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Fed: Nach der Powell-Rede ist vor dem Fed-Meeting

Die Fed und die Aktienmärkte

Die Powell-Rede bei der virtuell veranstalteten Konferenz der US-Notenbank Fed in Jackson Hole wurde nicht zu einem geldpolitischen Gamechanger, sondern zu einem Ereignis, welches das Patt an den Märkten festigte: Zwischen belastenden- und entlastenden Faktoren, was schlussendlich dazu führt, dass das Kapital in den Aktienmärkten bleibt und ständig Neues nachfließt. Jetzt kommt auch noch ein neuer Monatsanfang, mit Millionen Dollar (Euro) in Aktiensparplänen, die erneut Kapital an die Märkte spülen. Aber was passiert dann, wenn sich bei den kommenden Arbeitsmarktdaten der Wirtschaftsaufschwung festigen sollte?

Fed und Aktienmärkte: Die rationale Rallye in einem irrationalen Umfeld

Was die Geldpolitik der Fed und anderer Notenbanken mit ihrer Politik der Erosion der Kapitalmarktzinsen verursacht hat, sieht man einmal mehr an der Übersicht von Charlie Bilello. Das 52. Allzeithoch im S&P 500 in diesem Jahr, das 328. in dem aktuellen Börsenzyklus und damit wurde ein (zurückgerechneter) Jahrhundertrekord aufgestellt, denn so lange existiert der aktuelle Weltleitindex noch gar nicht:

Allzeithochs beim S&P 500 - die Fed macht es möglich

„Jerome Powell und die Junkies“, hatte Markus Fugmann sein Morgenvideo am Freitag getitelt, aber sind die Vermögensverwalter, die in den weltweiten Staats- und Pensionsfonds 30 Billionen Dollar verwalten, wie Abhängige zu bezeichnen? Wohl eher wie etwas genötigte und abwägende Rechner, die nach Rendite suchend im Markt bleiben müssen, weil sie sonst mit Depotverlusten zu rechnen haben. So wie der norwegische Staatsfonds mit seinem Aktienanteil von über 72 Prozent und den 24 Prozent an Anleihen.

Es sind diese Parameter, die die Lage für große und kleine Kapitalanleger an der Wall Street bestimmen – und das sind nun einmal über 50 Billionen von den weltweiten 118 Billionen Dollar an Marktkapitalisierung:

US-Inflationsdaten: Verbraucherpreise CPI + 5,37 Prozent, Produzentenpreise PPI + 7,3 Prozent und Persönliche Ausgaben der Verbraucher PCE + 4,2 Prozent, Kernrate + 3,6 Prozent
Rendite für die 10-jährige US-Staatsanleihe: +1,31 Prozent (5yr – 0,80 Prozent, 2yr – 0,21 Prozent, 30 yr – 1,92 Prozent)

Dazu gibt es auch international (Europa) gewaltig negative Realrenditen und nach wie vor fließen große Summen an Notenbankgeldern an die Kapitalmärkte, ob von Seiten der Fed, der EZB, der Bank of Japan oder weiteren Zentralbanken.

Dies führt zu diesem unglaublichen Chart beim S&P 500, korrekturfrei und in exzessiver Dynamik. Die Darstellung im Tweet von @mikepsilva (Figuring out money) ist eine schöne Illustration:

S&P 500

Die Rotation von der Rotation

Letzte Woche schien sich eine Korrektur an den Märkten anzudeuten. Während die großen Titel bei der Diskussion um ein Tapering kaum Reaktionen zeigten, gerieten die Nebenwerte des Russel 2000 unter Wasser. Aufwärtstrends kamen in Gefahr, wie der 200-Tage-Durchschnitt – aber dann kam sie wieder, die Rotation von der Rotation, wie dieser Chart von Bespoke anzeigt. Der große Trend hat noch einmal gehalten.

Der Russell 2000

Die Warnzeichen

Wie vor Kurzem in einem Artikel „Aktienmärkte: Wertpapierkredite und Aktienindizes – korreliert, mit einem kleinen Time Lag“ dargestellt, hat ein Rückgang bei den Margin Debts eingesetzt, der sich bei Fortsetzung des Trends als ein echter Gamechanger erwiesen hat. Allerdings nicht als passgenauer Timing-Indikator, jedoch stellt die Höhe seiner Inanspruchnahme ein echtes Marktrisiko dar.

Sehr ausgeprägt ist mittlerweile die Differenz zwischen den Wachstumsprognosen für die US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen und der große Fall des Citigroup Economic Surprise Index. Werden die Wirtschaftsdaten in Zukunft diesem Index folgen?

Fed hinter der Kurve? Citi Economic Suprise Index

Lange Zeit konnte man über die nächste Divergenz staunen. Die Indizes kletterten ohne wesentliche Korrekturen, der Optimismus bestimmter Anlegergruppen schwebte in großen Höhen und was machte das Stimmungsbarometer Fear&Greed? – es fiel bis in die Panikzone um 22 Punkten. Aktuell befindet man sich wieder im neutralen Bereich (50), was gleichzeitig bedeutet, dass viele Putoptionen bereits eingedeckt worden sind und als Auffangnetz künftig fehlen. Bereits seit Juli ist zudem eine fehlende Marktbreite zu erkennen, feststellbar an der Advance/Decline-Line, was bedeutet, dass immer weniger Titel an der Hausse beteiligt sind.

Inflation – transitory or not?

Diese Frage wird wohl genauso oft gestellt, wie die nach dem Beginn des Tapering der Fed. Aber diese ist noch weniger seriös zu beantworten, vor allem wenn sie sich in solch spike-artiger Weise vollzieht.

Denn eines hat doch die Vergangenheit gezeigt. Preischarts wie bei den Frachtraten, dem Baltic Dry Index, oder einigen Rohstoffen (Lumber), die eine Exponentialfunktion annehmen, haben kein langes Leben – der Einbruch ist zwangsläufig. Extrema befördern Extrema.

Baltic Dry Index

Die Frachtkosten für einen Schiffscontainer von Shanghai in die USA haben sich zum Beispiel seit Mai 2020 verzehnfacht. Dieser Anstieg kann keine paar Monate so weiter gehen auf 20/30 oder 40.000 Dollar. Dies wird Auswirkungen zeitigen, in der Nachfrage, in der Substitution, viele Güter könnten aus anderen Regionen geordert werden, der Transport über die Eisenbahn oder im Flugverkehr würde auch konkurrenzfähiger, natürlich nicht bei Schüttgut.

Langfristig wird sich die Preislage sowieso dramatisch verändern, ablesbar an der Bestellung von neuen Containerschiffen, die im ersten Halbjahr 2021 gigantische Ausmaße angenommen hat.

Container Neubestellungen

Eine langsamer steigende Inflation wäre gefährlicher, als eine steile, weil diese sofortige Auswirkung auf die Konjunktur hat, wie dies ein Chart von Gavekal darlegt. Eine Preiskonstellation von Lumber zu Öl führt zur Abschwächung der Wirtschaft und damit wohl auch bald zum Inflationsrückgang.

Lumber und Öl

Zu guter Letzt. Steile Inflationsanstiege über fünf Prozent waren historisch immer transitory – beruhigend für die Fed..

Inflation - Problem für die Fed?

Deshalb bin ich seit Längerem der Überzeugung, dass, wenn wir jetzt keinen neuen Superzyklus in der Wirtschaft sehen sollten, sich die großen Inflationsanstiege wieder abbauen werden. Auch wenn sich einige Effekte aus der Corona-Zeit noch länger halten sollten.

Zudem kommt: Mit den jetzigen extremen Preisausschlägen ergeben sich in einem Jahr wiederum extreme Basiseffekte, nur andersherum als gegenüber 2020.

Ergo: Hat sich die Börsensituation gegenüber der letzten Woche verändert? Wie hatte ich bei meinem letzten Wochenausblick geschrieben?

„Aber das ist eben auch das Spezielle an der Börse, das Bekannte löst keine Reaktionen aus, so geht die Suche weiter, danach, was das Patt an der Börse auflösen könnte. Eigentlich wie immer, wenn Abertausende mit einem Blick auf Charts und Kursnachrichten das Relevante herauszufiltern versuchen. In dieser Woche kommt das schon seit vielen Wochen medial aufbereitete und virtuell durchgeführte Notenbanktreffen in Jackson Hole. Was aber auch dafür spräche, dass börsenrelevante Überraschungen ausbleiben.“

Eben.

Fazit

Die US-Notenbank Fed versucht sich weiter an der Quadratur des Kreises, nämlich die Erfüllung ihres erweiterten Gesetzesauftrags: Für „Maximum Employment and Price Stability“ zu sorgen, mit den zusätzlichen Zielen – Stabiler Aktienmarkt und Unterstützung der US-Wirtschaft, insbesondere des US-Konsums. Gerade bei Letzterem fängt es zu wackeln an. Das US-Verbrauchervertrauen der Uni Michigan ist im letzten Monat geradezu abgestürzt, der Economic Surprise Index der Citigroup zeigt eine gewaltige Divergenz zu den offiziellen Wachstumsaussichten der Institute. Die Berg- und Talfahrt von bestimmten Indizes, Indikatoren und weiteren Wirtschaftsparametern könnte sich fortsetzen.

Bisher hatte die permanente Geldflut der Notenbanken stets einen Schutzschirm unter die Märkte gespannt. Wird dieser angesichts neu aufkommender Sorgen wirklich schon in den nächsten Monaten weggezogen werden? Die Fed will sich an Daten orientieren, in dieser Woche kommt der große Arbeitsmarktbericht. Dieser könnte, je nach seiner Ausgabe, wieder Schwung in die Märkte bringen. Aber hatte der Herr über die US-Daten, Jerome Powell, mit seinen 12 Regionalbanken und den vielen Statistikämtern wirklich noch keine Ahnung über die aktuelle Entwicklung der Arbeitsmärkte? Bei seiner Rede am 26. August?

Nichtsdestotrotz ist ein Korrektur überfällig, die korrekturlose Zeit ohne Rückgang des Hauptindex von mindestens fünf Prozent ist auf dem Weg in den elften Monat.



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