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Warum es mit der Teuerung nach unten geht Fällt die Inflation bald stärker als erwartet?

Inflation und die Geldmenge

„Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen“, was wurde über diesen bekannten Spruch des Ökonomen Milton Friedman aus den 1960-er Jahren nicht schon diskutiert? Weil er eben lange Zeit nicht funktioniert hat, trotz gestiegener Geldmenge die Inflation dennoch nicht angestiegen sind.

Aber es braucht eben noch andere Zutaten, um das Feuer einer Teuerung anzufachen – die Geldmenge ist eine Grundbedingung dafür, aber keine ausreichende. Auch während der großen Finanzkrise stieg durch allerlei Rettungsmaßnahmen und durch die Verbilligung des Geldes die Geldmenge – aber dieses Kapital führte eben nicht zu einer höheren Geldumlaufgeschwindigkeit, sondern landete vornehmlich in den Bilanzen der zu rettenden Banken.

Anders in der Corona-Krise: hier stieg in den USA die Geldmenge in noch nicht dagewesener Geschwindigkeit (plus 25 Prozent) aber der Unterschied zu den Jahren 2008 und folgende waren unter anderem die sogenannten Helikopterschecks, die den Bürgern zugute kamen und zu einer Kapitalreserve führten, wie selten zuvor. Die Sparrate der Amerikaner schoss auf 20 Prozent, das Kapital wuchs in Billionen-Dollar-Höhe, nur ausgeben konnte man das Geld nicht wie gewohnt.

Inflation: Corona, Quarantäne, Lieferengpässe, Ukrainekrieg, Energiepreisschock

So könnte man eine kleine Kausalkette zusammenfassen, die dazu geführt hat, warum die Inflation 2021 so in die Höhe geschossen war und auch noch so hartnäckig geblieben ist. Denn die weltweiten Quarantänemaßnahmen, besonders in China, führten zu Lieferengpässen, die einen Angebotsschock erzeugten, welcher auf ein stark monetär angefeuertes Nachfragedefizit stieß.

Zu allem Übel gesellte sich noch ein Krieg inmitten Europas hinzu, der weltweit zur Nahrungsmittel- und Düngerknappheit und allgemein zu Energiepreisexplosionen geführt hat. Ergo: Das von Fed-Chef Jerome Powell und Kollegen massiv unterschätzte Phänomen einer nicht kurzfristig „transitorischen“ Inflation machte weltweit die Runde.

Anschließend kam die große Zinswende mit dem schnellsten Zinsanstieg in der Geschichte der US-Notenbank, auch weit über den hier dargestellten Zeitraum hinaus.

Inflation und Anstieg der Zinsen

Inflation: Die Geldmengen sinken weltweit dramatisch

Das Ausbleiben der staatlichen Stimuli, die Verteuerung von Krediten und der Abbau der Kapitalreserven der Bürger zeigen Wirkung. Die Geldmengenaggregate fallen in historisch ungewöhnlicher Geschwindigkeit. Ob in den USA..

Tweet Bilello US M2 Money Supply

..oder in Europa:

Tweet Tschäpitz EU M2 Growth and Inflation

Auch wenn die Kern-Inflation in vielen Ländern noch hartnäckig bleibt –  wegen des dominanten Dienstleistungssektors, der immer noch von Nachholeffekten aus der Corona-Zeit profitiert. Aber auch dieser wird nachgeben, wenn das zur Verfügung stehende Kapital schrumpft und vor allen Dingen die US-Arbeitslosigkeit auch nur ein wenig zu steigen beginnt.

Ein Stützpfeiler für die hohe Inflation ist auch der Bereich Mieten und übergeordnet der US-Häusermarkt. Aber wie es der US-Hauspreisindex (Case Shiller US National Home Price Index) andeutet, gehen die Preise stark gen Süden, die hohen Kreditzinsen fordern langsam ihren Tribut:

Tweet Bilello Case Shiller Home Price Index

Der Zusatztext zu diesem Tweet von Charlie Bilello: „Vor drei Jahren lagen die 30-jährigen Immobilienkreditzinsen bei 3,15 Prozent, der durchschnittliche Hauspreis bei 369.000 Dollar. Heute liegt die Zinsrate bei 6,57 % und der Preis für das Haus beträgt 501.000 Dollar.
Die monatliche Zinsbelastung ist von 1268 auf 2551 Dollar gestiegen.“

Wann beginnen die Zwangsversteigerungen?

Stark sinkende Inflatio, auch in Europa

Gerade in den letzten Tagen und Stunden zeigen neue Inflationsdaten, dass die Teuerung auch in Europa abnimmt. Die Erzeuger- und Importpreise zeigen schon negative Jahresraten an (Pipeline Inflation) und die neuestem Verbraucherpreise monatliche Rückgänge (im Jahresvergleich) von bis zu 1,1 Prozent:

Spanien 3,2 Prozent (4,1 Vormonat), Frankreich 5,1 Prozent (VM 5,9), Italien 7,6 Prozent (VM 8,2)

und zuletzt Deutschland mit 6,1 Prozent (Vormonat 7,2).

Im Dienstleistungsbereich könnte es noch eine Zeit lang zäh bleiben, schließlich wird man es in der Urlaubszeit noch mal „so richtig krachen lassen“. Aber dann

Fazit

Es ist zwar großer Konsensus, dass die Inflation in den nächsten Jahren höher sein werden als viele Jahre zuvor, aber kurzfristig kurz- oder mittelfristig könnte sogar ein Effekt auftreten, den keiner auf den Schirm hat: einen deflationären Effekt. Denn Inflation wird im Jahresvergleich gemessen und hier wirkt ein gewaltiger Basiseffekt, der sogar noch etwas gefördert hat, was kein Geldpolitiker auf dem Schirm hatte: Greedflation, oder auf deutsch: profitgetriebene Inflation.

Die Unternehmen haben gesehen, dass der Verbraucher das Thema Inflation akzeptiert, da in den Medien ständig Hiobsbotschaften über die Versorgungslage verbreitet wurden. Man hat die Preise angehoben, aber diese dann mit sinkenden Kosten (Frachtraten, Rohstoffpreise, Energie) nicht abgesenkt. So wie der größte Lebensmittelkonzern der Welt, Nestlé, der im letzten Jahr um 8,6 Prozent wachsen konnte. In einem Wirtschaftsbereich, in dem ein harter Wettbewerb und niedrige Margen Usus sind.

Ein konkretes Beispiel: Wenn der Preis für den löslichen Nescafé Gold im Jahr 2022 von 10 auf 12 Euro (in Deutschlands Discountern) gestiegen ist, so hat das nicht unerhebliche Auswirkung auf die Nahrungsmittelpreise. Bei einem Produkt, von dem laut Herstellerangaben (Nestlé) weltweit 5500 Tassen pro Sekunde! getrunken werden. Begründung für den Preisanstieg waren Rohstoff- und andere Kosten.

Diese sind schon längst auf das Vor-Ukrainekonflikt-Niveau gesunken, die Preissetzungsmacht hat gewirkt, die Margen sind hoch geblieben. Jetzt tobt langsam ein Preiskrieg, die deutschen Dicounter wehren sich gegen die unveränderten Preise. Was aber ist, sollte der Preis um etwa 5 Prozent gesenkt werden? Dann stünde man immer noch fast 15 Prozent über dem Niveau von 2021, aber auf Jahressicht ergäbe sich ein deflationärer Effekt. Nur ein Beispiel, aber dergleichen wird Schule machen. Die Kaufkraft der deutschen Konsumenten sinkt. Dass die Löhnabschlüsse jetzt deutlich gestiegen sind, ist für mich ein Nachholeffekt, daraus entsteht keine neue Inflation.

Wie es dieser Tweet mit einer Grafik der Welt aufzeigt:

Tweet Dr. Zitelmann Reallohnentwicklung Inflation

Insgesamt bedeutet der Rückgang der Geldmenge im Kontext mit einer geringeren Liquidität der Banken, der Zinspolitik, dem Rückgang des Kreditvolumens, einem Absinken der Kaufkraft, aber auch bereits sinkenden Gewinnmargen bei den Unternehmen schlussendlich, dass der Druck auf die Inflation (nach unten) zunimmt.

In der nächsten Phase, ungeachtet der Dauerprobleme wie Demografie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung, die uns erhalten bleiben werden.

Wenn es also wieder stimmt, dass die Inflation „immer und überall ein monetäres Phänomen“ ist und in der Verantwortung der Zentralbanken liegt, dürften diese „bald fertig haben“ mit ihren Zinsanhebungen, allen prophylaktisch geprägten Formulierungen zum Trotze.

Das Wording der Notenbanker ist auch verständlich, will man doch, dass sich die Inflationserwartungen nicht in den Köpfen der Menschen festsetzen..



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9 Kommentare

  1. Am Beispiel Inflation ist ersichtlich wie komplex und unvorhersehbar die Zusammenhänge sind, sodass ich mich von der Kassandra-Fraktion der „Experten“ bestimmt nicht aus der Ruhe bringen lasse.

    1. Sehe ich genauso – wäre doch mal was für die Analyse per KI

  2. Herr Müller, sie machen sehr gute Analysen, aber die Lohn / Preis Spirale können auch sie nicht ausser Betrieb setzen. Viele Preise wirken erst mit grosser Verzögerung auf die Konsumenten. Sogar Dr. Columbo hat einmal geschrieben, Inflation gebe es nur bei Lohnerhöhungen, was natürlich falsch war wie wir gerade erlebten. Der Vergleich mit Nestle taugt Nichts, über 80% der Arbeitsplätze wird von kleinen und mittleren Unternehmen gestellt und diese werden wohl die höheren Kosten weitergeben müssen, zudem machen die Lohnkosten in gewissen Branchen den Grossteil der Kosten.Sie waren schon bei den Zinserhöhungen optimistisch, ich bin eher für die Realität.

    1. @Realito

      „…Inflation gibt es nur bei Lohnerhöhungen…“

      Hatte ich nie geschrieben!
      Ich hatte geschrieben: Inflation ist der größte Feind der Inflation.

  3. Besonders die Experten, die, im Zusammenhang mit der Inflation, schon den baldigen Untergang der „Papierwährungen“ verkünden. Je nach persönlicher Ausrichtung dann den €, $, £ oder ¥ oder alle zusammen. Ohne Alternativen dazu zu nennen, bzw. nur auf die bekannten Scheinriesen Gold oder Krypto hin zu weisen, die nicht einmal im Ansatz die Funktion der derzeitigen Währungen übernehmen könnten.

  4. @ Columbo, haben sie geschrieben, ich wette darauf, können sie bei FMW nachfragen. Wenn andere so vergesslich wären, würden sie sicher eine Krankheit ferndiagnostizieren.

    1. @Realito, Sie verwechseln mich mit Heiner Flassbeck…zu viel der Ehre🤣

  5. @ Columbo, ich bin mir ganz sicher, FMW könnte es nachschauen, ich verwechsle sie also eher mit Olaf dem Vergesslichen, also wenig Ehre.

    1. @Realito, Sie räumen also eine mögliche Verwechslung ein.
      Vernünftige Einsicht.

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