Interessantes aus der Presse

Finanzplatz Frankfurt 2020 – Requiem auf einen Bankenstandort

Am 12.September erschien das neue Buch von Dr. Ulrich Horstmann „Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft! Warum sich Ludwig Erhard im Grabe umdrehen würde“. Wir veröffentlichen hieraus – mit freundlicher Genehmigung des FinanzBuch Verlags den Prolog „Finanzplatz Frankfurt 2020 – Requiem auf einen Bankenstandort“:

In den Fluren der führenden deutschen Bankenstadt gehen nach und nach
die Lichter aus. Der ehemals gute Ruf der Bankmanager, obwohl schon in der
Zwischenzeit immer weiter gesunken, hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Kaum zu glauben, dass sie vor Jahrzehnten noch respekteinflößend als Bankiers
bezeichnet wurden. Nach der langjährigen Aufarbeitung manipulierter
Zinssätze (Libor und Euribor) und Preise wurden erneut Kartellabsprachen
zwischen den Banken aufgedeckt. Das war dann zu viel, wenngleich lange
auch in der mit der Finanzkrise durch die Bankenzusammenbrüche und
staatlichen Rettungsmaßnahmen umstrittenen Branche der schöne Spruch
galt: »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert.«

Wer noch »drin« war, d. h. seiner immer noch gut bezahlten Beschäftigung
nachgehen durfte, machte wie gewohnt weiter und ließ keine Skrupel erkennen.
Die »Hütchenspiele« gingen weiter, im Zweifel wurden die Geschäfte
eben von unregulierten Instituten im Ausland geführt. Professionell tätige
Wertpapierberater – weitgehend Fehlanzeige. Lediglich eine Handvoll an Tradingexperten
macht noch weiter. Sie setzen Impulse für Handelsaktivitäten
und sind nach wie vor am hektischen Marktgeschehen nennenswert beteiligt.
Weitere unterstützen noch den Vertrieb. Gefragt sind auch die Entwickler von
komplexen Produkten, die kaum jemand versteht, aber die Erträge der Banken
steigern. Das Kleingedruckte mit den Risikohinweisen wird von den Kunden
zwar unterschrieben, aber meist nicht verstanden. Zu groß ist weiterhin
die Scham, bei zu vielen vermeintlich dummen Fragen an den Verkäufer als
inkompetent stigmatisiert zu werden. Schließlich sind schon viele Vertriebler
nicht mehr dabei und auf den noch verbliebenen Kollegen lastet ein immenser
Verkaufsdruck.

Desillusionierte arbeitslose Ex-Banker verbreiten eine schlechte Stimmung.
Die früheren Diener des Kapitals, die ständig für ihre Kunden verfügbar
waren und durch die Welt jetteten, fühlen sich als neue Ausgegrenzte. Sie
werden nicht mehr gebraucht, nachdem sie überaktiv irgendwelche kruden
Storys erfanden und schlechte Finanzprodukte verkauften. Seelisch entleert,
versuchen sie ganz neue Dinge anzufangen, haben dafür aber nicht mehr
die Kraft oder erweisen sich als schlicht ungeeignet.1 Teilweise sind sie sogar
von Hartz IV abhängig, da sie ihren lieb gewonnenen Lebensstil so lange
weiterführten, bis nichts mehr da war. Nach den Entlassungswellen bleiben
bis 2020 vermutlich nur noch weniger als 500 meist junge Angestellte übrig,
die üblicherweise über Zeitarbeitsverträge zu unkritischen Vasallen der
Finanzinstitute wurden. Gemessen an den rund 1200 Analysten, die derzeit
als DVFA-Mitglieder registriert sind, sind dies weniger als die Hälfte und bald
wieder so viel wie in den 1980er-Jahren, als 300 bis 400 Wertpapierexperten
beschäftigt waren.

Der Boom zeigte sich zwischenzeitlich in den 1990er-Jahren mit einer Verdreifachung
der Stellen – Spiegelbild einer Börseneuphorie, die nicht nur
nicht nachhaltig war, sondern – wie sich spätestens bei ihrem Abklingen
zeigte – die Aktienkultur hierzulande beschädigte. Die unkritische Übernahme
angelsächsischer Finanzmarktpraktiken mit der kurzfristig kommerziellen
Ausrichtung an dem Wohlergehen der Sales-Abteilung gab der unabhängigen
Wertpapieranalyse den letzten Tritt. Die latent wabernde Angst um
die eigene Stelle (»Seid ihr noch alle da?«) erleichterte die Umerziehung des
noch verbliebenen Personals zu unkritischen und angepassten Mitarbeitern,
die kurzfristigen Renditezielen ihrer Arbeitgeber dienen.

Doch das half auch nicht mehr. Große, als systemrelevant erklärte Banken
mussten die öffentliche Hand nochmals um direkte Finanzhilfen und Bürgschaften
bitten. Die Finanzinfrastruktur und ihre Sicherung wurden als hoheitliche
Aufgabe anerkannt. Zur Sicherung der inländischen Wirtschaft
und ihrer Exportdynamik ist ihre Rolle verändert. Eine kritische marktnahe
Prüfung der Kreditvergabe ist nicht mehr gewünscht. Aus zockenden »Kasino
«-Banken, die sogar Geschäfte in ihrem Sinne manipulierten, wurden
»Transmissionsriemen« der EZB, die billiges Zentralbankgeld nach dem
Gießkannenprinzip an die Wirtschaft weiterleiten.

Willkommen im neuen Europa der falschen Versprechungen, verzerrten Preise
und eines dank ständiger Fehllenkungen nicht mehr funktionierenden Finanzsektors.
Unregulierte Schattenbanken sind mächtiger denn je, und zwar
weltweit. Das Kasino bleibt geöffnet, während das solide Bankgeschäft auf der
Strecke blieb.

Das ist weit weg von den Vorstellungen Ludwig Erhards zur Rolle der Politik
und einer Sozialen Marktwirtschaft für die Gesellschaft. Umso mehr lohnt es
sich, sich wieder mit ihm zu befassen, wenn es darum geht, die richtigen Reformen
einzuleiten.



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