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Fed: Das Dilemma der US-Notenbank – die Dosis macht das Gift

Natürlich sieht die amerikanische Notenbank Fed all die Exzesse, die sich durch die lockere Geldpolitik aufgebaut haben. Und natürlich ist sich Fed-Chef Jerome Powell der Psychologie der Märkte bewusst, die das Gras wachsen hören. Die in atemberaubender Geschwindigkeit Veränderung in den Rahmenbedingungen einpreisen, viel schneller, als die Wirtschaft überhaupt reagieren kann. Jetzt fängt die US-Wirtschaft an zu brummen und man müsste eigentlich geldpolitisch den Fuß vom Gas nehmen – wenn da nicht die Pandemie wäre, das neue Wirtschaftsprogramm der USA, die großen Schuldentürme, der US-Dollar, und vieles mehr.

Fed: Gebranntes Kind scheut das Feuer – oder die Erfahrungen des Taper Tantrums

Jerome Powell gehört nun schon neun Jahren dem Präsidium der Fed an, in das er bereits von US-Präsident Obama berufen wurde. Er wurde also Zeuge des Taper Tantrum (Wutanfall) der Märkte, als der damalige Vorsitzende Ben Bernanke im Juni 2013 ankündigte das Anleihekaufprogramm der FED auslaufen lassen zu wollen. Es war ein Beispiel dafür, wie schnell und unreflektiert die Märkte auf Reduzierung der Liqiudität reagieren, wenn die Notenbank es wagt einmal antizyklisch zu agieren (ahead of the curve).

Bernanke hatte dies für die Zeit bis 2014 in den Raum gestellt und mit der Auflage versehen, „wenn es ein weiterer Rückgang der Arbeitslosenzahlen“ ermöglicht. Das Erbe von Maestro Alan Greenspan, die lockere Geldpolitik. An der eigenen Person konnte Fed-Chef Powell erkennen, wie die Märkte reagieren, wenn selbst bei kräftigem Wirtschaftswachstum die Leitzinsen angehoben werden. Die Vorgänge im Jahr 2018 mit vier Zinsanhebungen und der moderaten Reduzierung der Bilanz der Fed dürften noch in guter Erinnerung sein. Der Einbruch des fast 40 Billionen Dollar schweren US-Aktienmarktes um 19,5 Prozent (fast in den Bärenmarkt) führte zur 180-Grad-Zinswende inmitten der Weihnachtszeit

Die Unabhängigkeit der US-Notenbank..

Von wegen. Wurde der jetzige Notenbankchef der USA nicht von seinem eigenen Präsidenten (Trump) ständig darauf hingewiesen, die Zinsen zu senken, wo sich Deutschland sogar zu Minuszinsen verschulden könne? Dabei sogar öffentlich als Dummkopf gescholten, gleichzeitig prüfte Trump nach Möglichkeiten der Ablösung von Powell an der Spitze der Fed? Hat die Corona-Krise nicht zu einer weltweit einmaligen Orgie an monetären und fiskalischen Rettungspaketen geführt, denen man sich nicht entziehen konnte? Die US-Staatsschulden sind von 22 auf 28 Billionen Dollar explodiert und jetzt versucht eine neue US-Regierung einen gesellschaftlichen und strukturellen Umbau des Landes (American Rescue Plan – Climate and Infrastructure Package) – natürlich schuldenfinanziert. Will man hier gleich in den ersten 100 Regierungstagen die Finanzierungskosten hochtreiben?

Kann die US-Notenbank Fed entgegen der Europäischen Zentralbank eine hawkishe Haltung einnehmen, wenn die dortige Notenbank jeglichen Zinsanstieg verhindern will? Mit entsprechenden Einfluss auf den US-Dollar, den Außenwert einer Währung im Hinblick auf den Export? Dazu noch das Damoklesschwert einer neuen Schuldenkrise durch die Emerging Markets, die in der US-Währung verschuldet sind. Muss Powell durch die Dominanz des Greenback nicht auch auf die Weltwirtschaft achten?

Und zu guter Letzt betont Jerome Powell nicht immer den gesetzlichen Auftrag der Fed: Maximum Employment and Price Stability? Kann er angesichts einer noch nicht überstandenen Pandemie (dritte Welle in Europa) die dovishe Haltung in Antizipation einer Erholung aufgeben? Der Arbeitsmarkt ist ein nachlaufender Indikator, die Börsen das extreme Gegenteil davon. Wird ihm hier das Taper Tantrum von Ben Bernanke keine dauerhafte Lehre sein?

Die aktuelle Herausforderung: Inflation und Zinsanstieg

Der weltweit zu beobachtende Anstieg der Teuerungsraten, über die Rohstoffpreise, Transportkosten, Produktions- und Energiekosten etc. bringt die Federal Reserve in ein großes Dilemma. Die Kapitalmarktzinsen steigen, schneller als erwartet, weil die Kapitalmärkte erkannt haben, dass die „chinesischen“ US-Wachstumsaussichten und die Ein-Prozent-Zinsen nicht zueinanderpassen. Auch nicht eine Inflationsrate von 1,5 Prozent. Warum reagiert die Federal Reserve nicht in ihrer Kommunikation und bei ihren Dot Plots?

Zunächst einmal zu der Behauptung, die Fed wüsste nicht Bescheid über den Zustand der US-Wirtschaft. Die Federal Reserve besitzt 12 Regionalbanken mit weiteren Zweigstellen, die die Zentrale beraten. Hunderte Ökonomen arbeiten der Zentralbank zu, in Washington müssen mehr Detailkenntnisse und Daten über das Geldwesen in den USA vorliegen, als es bei irgend einer Analyseabteilung einer Geschäftsbank möglich ist.

Aber auch die ganzen Informationsquellen können nur die Gegenwart beurteilen, nicht die Zukunft und damit nicht das Verhalten der Menschen, welches sich in Tagen ändern kann. Deshalb funktionieren auch die vielen Modelle mit den Prognosen über Wachstum und eben auch der Inflation nicht. Die Konsumenten bestimmen den Lauf der Wirtschaft, sie sind Handelnde und Beobachter und interagieren, manchmal chaotisch, die Wirtschaftswissenschaft nennt das Prinizip „Reflexivität“, weil es keine normierten und kausalen Abläufe wie in der Naturwissenschaft gibt.

Also sollte die Inflation aufgrund besonderer Umstände wirklich nur vorübergehend sein? Die Notenbanken können eigentlich nicht aktiv, sondern nur reaktiv handeln.

Außerdem: Eine Notenbank kann den Märkten nicht die ungeschminkte Wahrheit einschenken – aus psychologischen und markttechnischen Gründen.

Wenn sie von einer möglichen Rezession spräche, käme es umgehend zu einem Einbruch an den Aktienmärkten sowie in der Wirtschaft, weil sich Investoren und Unternehmen stante pede darauf einstellten. Ebenso bei der Andeutung ein Arbeitsmarkt könnte überhitzen. Die Unternehmen würden sich bei Einstellungen sofort zurückhalten, weil die Ökonomen wissen was das bedeutet: Zinsanhebungen und Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen – und woran spart ein Unternehmen in einer Krise? Damit hilft nur das Lesen zwischen den Zeilen. Ich will jetzt nicht wieder Alan Greenspan zitieren: Wenn sie glauben mich verstanden zu haben, dann….!

Warum sind die Schulden in den USA so gestiegen?

Seit 1981 fielen die US-Zinsen, in Schüben. Von fast 15 Prozent auf nahe 0 Prozent im Jahr 2020. Damit konnten sich Staat und Unternehmen ständig höher verschulden, ohne dass damit die Zinslast gestiegen wäre. Die Verschuldung stieg, nicht weil man es unbedingt so geplant hatte, sondern weil es die Notenbankpolitik möglich gemacht hat.

Aber nicht nur in den USA. Musste inmitten der Neunzigerjahre Italien nicht 15 Prozent seines Staatshaushalts zur Schuldentilgung verwenden? Deutlich mehr als aktuell, obwohl die Staatsschulden weiter gestiegen sind, auf über 2,6 Billionen Euro – aber wie hoch ist derzeit der Zinssatz für die Langläufer? 0,661 Prozent für einen 10-Jahres-Bond.

Fazit

Die US-Notenbank Fed ist Gefangene in einem System von Abhängigkeiten, die eigentlich bereits unter Alan Greenspan nach dem Wall Street-Crash von 1987 so richtig Fahrt aufgenommen haben. Man flutet in Krisenzeiten die Märkte mit Geld und übernimmt Aufgaben der Politik, die eigentlich schmerzhafte Reformen und Regulationen, auch der Finanzmärkte, hätte durchführen müssen. Ganz besonders deutlich war dies in Europa unter EZB-Chef Mario Draghi, der den Unwillen der Politiker zu schmerzlichen Einschnitten mit Reduzierung der Zinstilgungskosten ausglich.

Dann kam Covid-19 und die Notenbanken wendeten weltweit die Medizin an, die schon seit Jahren von den großen Notenbanken verabreicht wurde – billiges Geld, in Überdosis. Wie bereits öfters angemerkt: Die Konjunkturprogramme der US-Regierung haben 2020/21 einen Umfang von 5,1 Billionen Dollar, die Rezession in den USA (-3,3 Prozent von 20,5 Bio.) betrug nur einen Bruchteil davon. Wie also den Märkten weitere Liquiditätsspritzen entziehen, ohne einen Einbruch an den Kapitalmärkten zu verursachen, die einen überdimensionalen Einfluss auf Konsumenten und Wirtschaft haben?

Powell versucht es anscheinend, indem er versucht Luft aus der Blase entweichen zu lassen, die Gefahr des Platzens damit zu minimieren, indem er SLR auslaufen lässt und eine Renditeanstieg der Zinsmärkte toleriert, weil er weiß, dass sich dann das inflationstreibende Superwachstum der USA sowieso abschwächen muss. Aber wie groß ist die Toleranz bei den Kapitalmarktzinsen? Wird es nicht schon bei zwei Prozent für die so bedeutsame 10-jährige US-Treasury, als Benchmark für viele Konsumentenkredite brenzlig? Hannes Zipfel hat die Größenordnungen der Relation Zinssätze zu der Gesamtverschuldung in seinem Artikel am Freitag klar herausgestellt.

Powell betreibt derzeit ein riskantes Spiel, denn die Märkte hängen am Tropf niedriger Zinsen, an ständig weiteren Geldspritzen, die das Niveau alter auslaufender und neuer Staatspapiere niedrig halten. Die Fed kann nicht so einfach die Dosis reduzieren, denn dann geht es dem Patienten vielleicht plötzlich schlecht.

Wahrscheinlich kommt in Kürze ein bekannter Spruch des bayerischen Urkomikers Karl Valentin für Jerome Powell in punkto Abbau der Stimuli zum Tragen: „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut!“

Fed Dilemma Notenbank



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1 Kommentar

  1. Bei der dummheit der Menschen die nicht mal Begreifen konnten das Schenkkreise mathematisch nicht aufgehen, insofern ist es nun nicht wirklich erstaunlich das die Märkte glauben wir werden jemals wieder Zinsen sehen…

    In Tatsächlicher Hinsicht ist es wie der Schenkkreis eine mathematische unmöglichkeit

    Der Josefspfennig erklärt es ja banalisiert gut, genauso wie die Ausgaben des einen das Einkommen des anderen sind ist der Schuldzins des einen der Guthabens Zins des anderen.

    Es ist zwingend das der Zins & Zinseszins immer wieder zu gleichen Resultat führt….

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