Der Ökonom Daniel Stelter schreibt aktuell „Frankreich ist der wahre Problemfall im Euro. Nur die EZB kann „retten“ – mit der noch vordergründig guten deutschen Bilanz. Es mag noch lange dauern – politisch motiviert – aber es wird bitter enden.“ Was ist hier los? Die Renditeabstände zwischen Anleihen in Frankreich und Deutschland steigen auf den höchsten Abstand seit der Eurokrise vor 12 Jahren! Das bedeutet: Man erhält für französische Staatsanleihen immer mehr Rendite als für deutsche – damit wird das erhöhte Ausfallrisiko für Papiere aus Paris eingepreist. Natürlich wird Frankreich als Staat nicht über Nacht zahlungsunfähig sein, aber der Anleihemarkt gibt Signale, dass die immer weiter ansteigende Staatsverschuldung in Frankreich kritisch gesehen wird.
Frankreich ist der wahre Problemfall im Euro. Nur die EZB kann „retten“ – mit der noch vordergründig guten deutschen Bilanz. Es mag noch lange dauern – politisch motiviert – aber es wird bitter enden. https://t.co/GXVF6fxKHK
— Dr. Daniel Stelter (@thinkBTO) November 27, 2024
Das Risiko französischer Anleihen ist auf ein Niveau gestiegen, das zuletzt während der Schuldenkrise im Euroraum zu beobachten war, da eine politische Pattsituation über den Haushalt des Landes die Regierung zu stürzen droht. Bloomberg berichtet: Die Prämie, die Investoren verlangen, um 10-jährige Staatsanleihen aus Frankreich gegenüber deutschen Anleihen zu halten, stieg heute um drei Basispunkte auf 89 Basispunkte, den höchsten Stand seit 2012. Der mögliche Sturz der derzeitigen Regierung könnte den Renditeabstand noch weiter in die Höhe treiben – laut den Strategen der Citigroup möglicherweise bis auf 100 Basispunkte oder 1 Prozentpunkt.
Die Nervosität am Markt spiegelt die Bedenken der Anleger hinsichtlich der Fähigkeit von Premierminister Michel Barnier wider, einen Haushalt für das nächste Jahr zu verabschieden und Ausgabenkürzungen zur Reduzierung des Defizits des Landes vorzunehmen. Marine Le Pen von der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“ hat geschworen, seine Regierung mit einem Misstrauensantrag zu stürzen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden, wobei sich die Angelegenheit wahrscheinlich im Dezember zuspitzen wird.
Die Zeitung Le Parisien berichtete, dass Präsident Emmanuel Macron davon ausgehe, dass Le Pen ihre Drohungen wahrmachen und Barnier bald durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden würde. Macrons Büro bestritt, dass er solche Kommentare abgegeben habe. Barnier warnte, dass Frankreich einem „Sturm“ auf den Finanzmärkten ausgesetzt sei, wenn seine Haushaltsvorschläge abgelehnt und die Regierung abgewählt würde. „Es könnte sehr gut zu einer Situation kommen, in der die Regierung erneut in Gefahr gerät“, sagte Greg Hirt, Global Chief Investment Officer für Multi Asset bei Allianz Global Investors. “Es könnte durchaus sein, dass wir am Ende einen Spread zu deutschen Bundesanleihen auf dem Niveau Italiens haben.“
Das wäre in der Ära des Euro beispiellos, da italienische Anleihen mit niedrigerem Rating aufgrund der hohen Verschuldung des Landes historisch zu den renditestärksten in der Region gehören. Italienische Staatsanleihen werden mit einem Aufschlag von etwa 125 Basispunkten gegenüber Deutschland gehandelt, und es würde ein solches Niveau erfordern, damit Frankreich zu einer längerfristigen Kaufgelegenheit wird, so Hirt.
Die Bedenken hinsichtlich Frankreichs, die im Juni durch Macrons Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen ausgelöst wurden, verblassen immer noch im Vergleich zu der Panik auf dem Markt, die während der Schuldenkrise der Eurozone vor über einem Jahrzehnt herrschte, als der Spread französischer Anleihen mehr als doppelt so hoch war. Es gibt Anzeichen dafür, dass Investoren beginnen, eine potenziell breitere Krise einzupreisen, wobei ein Kreditmaßstab für das Risiko, dass Frankreich den Euroraum verlässt, fast auf den höchsten Stand in diesem Jahr steigt.
Auch Bankstrategen geben neue Warnungen heraus. Die Citigroup erklärte am Dienstag, dass der Anleihespread schneller als erwartet 100 Basispunkte erreichen könnte, während die Commerzbank ihren Kunden empfiehlt, ihr Engagement in Frankreich zu reduzieren. Der Leitindex des Landes ist in den letzten Monaten eingebrochen und schneidet schlechter ab als vergleichbare Indizes. „Abgesehen von den jüngsten politischen Schlagzeilen, die unterstreichen, dass die Haushaltsvereinbarung schwierig werden und die Regierung stürzen könnte, verschlechtert sich auch der makroökonomische Ausblick schnell“, schrieb Christoph Rieger, Leiter der Zins- und Kreditforschung bei der Commerzbank, in einer Notiz.
Der Chef der französischen Zentralbank hat mehr Klarheit über die Pläne zur Sanierung der Staatsfinanzen gefordert. Die Daten der letzten Woche zeigten, dass die Geschäftstätigkeit des Privatsektors in Frankreich so schnell wie noch nie seit Jahresbeginn eingebrochen ist – ein Zeichen dafür, dass politische und geopolitische Bedenken die Stimmung belasten.
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Die Finanzen Frankreichs werden am Freitag von S&P Global Ratings unter die Lupe genommen, was der nächste Katalysator für Marktbewegungen sein könnte, nachdem sowohl Fitch Ratings als auch Moody’s Ratings im vergangenen Monat einen negativen Ausblick gegeben haben. Da es keine Mehrheit gibt, wird allgemein erwartet, dass Barnier im Dezember eine Verfassungsbestimmung namens 49,3 anwenden wird, um den Gesetzentwurf ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zu verabschieden.
Die Anwendung dieses Instruments erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Misstrauensvotums, das die Regierung stürzen und das Haushaltsgesetz ablehnen würde. Die Linke hat versprochen, eine solche Abstimmung vorzuschlagen, die angenommen würde, wenn die Abgeordneten von Le Pens Nationaler Sammlung dies unterstützen. Die rechtsextreme Politikerin hat in den letzten Tagen den Druck auf Barnier erhöht, indem sie erneut betonte, dass die aktuellen Haushaltsvorschläge inakzeptabel seien und ein Sturz der Regierung keine Katastrophe wäre.
„Ich war in Frankreich und habe mich mit verschiedenen Kunden getroffen. Die Baisse, die ich bei französischen Vermögensverwaltern in ihrem eigenen Land beobachtet habe, hat mich beeindruckt – sie kaufen nicht“, sagte Amedeo Scippacercola, Leiter des Handels mit europäischen Staatsanleihen bei Mizuho International Plc.
Angesichts der finanziellen Bedenken wendet sich ein Fondsmanager in Tokio alternativen Anlagen in der Region zu. In den letzten Jahren waren japanische Investoren prominente Investoren in französische Staatsanleihen. „Man kann französische Anleihen meiden, weil die Fundamentaldaten Spaniens gut zu sein scheinen“, sagte Takashi Fujiwara, Leiter des Fixed Income Management und Chief Fund Manager bei Resona Asset Management. “Wir werden in deutsche Bundesanleihen investieren und bei den umliegenden Ländern werden wir uns zuerst spanische und italienische Anleihen ansehen.“
FMW/Bloomberg
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Moin, moin,
kein Grund zur Panik. Die EZB wird jedes benötigte Geld drucken. Das ist dann zwar Staatsfinanzierung, aber wen interessiert das? Einmal generell, haben viele Staaten der EU ein Ausgabeproblem. Man möchte dies und jenes finanzieren, aber wo die Mittel herkommen ist egal. Brüssel wird es schon richten.
Frankreich ist, wie die BRD auch, latent links. Links und Staatshaushalt funktionieren nicht gemeinsam. Entweder Links, dann folgt Staatspleite (Grüße an den ehemaligen Ostblock) oder Staatshaushalt und dann Ausgaben auf max. Einnahme-Niveau.
Fazit: Und wieder schlägt das One-Man-One-Vote Problem zu. Nur Regierungen, die Geld verteilen werden gewählt.
Warum muss „ Rassemblement National“ auf dieser Plattform als rechtsradikal tituliert werden? Kann man der Wahrheit mit konservativ nicht Genüge tun?
@,
weil das grünrotlinke gesocks ausschliesslich mit der angst der nasokeule zu argumentieren gelernt hat.
einfache argumenten für einfache gemüter, daher hat sich deutschland auch so verändert und verändert sich
weiter, zu freude der ungelernten küchenhilfe göring-eckardt.
jedem das seine, stand schon einmal auf einem eingangstor in deutschland
@asyoulike: Die EZB druckt das Geld nicht, sie kann aber französische Anleihen vom Markt nehmen. Auch dafür muss Frankreich Zinsen bezahlen. Das ist nicht nachhaltig, geht sicher auf kurze und mittlere Sicht nochmal gut. Der Preis dafür sind steigende Zinsen, Inflation und Verfall in der ganzen Euro-Zone. Das geht dort auf Kosten der Industrie, weil keine verlässliche Kalkulation mehr möglich ist. Deutschland, Österreich, Irland, die Benelux-Staaten und auch Finnland würden in einem solchen Szenario aus dem Euro ausscheren müssen und ihre Industrie durch Ausgabe neuer Währungen (Privatpersonen bis 100.000€) refinanzieren. Diese Staaten wären nicht pleite, im Gegenteil, sie hätten sich sogar der Altschulden entledigt. Düster dürfte das für Südeuropa ausgehen, die sich nicht weiter Verschulden können.
In Frankreich ist es wie bei uns: Ein immer größer werdender Teil der Wähler wendet sich von den staatstragenden Parteien ab. Italien hat das schon hinter sich, wobei die Neofaschisten seltsamerweise gar nicht so anders handeln als ihre Vorgänger. Das kann auch schief gehen, wie das bei uns am Ende der Weimarer Republik war. Wobei das damals in ganz Europa so viel anders nicht war. Das mit der Stabilität scheint ja aktuell weltweit zurück zugehen. Den Leuten ist es wohl schon zu lange zu gut gegangen – was Wähler und Politiker meint.