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EZB: Werden Kreditzahlungen dank Coronavirus bald ausgesetzt?

Der Markt erwartet von der EZB auf der nächsten Notenbanksitzung am kommenden Donnerstag eine weitere Zinssenkung um 0,1%. Eingepreist ist inzwischen eine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine solche Absenkung. Doch viel wird die EZB damit nicht erreichen. Erstens ist der Zinsschritt viel zu klein und zweitens geht er von einem ohnehin historisch niedrigen Niveau aus, das bereits in guten Zeiten kein zusätzliches Wachstum induzieren konnte. In den USA wird derweil die Ausbreitung des Virus als Entscheidungsgrundlage für Zinssenkungen herangezogen. Was bleibt den Notenbanken übrig, wenn die Zinssenkungen nicht wirken? Wie wäre es mit einer Aussetzung von Kredittilgungen?

Dass Zinssenkungen die Virusausbreitung nicht stoppen können, dürfte auch der US-Notenbank Fed klar sein. Dass die Ausbreitung zu Zinssenkungen führen soll, läge vor allem daran, dass die Wirtschaftsdaten deutlich seltener erhoben werden als die Zahl der Infizierten und die Fed zu spät reagieren würde, wenn sich der vom Coronavirus ausgelöste Wirtschaftsabschwung in den Daten zeigen würde.

Das mag richtig sein. Doch werden Zinssenkungen durch die Fed in den USA oder die EZB in Europa nicht das Problem der Unternehmen lösen. Ein Hotel in Las Vegas kann sich von 0,5 Prozentpunkten niedrigeren Zinsen keine gebuchten Zimmer kaufen und auch kein Personal mit der Zinsersparnis bezahlen. Eine Reederei in Europa wird auch nicht mehr Frachtschiffe verchartet bekommen, nur weil die Zinsen niedriger sind. Anders gesagt: Niedrige Zinsen lösen nicht das Problem fehlender Nachfrage aufgrund einer weltweiten Pandemie. Selbst wenn es die Zentralbanken schaffen sollten, mit niedrigen Zinsen die Nachfrage anzukurbeln, was zweifelhaft ist, bliebe das Problem unterbrochener Lieferketten. Es gäbe dann zwar Nachfrage, aber mangels Waren keine Möglichkeit, diese zu befriedigen.

EZB: Unternehmens- und Verbraucherpleiten können nur durch Aussetzung der Tilgungen verhindert werden

Vielleicht sollte die EZB einmal nach China blicken. Im Reich der Mitte steht man vor diesem Problem schon seit Wochen und hat inzwischen erkannt, dass Zinspolitik allein die Unternehmen nicht am Leben erhält. Für Arbeitnehmer in Ländern mit weniger strikten Arbeitnehmerschutzgesetzen wie in Deutschland wird das bereits heute zum Problem. Sie werden unbezahlt nach Hause geschickt oder sogar entlassen. Das führt nach wenigen Wochen zu Kreditausfällen für Banken, was sich mit zunehmender Dauer der Krise zu einer Finanzkrise auswachsen würde. Eine zuhause ohne Einkommen herumsitzende Arbeitnehmerschaft wird jedoch wieder zu einem Nachfrageproblem für die Unternehmen. Wer nichts verdient, konsumiert auch dann nicht, wenn die Zinsen sinken. Zudem überleben auch Unternehmen ohne oder mit stark reduzierten Umsätzen nur stark begrenzte Zeit. In China ist die Rede von wenigen Monaten. Eine Welle von Unternehmenspleiten würde schließlich zu einem Kollaps der Wirtschaft führen, weil selbst diejenigen, die noch Einkommen haben, dann aus Angst den Konsum einstellen. Ein solches Szenarion muß die EZB für Europa zwingend verhindern!

In den USA ist man noch nicht so weit, diese Fälle einzukalkulieren. Es ist offensichtlich, dass sich die Fed derzeit noch hauptsächlich um den Aktienmarkt sorgt. Denn in den USA, wo die Menschen einen nennenswerten Teil ihres Vermögens in Aktien investierten, signalisieren fallende Kurse eine Krise und führen zu sinkendem Konsum. Das Kalkül der Fed ist, die Aktienkurse zu stützen, auf dass die Menschen sich weniger im Krisenmodus fühlen.

Doch das wird nur solange funktionieren, wie die Arbeitnehmer nicht unbezahlt in den Urlaub geschickt werden. Für diesen Fall wird es vielleicht auch für die EZB notwendig sein, zu bisher unbekannten Maßnahmen zu greifen. In Australien werden bereits „Kredit-Ferien“ besprochen, also die zeitweise Aussetzung von Tilgungszahlungen für Kredite, ohne dass das automatisch einen Credit Default, also einen Zahlungsausfall bedeuten würde. Es würde jedoch nicht genügen, Banken vorzuschreiben, Kunden die folgenlose Tilgungseinstellung anzubieten. Die Banken selbst müssten dabei vom Staat ebenfalls unterstützt werden, da ansonsten die Banken in die Pleite schlittern würden. China hat diesen Weg bereits beschritten.

Sofern das Coronavirus eine kurzfristige, temporäre Beeinträchtigung der Wirtschaft darstellt, die sich im Frühling und Sommer bereits wieder als überwunden herausstellt, wäre solche Kredit-Ferien auch für die EZB das schnellste, günstigste und einfachste Mittel, um die Volkswirtschaften am Leben zu erhalten.

Helikoptergeld gibt es in Hongkong

In Hongkong wiederrum wurde Ben Bernankes Traum des Helikoptergeldes umgesetzt: Man gab den Einwohnern schlicht Geld in der Hoffnung, dass die es ausgeben würden. Doch wenn es keine Waren mehr zu kaufen gibt, weil aus China kein Nachschub kommt, wird das auch nicht helfen.

Die EZB muß wegen des Coronavirus zu bisher unbekannten Maßnahmen greifen



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8 Kommentare

  1. Bitte dann auch mein Gold staatlich hochkaufen, Lieber Herr Schuhmanns!
    Ferner wäre ich um Staatsaufträge für mein Internet-Unternehmen dankbar.
    Buchungen für meine Ferienwohnung kommen von der EZB?
    Ich hätte ferner noch ein altes I Phone 6, soll ich nach Frankfurt schicken an die EZB?
    Das Auto bräuchte dann auch noch neue Sommerreifen.
    Und der Sohn möchte so wahnsinnig gerne mal ins Steakhaus.
    So kriegen Sie und meine Familie die Wirtschaft schon wieder rund, oder?

    1. Jeder weiss ,dass die Zinssenkungen Nichts mehr bringen, ausser Umverteilung von Vermögen.
      In den USA kann die grössere Zinsdifferenz zu den BBB – Bomben die Anleger noch eine Weile in diese Anlagen zwingen. Bei den jetzt schon konkursiten Firmen ist es bei Rückgang der Wirtschaft nur noch eine Frage von Wochen bis es knallt. Noch schneller geht es wenn Firmen Unterbrüche haben u.kein Geld mehr reinkommt.Herr Beck hat es kürzlich auf der weltbekannten FMW – Plattform erklärt.
      Es gibt auch Firmen die bei Stillstand profitieren, z.B.Tesla, Da an jedem Auto Geld verlorengeht, ist ein Stillstand = weniger Verlust? ?

      1. Hier wird einmal mehr nach dem Gießkannenprinzip alle Möglichkeiten aufgezeigt, anstatt man das ganze in einem Satz zusammenfassen könnte:
        Das Schuldgeldsystem kann man noch immer mit absurderen Maßnahmen erweitern, aber demnächst ist einfach Ende Gelände.

  2. Wird Markus Kralls Prognose durch Corona sogar so überholt wie Thilo Sarrazin durch 2015?

  3. Dirk Schuhmanns hat es trefflich und leicht erklärt. Grundsätzlich könnte man dem Aussetzen von Kreditzahlungen Zuspruch leisten, um die wirtschaftlichen Folgen für die Dauer der Virus-Pandemie abzumildern. Es macht aber das Überschuldungsproblem und das Problem der ungerechten Vermögensumverteilung leider nur noch schlimmer. Die Prognosen von Markus Krall und Marc Friedrich werden durch das Corona-Virus schneller eintreffen als erwartet.

    1. Der Virus trifft aber leider nicht nur Zombie Firmen sondern auch gesunde Firmen weil der Umsatz wegbricht. Insbesondere Kleinunternehmer die nicht von der EZB Politik profitieren. Dann sind nach Corona viele Firmen pleite und Vollzeitarbeitsplätze sind verloren. Aber nicht weil diese Firmen sich vorher zu stark überschuldet haben oder an der Nachfrage vorbei produziert haben. Nur weil man gegen eine zinslose Überschuldungspolitik der EZB ist, sollte man nicht einen derartigen Kollateralschaden begrüßen. A la Hauptsache ich hatte Recht ;-)

  4. @ Hesterbär, sozusagen ein Corona- Turbo. Da der Wüstling auf eine 99,9% bullische notenbankverwöhnte, unabgesicherte Anlegertrppe traf, wird der Schock nur grösser.
    Und diejenigen,die es noch immer nicht begriffen haben u.meinen nach 700% Anstieg seien 10% tiefere Kurse schon wieder Einstiegskurse sollten einmal einen Langfristchart ansehen.

  5. Warum nur Zinsen und Tilgung aussetzen? Man sollte rigoros umverteilen!

    Der französische Ungleichheitsforscher Thomas Piketty fordert hohe Vermögensteuern bis 90 Prozent. Aus den Erlösen solle der Staat jedem 25-Jährigen 120.000 Euro als eine Art einmalige Erbschaft zahlen, sagte Piketty der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Piketty hatte mit seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ einen Bestseller gelandet.

    Wenn das Markus Dr. KRALL liest wird er wohl einen Herzinfarkt erleiden – ich persönlich bin daran soeben vorbeigeschrammt! Aber, nachdem das „Ding“ ein Bestseller ist, kann ich mir durchaus vorstellen wer vorzugsweise die Käufer sind. Ich fürchte auch, dass eben diese Käufer, die in dem Buch aufgezeigten Umverteilungsschlüssel, eine mächtige Lobby hinter sich haben und somit wohl oder übel der Weg in die Sowjetisierung von eben diesen als heilbringend angesehen wird.

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