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Deshalb kann Flüssiggas per Schiff Gas aus Russland nicht ersetzen

Import-Terminal für Flüssiggas in Rotterdam

Es ist die große geopolitische Frage, die seit Wochen im Raum steht. Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, und sich der Westen und Russland gegenseitig mit Sanktionen überziehen, stoppt Russland dann seine Gas-Lieferungen Richtung Europa, die über Pipelines laufen? Und was dann? Könnten Lieferungen von Flüssiggas per Tanker aus Übersee so viel Mengen liefern, dass vollständig ausbleibendes russisches Gas ersetzt werden kann, damit in Europa niemand frieren muss? Mehr denn je ist so eine (noch theoretische) Fragestellung interessant, weil gestern bekannt wurde, dass Gazprom über eine wichtige Gas-Pipeline Richtung Deutschland für den Monat Februar keine Transportkapazität gebucht hat. Kann Flüssiggas per Schiff wirklich ein umfangreicher Ersatz sein? Das ist eine Frage für Experten, die wirklich tiefgreifend in diese Materie eintauchen.

Große Abhängigkeit von Gas aus Russland

Heute haben die Energieexperten der Commerzbank genau zu dieser Thematik eine hochinteressante Analyse veröffentlicht. Man kommt zu dem Schluss, dass „ein dauerhafter Ersatz der russischen Lieferungen durch Flüssiggas-Importe auf absehbare Zeit nicht realistisch“ ist. Dies wird mit Detaildaten begründet, auf die wir an dieser Stelle eingehen wollen. Die Ausgangslage sieht so aus, basierend auf Zahlen aus 2020: In der EU belief sich die Erdgasförderung auf 54 Milliarden m³. Dazu kamen Importe im Volumen von 326 Milliarden m³. Hiervon wiederum stammten 48 Prozent der Lieferungen aus Russland. Es ist also eine echte Abhängigkeit vom russischen Gas. Aber „rettet“ nun das Flüssiggas aus dieser Abhängigkeit?

Kann Flüssiggas aus Übersee das Problem lösen?

Im ersten Halbjahr 2021 entfiel ein knappes Viertel der Erdgasimporte laut den Experten der Commerzbank auf Flüssiggas (LNG), das per Tanker in Europa ankommt. Erwähnt wird, dass es in der EU 25 Importterminals für Flüssiggas gibt – wovon kein einziger in Deutschland steht. Wie bitte? kein einziger? Ja, so möchten wir anmerken… aber in Brunsbüttel, da sollte doch einer gebaut werden? Nicht doch. Wie jüngste Berichte aus der letzten Woche zeigen, zog sich der Hauptinvestor von dem Bauvorhaben zurück, dann stoppte die Stadt Brunsbüttel ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans. Das dort geplante LNG-Terminal steht daher kurz vor dem Aus. Deutschland wird also auch weiterhin wohl nicht an der LNG-Anlandung in Europa mitwirken.

An den Terminals wird das verflüssigte Gas wieder in seinen ursprünglichen gasförmigen Zustand zurück transformiert und in das Gas-Rohrleitungssystem eingespeist. Die europäischen Terminals haben zusammen eine Kapazität von 215 Mrd m³ pro Jahr. Sie könnten theoretisch die Hälfte des europäischen Bedarfs an Erdgas abdecken. Diese Terminals sind aber im Jahresdurchschnitt nicht einmal zur Hälfte ausgelastet.

Verstärkte Importe von Flüssiggas (LNG) könnten laut den Experten der Commerzbank mögliche Ausfälle russischer Lieferungen nicht kompensieren, da Russland aktuell neben dem Gros der Pipeline-Importe auch rund ein Fünftel der LNG-Importe der EU stellt. Diese Volumina müssten bei einem eventuellen vollständigen Lieferembargo zusätzlich kompensiert werden. An erster Stelle werden derzeit oft die USA als möglicher Ersatzlieferant für Gas genannt, wenn Russland ausfallen sollte. Erwähnt wird von den Experten, dass die USA ihre LNG-Exporte in den letzten Jahren massiv erhöht haben. Die USA hätten aktuell eine Exportkapazität von 120 Mrd m³ pro Jahr. Für Ende 2022 sei eine Ausweitung der Kapazitäten auf 145 Mrd m³ pro Jahr geplant.

Da die LNG-Exportterminals der USA üblicherweise komplett ausgelastet seien, würden größere zusätzliche Lieferungen in die EU voraussetzen, andere Abnehmer zu verdrängen. Dies wiederum ginge nur durch deutliche Preisaufschläge. Selbst wenn man alle logistischen Aspekte außer Acht lassen würde, würden laut den Experten selbst die vollen US-Kapazitäten nicht ausreichen, um die Lieferungen aus Russland vollständig zu ersetzen. Dazu müssten noch andere führende Verkäufer von Flüssiggas ihre Tanker umleiten, wozu auch der Mini-Staat Katar zählt, der aber ein Gigant am Gasmarkt ist aufgrund eines riesigen Gasfelds, das man abschöpft. Katar sei im Jahr 2020 mit 18 Mrd. m³ pro Jahr immerhin der zweitwichtigste Lieferant für die EU gewesen.

Ist doch etwas Entwarnung statt Panik angebracht?

Ist doch etwas mehr Entwarnung statt Panik angebracht, dass die Gasspeicher in Europa komplett geleert werden, und dass man die Heizung noch so stark aufdreht, und es dennoch kalt bleibt? Auch wenn ein dauerhafter Ersatz der russischen Lieferungen durch LNG-Importe aus Übersee auf absehbare Zeit nicht realistisch ist – laut den Experten der Commerzbank ist kaum zu erwarten, dass die Lieferungen aus Russland für einen längeren Zeitraum ausfallen. Denn Russland sei auf die Einnahmen (aus dem Verkauf von Gas) angewiesen und werde Ausfälle kaum vollständig und rasch durch verstärkte Exporte etwa nach China ausgleichen können. Dagegen spreche trotz eines starken Ausbaus der Pipelines in Richtung China die bisher stark auf die „westlichen“ Märkte ausgerichtete Pipelineinfrastruktur. Zudem würden die Chinesen die Zwangslage der Russen ausnutzen und deutliche Preisnachlässe durchsetzen.

Die Experten verweisen auch auf die Ereignisse, die man gut sehen konnte in den letzten Wochen, wenn man die enormen Schwankungen im Gaspreis am Terminmarkt beobachtete. Aufgrund von Knappheit und wenig russischen Gas-Lieferungen explodierte der Preis. Und da sahen die amerikanischen Produzenten ihre Chance, so unsere Anmerkung: Dank der viel höheren Terminmarktpreise für Gas in Europa im Vergleich zu Asien lenkten sie zahlreiche Tanker um, so dass derzeit viel Flüssiggas in Europa ankommt. Durch diese Zusatzmengen an Gas wird der Preisdruck am europäischen Terminmarkt derzeit gemildert. Flüssiggas ist nun mal unabhängig von bestehenden Pipeline-Systemen, und kann per Schiff schnell umgeleitet werden – zu demjenigen Käufer, der bereit ist mehr zu bezahlen.

Die Experten der Commerzbank schließen ihre Analyse übrigens ab mit der Bemerkung, dass diese Flexibilität bei Flüssiggas ihre Grenzen in den bestehenden Kapazitäten habe. Wohl wahr. Das Gas aus Übersee wird Europa also auf absehbare Zeit nicht vollständig unabhängig machen von den Lieferungen aus Russland. Aber auf ganz lange Sicht, wollen Europa und die USA ihre Terminal- und Schiffskapazitäten so enorm ausbauen, dass eine Unabhängigkeit doch gewährleistet werden kann? Kurzfristig jedenfalls können die LNG-Transporte die Angst vor vollständig geleerten Gasspeichern mildern.

TradingView Chart zeigt Kursverlauf im europäischen Terminmarktpreis für Gas Dutch TTF seit Juli 2021.



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1 Kommentar

  1. KAPITULATION
    Gibt dem Kaiser das was dem CAISAR ist.
    Lang lebe AMERIKA, LANG LEBE USA.
    UNTERWIRF DICH EUROPA
    UNTERWIRF DICH ASIEN
    UNTERWIRF DICH MÜTTERCHEN………….
    UNTERWIRF DICH……
    USA GAS SCHMECKT AM BESTEN
    DIE FASCIS, FASCES WERDEN IN WASHINGTON VORANGETRAGEN.
    GIB AUF ,GIB AUF ,GEB AUF MÜTTERCHEN………..
    SCHACH DER GEOPOLITIK, WER IST AM ZUG?

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