Die Anleger in US-Staatsanleihen beginnen darauf zu setzen, dass die US-Notenbank bald von der Sorge über die hartnäckige Inflation zur Sorge über ein sich verlangsamendes Wirtschaftswachstum übergehen muss. Dies bedeutet, dass die Fed die Zinsen bald wieder senken wird, obwohl die Inflation immer noch deutlich über dem 2%-Zielwert liegt. Diese Stimmung trug dazu bei, dass Anleihen den sechsten Monat in Folge zulegten und die Renditen auf den niedrigsten Stand des Jahres drückten. Inzwischen sagen die Strategen von Morgan Stanley, dass die 10-jährige Anleiherendite wieder unter 4% fallen könnte (aktuell bei 4,28%), wenn sich die vorherrschende Meinung über die Fed etwas ändert.
Wetten auf sinkende Zinsen
In dieser Woche rechneten die Händler laut dem FedWatch-Tool erneut mit zwei Zinssenkungen der Fed um jeweils einen Viertelpunkt in diesem Jahr und mehrheitlich mit einer dritten Zinssenkung im nächsten Jahr auf ein Niveau von etwa 3,65%. Sollte der Markt eine Senkung der Zinsen auf 3,25 Prozent einpreisen, könnte die 10-jährige Anleiherenidite laut Morgan Stanley die 4-Prozent-Marke unterschreiten. Wie Bloomberg berichet, erwartet die Bank, dass die am Freitag veröffentlichten Inflationsdaten – die Preisindizes für die persönlichen Konsumausgaben (PCE) im Januar – eine Verlangsamung des Preiswachstums zeigen werden, was entscheidend sein könnte.

Wenn die Rhetorik der Zentralbank „infolge besserer PCE-Kerninflationsdaten dovish wird, werden die Anleger unserer Meinung nach mehr Duration kaufen, so dass die vom Markt erwarteten Tiefstsätze weiter sinken können“, so die Strategen von Morgan Stanley unter der Leitung von Matthew Hornbach in einer Mitteilung.
Alle drei Auktionen von festverzinslichen Staatsanleihen in dieser Woche zogen eine starke Nachfrage an und schlossen mit dem Verkauf von siebenjährigen Anleihen am Mittwoch. Bei der Auktion im Wert von 44 Mrd. $ wurde eine Rendite von 4,194 % erzielt, die damit unter der Rendite von 4,203 % lag, die im Vorhandel kurz vor Ablauf der Gebotsfrist erzielt worden war – ein Zeichen dafür, dass die Nachfrage die Erwartungen der Händler übertraf. Die Versteigerungen von zwei- und fünfjährigen Anleihen zu Beginn dieser Woche erbrachten ähnliche Ergebnisse.
Was Bloombergs Strategen sagen:
„Ein Rutsch der 10-jährigen Rendite unter 4,25 %, der nächsten logischen und psychologischen Renditestütze, scheint unwahrscheinlich, solange keine zusätzlichen fundamentalen Daten, wie die PCE-Daten vom Freitag, vorliegen. Dennoch besteht das Risiko, dass ein Durchbruch von 4,25 % bei den Anlegern die Angst auslöst, die Anleihe-Rallye zu verpassen. – Alyce Andres, Makro-Strategin
US-Wirtschaft: Die Fed ist alarmiert
Die Rendite 10-jähriger Anleihen stieg am Mittwoch bis auf 4,25 %. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres lag sie mehrere Monate lang unter 4 %, nachdem die Fed im Juli aufgrund sehr schwacher Arbeitsmarktdaten eine Zinssenkung um einen Prozentpunkt bis zum Jahresende in Aussicht gestellt hatte.
Dann kam der Disinflationsprozess zum Stillstand, und die Fed legte im Januar eine Pause ein, weil sie glaubte, dass eine weitere Senkung der Zinsen die Lage verschlimmern könnte. Nun sehen die Anleger nicht nur in den Indikatoren für das Wirtschaftswachstum, sondern auch in der US-Finanz- und Einwanderungspolitik Argumente für niedrigere Kapitalmarktzinen. Dazu gehören die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle gegen wichtige Handelspartner, eine Strategie, die der Wirtschaft in seiner ersten Amtszeit geschadet hat und die Entscheidungsträger der Fed alarmiert.
„Selbst drastische Änderungen in der Einwanderungspolitik könnten das kurzfristige BIP-Wachstum im nächsten Jahr unter das Potenzial drücken“, schreibt Hornbach. “Die erhöhte Aufmerksamkeit der Investoren für Einwanderungstrends sollte die immer noch hohen Erwartungen für den neutralen Zinssatz senken.“
Am Mittwoch gab Trump eine Reihe scheinbar widersprüchlicher Antworten zu seinen Plänen, Zölle gegen Kanada und Mexiko sowie gegen die Europäische Union zu verhängen. Ein Bloomberg-Indikator für den Dollar stieg infolgedessen leicht an.
Die US-Wirtschaft befindet sich in einem soliden Aufschwung“, aber die zunehmende Unsicherheit in der Handels-, Finanz- und Regulierungspolitik wirft einen Schatten auf die Aussichten“, sagte Gregory Daco, Chefökonom bei EY. Dies “könnte zu Volatilität auf den Finanzmärkten und zu einer zunehmend abwartenden Haltung von Unternehmen und Verbrauchern führen“.
Laut einer neuen Umfrage der Federal Reserve Bank of Philadelphia befürchtet fast ein Drittel der US-Arbeitnehmer, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Konjunkturdaten zeigen erste Risse
Der drastische Rückgang des Verbrauchervertrauens am Dienstag war nur das jüngste Anzeichen dafür, dass die US-Wirtschaft ins Stocken gerät. Der Citigroup Economic Surprise Index für wirtschaftliche Überraschungen in den USA fiel auf den niedrigsten Stand seit September, was darauf hindeutet, dass die Daten hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Die Ausgabenkürzungen, die Präsident Trump seit seinem Amtsantritt im vergangenen Monat durch die Entlassung von Regierungsangestellten anstrebt, könnten laut Morgan Stanley ebenfalls zu einem Rückgang der Zinserwartungen führen.
Gleichzeitig streben die Regierung und ihre Verbündeten im Kongress tiefgreifende Steuersenkungen an, die das US-Haushaltsdefizit erhöhen und zusätzliche Kredite erforderlich machen könnten. Ein Haushaltsentwurf, der in der vergangenen Nacht von den Republikanern im Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, sieht zum Ausgleich drastische Ausgabenkürzungen vor.
„Anleihen reagieren auf die Möglichkeit eines geringeren Angebots“, sagte Jim Bianco, Präsident und Makrostratege bei Bianco Research, gegenüber Bloomberg Television. “Ob das passiert, werden wir später in diesem Jahr sehen. Und ob es stimulierend oder inflationär ist, wird sich später in diesem Jahr zeigen.“
Was die Inflation betrifft, so liegt die Wachstumsrate des PCE-Preisindex ohne Lebensmittel und Energie seit drei Monaten in Folge bei rund 2,8 Prozent. Die Ökonomen von Morgan Stanley, die eine Senkung der Zinsen der Fed im Juni vorhersagen, erwarten, dass sie im Januar auf 2,58 % fallen wird.
FMW/Bloomberg
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