Pause im Juli, wird der Einlagensatz am Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 3,5 % gesenkt, so die Meinung aller 68 von Bloomberg befragten Wirtschaftsexperten. Zudem hat die EZB Rahmen der im März vorgestellten Neuausrichtung der Geldpolitik signalisiert, zwei weitere Zinssätze ebenfalls anzupassen, was jedoch kaum unmittelbare Auswirkungen haben dürfte.

Während die Inflation im Euroraum eingebrochen ist und die Erholung der Wirtschaft in den 20 Ländern stottert, haben die EZB-Beamten immer noch ein Auge auf den hartnäckig anhaltenden Preisdruck – insbesondere im Dienstleistungssektor, wo die Löhne rasch steigen.

Zinsentscheid: EZB-Chefin Lagarde wird eine Zinssenkung verkünden
Vorhersage einer EZB-Zinssenkung | Analyse der Bloomberg-Schlagzeilen

Das hat dazu geführt, dass sie sich nur ungern auf einen Zinskurs festlegen – auch wenn viele EZB-Mitglieder in den letzten Wochen eine Senkung im September befürwortet haben. Die Märkte wetten darauf, dass es 2024 mindestens einen weiteren Schritt über den heutigen Zinsentscheid hinaus geben wird – vor allem, da die Federal Reserve nächste Woche mit der Lockerung der US-Geldpolitik beginnen wird.

„Eine weitere Senkung der Zinsen um 25 Basispunkte scheint fast schon beschlossene Sache zu sein“, sagte Janet Henry, globale Chefvolkswirtin bei HSBC. „Es würde mich aber sehr überraschen, wenn es überhaupt eine klare Orientierung für den künftigen Zinspfad gäbe“.

Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, könnte einige Hinweise auf die künftige Geldpolitik geben. Sie stellt sich um 14:45 Uhr in Frankfurt den Journalisten – 30 Minuten nach der Erklärung der EZB.

Zinsen: Senkung auf neutralen Zinssatz

Die EZB-Vertreter haben sich zuletzt relativ einstimmig für eine Zinssenkung ausgesprochen, obwohl sich darüber hinaus Risse zeigen und es Auseinandersetzungen drohen, je näher der Einlagensatz an 3 % heranrückt.

Falken wie EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel und Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnen vor einer zu schnellen Lockerung, bevor die Inflation eingedämmt ist. Andere befürchten, dass der Kurs der EZB zu restriktiv werden könnte und die schwächelnde Wirtschaft mehr als nötig bremst.

Die meisten Analysten prognostizieren eine Senkung de Zinsen im September und Dezember und halten dieses vierteljährliche Tempo bis zum Erreichen von 2,5 % in einem Jahr bei. Dies ist der Endpunkt, an dem viele den sogenannten neutralen Zinssatz schätzen, der die Wirtschaft weder bremst noch stimuliert.

Schätzungen des neutralen Zinssatzes in der Eurozone

Anpassung der Zinssätze

Die EZB wird auch ihre Hauptrefinanzierungs- und Spitzenrefinanzierungssätze um jeweils 60 Basispunkte senken. Dies ist Teil einer Überarbeitung ihres geldpolitischen Rahmens, die darauf abzielt, den Banken letztendlich mehr Einfluss darauf zu geben, wie viel Geld sie für ihre Geschäftstätigkeit benötigen.

Da die quantitative Straffung noch Jahre von ihrem Abschluss entfernt ist und das Finanzsystem immer noch reichlich mit Liquidität versorgt ist, dürften die Auswirkungen auf die Märkte und die Wirtschaft vorerst gering sein, wenn überhaupt.

Neue Prognosen

Die jüngste Runde der vierteljährlichen Prognosen der EZB wird voraussichtlich nicht viel anders ausfallen als die letzte – und dürfte die Überzeugung der EZB bestätigen, dass die Inflation Ende 2025 das 2%-Ziel erreicht.

„Das bedeutet, dass die EZB ihre weichen Vorgaben für die nächste Zinssenkung im Dezember beibehält“, so Evelyn Herrmann, europäische Wirtschaftsexpertin bei BofA Global Research. „Allerdings besteht aufgrund der jüngsten Daten das Risiko einer leicht dovishen Ausrichtung der Kommunikation.“

Wirtschaftsexperten erwarten weitgehend unveränderte Aussichten

Statt über die Inflation machen sich einige Zentralbanker nun mehr Sorgen über das Wirtschaftswachstum, das nach einem Aufschwung in der ersten Jahreshälfte ins Stocken geraten ist. In der vergangenen Woche wurde der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal von 0,3% auf 0,2% nach unten korrigiert.

„Die Wirtschaftstätigkeit wird das Tempo der Zinssenkungen bestimmen“, sagte Jordy Hermanns, Portfoliomanager bei Aegon Asset Management.

Die Falken betonen jedoch, dass das Mandat der EZB auf Preisstabilität und nicht auf Wachstum ausgerichtet ist.

Das Dreieck der EZB

Die Annahme, dass die Inflation im Jahr 2025 wieder auf 2 % einpendeln wird, beruht darauf, dass die Lohnerhöhungen gedämpft werden, die Unternehmensgewinne einen Teil der Lohnerhöhungen auffangen und die Produktivität steigt, um die Kosten pro Produktionseinheit zu senken.

Die jüngsten Daten waren besser als im ersten Quartal – insbesondere der Anstieg des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer, der geringer ausfiel als von der EZB erwartet. Die Inflation ist im August auf 2,2 % gesunken – den niedrigsten Stand seit Mitte 2021.

Was Bloomberg Economics sagt:

„Zusammengenommen sehen die Daten zu Löhnen, Inflation und Unternehmensgewinnen zunehmend günstig aus und lassen die Tür für eine Senkung der Zinsen durch die EZB weit offen. Wenn sich die Trends, die wir beim zugrunde liegenden Kostendruck beobachten, fortsetzen, dürfte die Inflation bis 2025 unter das Zielniveau fallen, was einen anhaltenden Zinssenkungszyklus der EZB untermauern wird.“ – Jamie Rush und David Powell, Wirtschaftswissenschaftler.

Andere Messgrößen sind jedoch weiterhin frustrierend hoch: Die Basisinflation lag im vergangenen Monat bei 2,8 %, während sich der Anstieg der Dienstleistungspreise auf 4,2 % beschleunigte.

„Die EZB sollte sich viel mehr auf die Kerninflation ohne die volatilen Energiepreise konzentrieren, die ein ziemlich guter Indikator für die künftige Inflation ist“, sagte Volker Wieland, Professor für Geldwirtschaft an der Goethe-Universität Frankfurt.

Verlangsamte Inflation in der Eurozone, aber mit starren Dienstleistungspreisen

Die Fed

Der lang erwartete Beginn der Zinssenkungen in den USA könnte sich auch auf Europa auswirken.

Eine Zinssenkung der Fed um 50 statt 25 Basispunkte könnte die EZB zu einer Senkung der Zinsen im Oktober veranlassen – insbesondere wenn der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewinnt.

Die gestrigen Inflationsdaten veranlassten die Händler jedoch, ihre Wetten auf einen größeren Schritt der Fed zurückzunehmen.

FMW/Bloomberg



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6 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Die Märkte spekulieren also weiterhin auf ein Einknicken der Notenbanken in Bälde.

    Das ist auch nicht verwunderlich, sie sind in den vielen Jahren der Niedrigzinspolitik entsprechend konditioniert worden.

    Gab’s mal irgendwo ein Problem, dann schritten die Notenbanken ein.

    Auf diesen sogenannten FED Put spekulieren die Märkte.

    Volatile Märkte sind an der Börse vollkommen normal. Es geht rauf und runter, es gibt bestimmte Zyklen.

    Der längste bekannte Zyklus an den Märkten ging von 82 bis 00. DAX zurück berechnet von um die 500 auf knapp über 8000 Punkte ( 8136 um genau zu sein)…

    Der anschließende Crash führte den DAX bis auf nur noch 2166 im März des Jahres 2003…

    Praktisch eine Viertelung…

    Der jetzige Zyklus läuft seit dem März des Jahres 2009…DAX damals bei 3588 Punkte…

    Es ist also kein junger Zyklus mehr.

    Denoch spricht vieles dafür das der Zyklus noch nicht zum Abschuss frei gegeben ist. Die Bullen haben noch nicht fertig.

    Im sehr marktbreiten Leitindex der USA ,dem S&P 500, könnte deshalb die ominösen 6000er Marke, ein erstes Ziel der Bullen sein.

    Unterstützt und flankiert durch die Notenbanken…

    Drehen die Notenbanken aber wieder komplett durch, dann sind auch die 7000 nicht mehr weit…

    Lassen Sie sich in diesem Zusammenhang noch etwas zum Thema Gold sagen.

    Gold gehört in jedes Depot. Unabänderlich.

    Denn die Notenbanken werden auch die kommenden Probleme, die es im Kapitalismus immer gibt, nur mit einem Mittel zu lösen wissen….

    DEM GELD DRUCKEN IM UNGEDECKTEM PAPIERGELDSYSTEM…😊😊😊

    1. @Sebastian. „Lassen Sie sich in diesem Zusammenhang noch etwas zum Thema Gold sagen.“
      Wer glaubst du, wer du bist? Du Aufschneider und Kopierer!

  2. Moin, moin,

    ja so ist es Herr Dr. Schaarschmidt, es wird Geld gedruckt, Hauptsache das Spiel geht weiter.

    Aber irgendwann kommt die Quittung. Einer muss das am Ende bezahlen (es gibt keinen Free-Lunch). Wer hat noch Geld bzw. Vermögen? Da kommt doch rein „zufällig“ das EU-Vermögensregister ums Eck. Hier werden dann die potentiellen „Zahlmeister“ registriert und über den Digitalen Euro die Flucht vereitelt (Neidvoll schauen Erich H. und Genossen von oben auf die BRD bzw. EU). Nur schade, wenn die Vermögenden bzw. Know-How-Inhaber den Braten vorher riechen und sich vom Acker machen.

    1. Das Problem wurde vor langer Zeit in einem Film sehr gut formuliert.

      https://www.youtube.com/watch?v=2BnPjdrOY3A

      1. @flipper,

        die masse scheitert schon an kant’s idee, den mut zu haben, sich seines verstandes zu bedienen.

        suum cuique

        oder wie lebt es sich in einem land, in der die infrastruktur, das recht und die sicherheit zusehends verfällt?

    2. „Sich vom Acker machen“ heißt aber garantiert nicht als EU-Bürger in Internetforen mit seinem Vermögen in der Schweiz zu prahlen.
      Denn dahin reicht vermutlich der lange Arm der EU-Vermögensregisterschnüffler.

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