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„Finger weg von der Besteuerung verdienter Vermögen“


Experteninterview mit Rechtsanwalt, Unternehmer und Vorstand der Wohnwert AG, Herrn Dr. Holger-Ludwig Riemer.

Im Vergleich der letzten Jahre ist die Neuverschuldung der Bundesrepublik wegen der Covid-19 Pandemie in unerwartete Höhen gestiegen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und welche Konsequenzen könnte das langfristig mit sich bringen?

Dr. Riemer: Seit Beginn der Pandemie ist die Schuldenlast des Bundes bis heute um 35% angestiegen. Laut statistischem Bundesamt sind 296,4 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Bewältigung der Corona Krise in Deutschland aufgenommen worden. Für den europäischen Wiederaufbaufonds haftet Deutschland mit einem Anteil von 27% an 750 Milliarden Euro, was weitere 202,5 Milliarden Euro ausmacht. Das sind wahrhaft historische Dimensionen. Diese Schuldenlast wird auf Jahrzehnte die deutsche Volkswirtschaft belasten und die Handlungsmöglichkeiten nachfolgender Generationen stark beeinträchtigen. Da sich die Wohlstandspolitik der letzten Jahrzehnte ganz wesentlich darauf beschränkte, neu gewachsenen Wohlstand an immer mehr Anspruchsteller umzuverteilen, ist jetzt der Zeitpunkt für einen notwendigen Politikwechsel gekommen. Wir müssen realisieren, dass unser Wohlstand nicht gottgegeben ist, sondern das Ergebnis einer offenen demokratischen wie leistungsbezogenen Gesellschaft sowie einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Zu deren Erhalt und Fortentwicklung müssen alle beitragen. Vor allem dürfen deren Leistungsträger nicht verprellt werden.

Welche Möglichkeiten hat der Fiskus die aufgenommenen Schulden zu refinanzieren und gegebenenfalls wieder zu verringern?

Dr. Riemer: Zum einen kommt dem Bund als Schuldner natürlich die wesentlich von der Europäischen Zentralbank mitgesteuerte Inflation von bis zu 2% entgegen. Hiernach verringert sich die Schuld schon nach 10 Jahren um bis zu 20%. Diese „Entwertung“ trifft aber auch alle Haushalte zusammen. Zum anderen wird der Fiskus wohl nach Instrumenten suchen, das Vermögen der Bundesbürger zusätzlich zu besteuern. Für einige lautet die Devise daher „von den Reichen nehmen und den Armen geben“. Vielfach wird von diesen Gesellschaftskreisen eine Vermögenssteuer ins Gespräch gebracht, deren Erhebung aber schon nachweislich mehr kostet, als sie einbringt. Gängiger ist da schon eine weitere Besteuerung von Immobilienbesitz, obwohl sich viele Besitzer diesen über Jahrzehnte mit Leistung verdient haben und diese Leistung natürlich schutzwürdig ist. Neben erhöhter Grunderwerbsteuer und auch Grundsteuer sind dennoch weitere Zugriffe denkbar. In der Zeit von 1924 bis 1943 hatte man zum Beispiel eine Hauszinssteuer erhoben, um Immobilienbesitzer an den Kosten des Wiederaufbaus zu beteiligen. Heutzutage gibt es beispielsweise in Lettland, Italien und Griechenland Sondersteuern auf Immobilien. Sich aber einfach so an dem verdienten Immobilienvermögen anderer zu bedienen, ist höchst problematisch. Unabhängig davon, dass dies schnell ein ungerechtfertigtes Sonderopfer sein könnte, ist der Staat meines Erachtens zuvor in besonderer Weise verpflichtet, jede andere denkbare Möglichkeit Gelder zu vereinnahmen, auszuschöpfen. Als solche alternative Möglichkeit gilt zunächst konsequentes Sparen. Und Einsparpotentiale gibt es reichlich, angefangen bei fehlgeleiteten Sozialausgaben über unsinnige Baumaßnahmen und Ausschreibungen bis hin zu Fehlsubventionen etc. Darüber hinaus wäre der Staat vor der Inanspruchnahme verdienten Vermögens verpflichtet, da Gelder zu vereinnahmen, wo er es bis heute fahrlässig unterlässt. Als da wäre z.B. die Erhebung von Steuern auf die in Deutschland getätigten Milliardengewinne aus den Geschäften der Internetgiganten Amazon, Google und Co. Es gibt auch Überlegungen zur Erhebung einer Finanztransaktionssteuer, die sachgerecht auch nur dort anfällt, wo ein Vielfaches von Kapital zum Zwecke der Vermehrung eingesetzt wird.

Die von der Regierung unternommenen finanziellen Maßnahmen zur Unterstützung der hiesigen Wirtschaft werden von den einen gelobt, von den anderen kritisiert. In welcher Relation stehen die Maßnahmen zur Wirkung und welche möglichen Folgen können sie mit sich bringen?

Dr. Riemer: Grundsätzlich sind die drei Überbrückungshilfen des Bundes für die durch Corona beeinträchtigte Wirtschaft sinnvoll und gut. Verzögerte Auszahlung und auch teilweiser Missbrauch lassen sich in Zeiten notwendig schnellen Handelns nicht immer ganz verhindern. Vor allem werden es die vielen Unternehmer und Unternehmen sein, die später bei erfolgreicher Tätigkeit durch ihre Steuerzahlungen nicht unerheblich zur Tilgung der Staatsschulden beitragen werden. Da die Überbrückungshilfen zumeist nicht umsonst sind, werden hier aber noch über Jahre Schulden zurückgezahlt werden müssen. Manch ein Geschäftskonzept wird das auch nicht überleben. Da Unternehmer und Unternehmen zu den unverzichtbaren Leistungsträgern von Wirtschaft und Gesellschaft gehören, sollten diese nach der Pandemie gegebenenfalls noch zusätzlich unterstützt werden. Ich plädiere dafür, bei zu definierendem Wohlverhalten, z.B. erneuter Arbeitsplatzschaffung etc., noch rückzahlbare Teilbeträge großzügig zu erlassen.

Welche Vermögen sind langfristig besonders gefährdet und welche Auswirkungen haben die Refinanzierungsmaßnahmen auf Immobilienbesitzer und Hausbauer?

Dr. Riemer: Die Versuchung Immobilienbesitz zusätzlich zu besteuern halte ich für am Größten. Die letzten 10 Jahre haben Immobilienbesitzern satte Wertsteigerungen gebracht. Diese scheinbare unverdiente Vermögenserhöhung halten einige für abschöpfbar. Dabei wird aber übersehen, dass zumindest jede finanzierte Immobilie auch jemanden hat, der die regelmäßigen Raten und den Unterhaltsbedarf leistet. In Deutschland verfügen ca. 40% der Bevölkerung über Wohneigentum. Die Politik einer leichtfertigen Umverteilung gerät deshalb dort an ihre Grenzen, wo Leistungsträgern der Anreiz dafür genommen wird, weiterhin ihre Leistung zu erbringen. Dazu gehört es auch, den verdienten Immobilienbesitz unangetastet zu lassen.

Welche Maßnahmen von der Politik wirklich umgesetzt werden, bleibt bislang unsicher. Welche Empfehlung würden Sie unter den genannten Umständen Menschen mit verdienten Vermögen für die Zukunft geben?

Dr. Riemer: Leistung muss sich (wieder) lohnen. Bringen Sie sich aktiv ein. Wählen Sie Parteien, die motivierende Rahmenbedingungen für Leistungsträger schaffen. Statt Umverteilung von Wohlstand muss in die Zukunft investiert werden. Investieren Sie in Ertrag. Bauen Sie ihr Vermögen nicht nur mit Immobilien in Deutschland auf. Auch eine konservative Anlage in Aktien kann über Dividendenausschüttung 4-6% Rendite jährlich einbringen.

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