Europa

François Fillon: Stellt Frankreich seine Wirtschaft von Staats-Kapitalismus auf Turbo-Kapitalismus um?

Sollte Fillon der nächste französische Präsident werden, würde das eine Art Revolution in Frankreich bedeuten. Ähnlich wie in UK unter Thatcher läuft seine Politik auf die Entmachtung der in Frankreich noch sehr mächtigen Gewerkschaften heraus - mit massiven Streisk als Folge..

FMW-Redaktion

Kaum ein Land Europas ist so stark dominiert von den Eingriffen des Staates in die Wirtschaft wie Frankreich. Das begannt verstärkt in den 1980er-Jahren, als die Regierung das Ziel ausgab, mit der Schaffung großer Konzernen zu den Global Playern in einigen Märkten zu gehören. Die Folge: in Frankreich fehlt weitgehend das, was die deutsche Wirtschaft ausmacht: einen starken Mittelstand zu haben, der in vielen Bereichen durch extrem erfolgreiche Familienunternehmen zu den Weltmarktführern gehört.

Nicht zuletzt deshalb gilt Frankreich seit Jahren als „kranker Mann“ Europas, die (offizielle) Arbeitslosigkeit liegt bei 10%, eine starke Stimmung im Lande gegen alles, was Globalisierung bedeutet, in den Ghettos am Rande der Großstädte wohnen die abgehängten, kaum integrierten Immigranten und fristen dort ihr Dasein – ein idealer Nährboden für den Islamismus.

Genau das will François Fillon nun mit vergleichsweise radikalen Maßnahen ändern! Und dabei will er bei der Wirtschaft an drei Stellschrauben drehen: die öffentlichen Ausgaben herunter fahren, die strikten Regulierungen am Arbeitsmarkt lockern, und das Pensionsalter nach oben schrauben.

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François Fillon, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Foto:Marie-Lan Nguyen

Die wohl kurzfristig wichtigste Änderung wäre die Aufhebung der seit dem Jahr 2000 gültigen 35-Stunden-Woche – sie soll unter Fillon auf 39 Stunden pro Woche angehoben werden. Gleichzeitig soll die Verpflichtung für Unternehmen beendet werden, für Überstunden Entschädigungsleistungen auszuzahlen (mehr Geld pro Stunde oder Zusatz-Urlaubstage). Fillon will es Unternehmen ermöglichen, von ihren Arbeitnehmern eine Arbeitszeit von bis zu 48 Wochenstunden zu verlangen – das entspricht dem von der EU gesetzten Höchstmaß!

Besonders hart würde es die fünf Millionen Beamten in Frankreich treffen (kaum ein Land in Europa hat mehr Beamte in Bezug auf die Bevölkerungsgröße!). Auch sie sollen 39 Stunden arbeiten, aber nur für 37 Arbeitsstunden entlohnt werden. Von diesen fünf Millionen Beamten wiederum (jeder fünfte arbeitsfähige Franzose ist Beamter!) sollen 500.000 abgebaut werden. Auch dadurch will Fillon die öffentlichen Ausgaben in den nächsten fünf Jahren um 100 Milliarden Euro senken. Dazu gehört auch, dass die Arbeitslosenunterstützung auf 75% des Lohnniveaus vor dem Jobverlust gesenkt werden soll.

Fillon geht es offenkundig vorwiegend um den Abbau von Regularien für die Wirtschaft, deren Steuerbelastung durch die Absenkung der Unternehmenssteuer von derzeit 33% auf 25% gesenkt werden soll. Gegenfinanziert sollen die dadurch bedingten Mindereinnnahmen wiederum durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um 2%. Mithin also Entlastung der Unternehmen durch Heranzierhung aller Franzosen, vor allem der Geringversdiener, die am meisten unter einer Anhebung der Mehrwertsteuer leiden würden.

Bislang unklar sind seine Pläne für die Einkommenssteuer, die jedoch in Frankreich weniger wichtig ist (nur die Hälfte aller französischen Haushalte zahlt diese Steuer!). Dafür soll die Besteuerung von Kapitalerträgen (Aktien etc.) gesenkt werden – auch das ist faktisch eine Umverteilung zugunsten der ohnehin schon Wohlhabenden, zumal auch die Spitzensteuersätze für Top-Verdiener gesenkt werden sollen!

Im Sozial-Bereich vertritt Fillon typische Werte des katholisch-konservativen Frankreichs: zwar will er die „Homo-Ehe“ nicht abschaffen, aber Adoptionsrechte homosexueller Paare beschränken. In Sachen Immigration fordert Fillon neue Regularien, die das Schengen-Abkommen einschränken würden, anssonsten aber ist er Pro-Europäer. Gegenüber Russland ist Fillon deutlich positiver eingestellt – er würde sich für eine Aufhebung der Russland-Sankionen einsetzen.

Fazit: Fillon würde eine Art Revolution in Frankreich bedeuten. Ähnlich wie in UK unter Thatcher läuft seine Politik auf die Entmachtung der in Frankreich noch sehr mächtigen Gewerkschaften heraus – es würde daher sicher zu Streikwellen bislang ungekannten Ausmaßes in Frankreich kommen. Faktisch vertritt Fillon recht klar die Interessen von Unternehmen und Unternehmern, mit einer ziemlich klaren Umverteilung in Richtung der Wohlhabenden. Sollte Fillon gewinnen, würden Frankreich sehr unruhige Zeiten bevor stehen – aber irgendetwas muß in Frankreich passieren, um das Land aus der Lethargie zu holen! Die Reduzierung des über die Maßen regulierten Landes sowie die Reduktion des viel zu großen Beamtenapparats sind sicher nicht die schlechtesten Ansätze..



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2 Kommentare

  1. Wie kann das Volk diesen Mann mit den Ansichten dann wählen?
    Kürzungen in den Sozialbereichen, Erhöhung der MwSt, längere Arbeitszeit. Der absteigende Mittelstand, die Geringverdiener und die Arbeitslosen werden sich die 2% MwSt nicht gefallen lassen und eine längere Arbeitszeit auch nicht, die Franzosen wählen nicht ihren eigenen Schlächter wie die Deutschen. Le Pen wird wohl das Rennen machen. Eine Ausbeutung der kleinen und mittleren Einkommen wie in Deutschland, dann wird die Altersarmut genau wie in D. kommen. Es gibt kein ewiges Wachstum und auf dieser Plattform sind wir nun angekommen und es wird sich voläufig auch nichts daran ändern. Die Schuld sehe ich im Euro, und der ist das Übel in der EU. Wer soll denn mit immer weniger Geld noch konsumieren?

    1. Genau so sehe ich das auch! Die Franzosen sind aus einem anderen Holz wie der deutsche Michel, die werden demnächst wieder die Guillotinen auspacken…

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