Die EZB hatte zuletzt am 17. Oktober das dritte Mal seit Juni die Zinsen gesenkt. Der Einlagensatz sank von 4,0 % im Hoch auf jetzt 3,25 %. Seit Tagen läuft nun die Diskussion – medial und im Kreis der EZB – muss man die Zinsen weiterhin kräftig senken, oder nur moderat? Die Inflation in der Eurozone ist zuletzt auf 1,8 % gesunken, könnte aber vermutlich wieder leicht ansteigen. Aber am Wichtigsten ist: Die Konjunktur in der Eurozone läuft mau, vor allem wegen der Industrieschwäche in Deutschland. Also ist Raum für weitere Zinssenkungen vorhanden. Nur wie viel wäre angemessen?
EZB soll Zinsen fünf statt drei Mal senken
An dieser Stelle zeigen wir aktuelle Expertenaussagen, die stärker als bisher erwartet sinkende Zinsen erwarten lassen. Wegen dem schwachen Einkaufsmanagerindex für die Eurozone haben die Ökonomen der Commerzbank ihre Wachstumsprognose für das Winterhalbjahr gesenkt. Da außerdem die Inflation wegen der gesunkenen Energiepreise vorübergehend etwas niedriger ausfallen sollte, erwarten sie jetzt nicht mehr nur drei, sondern fünf weitere EZB-Zinssenkungen. Damit soll der Einlagensatz bis Mitte 2025 auf 2,0 % sinken.
Euroraum: Im Winterhalbjahr weniger Wirtschaftswachstum
Die Commerzbanker senken die prognostizierten Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone für das Winterhalbjahr. Für die Quartale danach erwartet man weiter eine moderate Belebung der Konjunktur mit Zuwachsraten leicht über dem Trendwachstum, weil der Schmerz der zurückliegenden EZB-Zinserhöhungen abebbt und der Anstieg der Energiepreise von 2022/23 mittlerweile zu zwei Drittel rückgängig gemacht ist. Wegen der schwächeren Ausgangsbasis sinkt die 2025er Wachstumsprognose für den Euroraum von 1,1% auf 0,9%. Für das unter schlechten Standortbedingungen leidende Deutschland rechnet die Bank für 2025 nur noch mit 0,2 % Wachstum (bisher: 0,5 %), womit man deutlich vorsichtiger bleibt als der Durchschnitt der Volkswirte.
Inflation: Problem noch nicht gelöst
Dr. Jörg Krämer von der Commerzbank schreibt, man halte grundsätzlich an seiner Prognose fest, dass das Inflationsproblem noch nicht durchgreifend gelöst ist. Dafür sprechen auch strukturelle Gründe wie die De-Globalisierung, De-Karbonisierung sowie die Demographie, die das gesamtwirtschaftliche Angebot langsamer wachsen lassen. Da der von geldpolitischen Tauben dominierte EZB-Rat darauf nicht mit einer ausreichenden Straffung der Geldpolitik reagieren dürfte, werde sich am Ende wohl eine Inflation oberhalb des EZB-Ziels von 2% einstellen.
EZB mit mehr Zinssenkungen
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte auf der Pressekonferenz vergangene Woche die gefallenen konjunkturellen Frühindikatoren als ein wichtiges Argument dafür genannt, dass die Zinsen nur fünf Wochen nach der Zinssenkung Mitte September erneut gesenkt wurden. Wenn wir nun für das Winterhalbjahr weniger Wirtschaftswachstum und eine etwas niedrigere Kerninflation erwarten, dürfte die EZB laut Dr. Jörg Krämer das erhöhte Zinssenkungstempo (Zinsschritte auf jeder Sitzung) anders als bisher unterstellt nach der Jahreswende zunächst beibehalten. Sie dürfte ihre Zinsen auch im Januar und April senken, auch wenn sie dann keine neuen Prognosen für die Konjunktur und die Inflation veröffentlicht. Damit prognostizieren die Commerzbank für Mitte 2025 einen EZB-Einlagensatz von 2,0% (bisher: 2,5%). Danach dürfte die EZB ihren Zinssenkungsprozess beenden, weil sich die Frühindikatoren erholen und der unterliegende Preisauftrieb wieder anzieht.
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