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GameStop: Symptom für Entgleisung der Märkte – wie war das möglich?

Wie war ein Phänomen wie bei der Aktie von GameStop möglich? Eine Spurensuche nach den Ursachen eines erstaunlichen Exzesses!

Die Anlegerwelt blickt bestürzt und fasziniert in die USA, auf die Kapriolen von Aktie wie GameStop – dazu auf Small Caps, auf exorbitante Call-Spekulation, auf Schieflagen von Leerverkäufern und Brokern. Ausgelöst nicht durch Big Money, sondern durch viele junge Anleger, die eine unregulierte Seite der Aktienmärkte ausnutzen. Eine Spurensuche nach den Ursachen, was Entwicklungen wie bei der Aktie von GameStop möglich gemacht hat..

Wie war GameStop möglich?

Die Notenbanken

Klar ist die Entwicklung an den Aktienmärkten zunächst einmal den Notenbanken geschuldet. Mit der Eliminierung der Anlageklasse Anleihen, der Verlängerung der Aktienhausse, weil mit sinkenden Zinsen Aktienbewertungen immer mehr relativiert wurden. Vor allem aber durch die besondere Situation einer Pandemie, in der alle Notenbanken an einem Strang ziehen, um eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern.

Dabei ist doch Fed-Chef Jerome Powell noch einer der Vernünftigeren. Hatte er nicht 2018 viermal die Zinsen angehoben, um Exzesse zu unterbinden – und wie ist er für seinen Kommunikationsgau gemaßregelt worden, als er für 2019 von weiteren Zinsanhebungen und Bilanzreduzierung gesprochen hatte? Wurde er nicht von Donald Trump monatelang in der Öffentlichkeit vorgeführt, als „Dummkopf“ beschimpft, weil er partout nicht die Zinsen stärker senken wollte. Der Ex-Präsident hatte stets ins Felde geführt, dass Deutschland sich verschulden könne und dabei noch Geld verdienen würde. Kurzum: Die Marktteilnehmer haben die Ausnahmesituation an den Kapitalmärkten erkannt und den Aktienboom immer weiter befördert. Es gibt einen „Ocean of Liquidity“. Das ist die erste Voraussetzung für das Phänomen GameStop!

Die kostenlosen Neobroker

Eine sehr wesentliche Ursache für den verstärkten Boom an den Aktienmärkten, speziell durch neue Anlegergruppen, war der Preiskampf der Broker um die Kunden, der schließlich zur Abschaffung der Gebühren geführt hat. Es war die Meldung im Oktober 2019, die die Gebührenschmelze brachte: Charles Schwab hatte als Branchenführer angekündigt, in Zukunft auf Kommissionen für das Geschäft mit US-Aktien, börsengehandelten Fonds (ETFs) und Optionsscheinen zu verzichten. Es folgten weitere Broker wie TD Ameritrade und E-Trade und selbst Fidelity zog für seine 22 Millionen Konten nach. Eine Reaktion auf den Aufstieg von RobinHood, der Boden für das grenzenlose Zocken war bereitet. Wenn ich für kleine Trades keine Gebühren bezahlen muss, kann ich das x-mal am Tag wiederholen.

Einen weiteren Schub gab es für die Retail Investors durch die Möglichkeit, Bruchstücke von Aktien zu kaufen – also die Möglichkeit durch den Broker, Teile einer Amazon-Aktie zu handeln, weil ich keine 3000 Dollar für eine einzelne Aktie aufbringen kann. Dazu noch das Angebot der Depotbeleihung, um auf Kredit zu spekulieren. Ein brutaler Preiskrieg um jeden Kunden hat die Situation eskalieren lassen – die Entwicklung um GameStop ist die Folge solcher Entwicklungen!

Die Pandemie und der Teillockdown

Ich habe bereits am 7. Juli 2020 in einem Artikel geschrieben: Der Lockdown und die damit verbundene häusliche Quarantäne hat eine zweifelhafte Entwicklung losgetreten: Die pandemiebedingte Unterbrechung des US-Profisports und der Ausfall an Sportwetten hat viele Sportzocker zur Börse gebracht. Dazu jene, die früher mit Kryptowährungen gehandelt haben. Man spricht daher von einer „Gamification“ der Geldanlage. Die Börse wurde als Ersatz für Fußball-Wetten oder das Glücksspiel in den geschlossenen Casino ansehen. Das beste Beispiel dafür ist der aus der Sportwettenbranche kommende David Portnoy, der „Anführer“ der RobinHooder. Nun ruft auch er zum „Sturm auf das Kapital“ auf – GameStop sei nur der Auftakt gewesen, so Portnoy.

Ein Teil dieser Entwicklung war auch der staatlichen Unterstützung in der Pandemie geschuldet. Die vielen Schecks, die eigentlich für die Versorgung während der Arbeitslosigkeit gedacht war, wurden von nicht wenigen teilweise zum Zocken genutzt. Unterstützungen von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden, aber der Gesamtbetrag konnte bis über 4000 Dollar pro Monat ausmachen und damit höher, als es mancher mit seiner reellen Arbeit bringen konnte. Zuletzt waren es die 600 Dollar Schecks, die im Februar noch auf 2000 Dollar aufgestockt werden sollen. Es ist dieses Helikoptergeld, das in Aktien oder Optionen von GameStop fließt.

Die Plattform der sozialen Medien

Wer hätte das gedacht? Dass soziale Medien einmal genutzt werden, um die Großen an der Wall Street zu attackieren.

Wallstreetbets ist so ein Subreddit, auf dem sich Marktteilnehmer austauschen und sich auch zu gemeinsamen Wetten am Kapitalmarkt organisieren. Es laufen auch viele Fehlinformationen, wie eine mehr oder weniger koordinierte Aktion von Trollen auf der Social-Media-Plattform Reddit, die durch ihre Spekulation den direkten Angriff auf die Hedgefonds der Wall Street zum Ziel haben. GameStop war vermutlich erst der Anfang!

Das ist auch ein großer Unterschied zur Dotcom-Blase im Jahr 1999/2000: Die Verfügbarkeit von Informationen und die Vernetzung auf Millionen Geräten, wo sich blitzschnell ein Finanzmob organisieren lässt. Das Smartphone mit all seinen Möglichkeiten war damals noch nicht auf dem Markt. Wenn die Geschichte mit GameStop erledigt ist, kommen dann weitere Angriffe auf Aktien, die sehr „leerverkauft“ sind? Diese Frage hat sich nach den letzten Short Squeezes schon erübrigt. Auch wenn mit einer Firma richtig etwas faul ist und man den Kurs trotzdem nach oben treiben kann. Hatten wir denn in Deutschland nicht eine Firma, die im Visier der Leerverkäufer war und zunächst von der BaFin noch geschützt wurde (Wirecard)?

Die De-Regulierung

Ganz im Gegensatz zur Obama-Regierung, der nach der Finanzkrise eine Reform zur Regulierung der Finanzmärkte veranlasst hatte, wurden die Regularien in der Trump-Ära schrittweise wieder gelockert. Trump sprach ständig von vier Prozent Wachstum, dafür wurden die Steuern radikal gesenkt, Auslandskapital repatriiert, Aktienrückkäufe in großem Maße toleriert und alles gefördert, faktisch und verbal, was die Aktienmärkte befeuerte. So wurde der Boden bereitet für eine Aktienrally, an deren Ende immer Gier einzieht, jeder versucht an der wundersamen Geldvermehrung zu partizipieren, eine Phase für die es viele Namen gibt: Hausfrauenrally, Milchmädchenhausse und weitere.

Ein Thema an den Märkten ist beim Short Selling auch der nackte Leerverkauf, der dazu führen kann, dass die Short Quote auch über 100 Prozent der frei verfügbaren Aktien hinausgehen kann – so wie bei GameStop. Man hatte diese gefährliche Variante der Kurssicherung/Spekulation im Zuge der Finanzkrise zwar verboten, aber nie richtig überwacht, wie es sich in den jetzigen Fällen als Falle erweist.

Fazit

Es ist zweifelsohne ein ganzes Bündel von Ursachen, die zu dieser Spekulationsorgie geführt haben. Auch wenn die Notenbanken mit ihrer Marginalisierung der Zinslandschaft erst die Grundlage für eine lange Börsenphase steigender Notierungen gesorgt haben, wurde die Situation erst dadurch möglich, dass Broker und Marktteilnehmer das Laissez-Faire der Behörden ausgenutzt haben, um Geld zu scheffeln.

Wie kann es sein, dass sich Tausende von Kleinanlegern in Foren verabreden können, um Attacken an den Märkten durch Zocks mit Aktien wie GameStop zu organisieren? Man stelle sich vor JP Morgan, Bank of America und Goldman Sachs würden sich zu konzertierten Aktionen und zu einem bestimmten Zeitpunkt verabreden. Mit ihrer Finanzkraft könnte die Giganten reihenweise Aktien mit niedrigen Nominalwerten zu Pennystocks machen, was extreme Folgen zeitigen würde: Auschluss bei Kapitalsammelstellen, die nicht in Pennystocks investieren dürfen, Abstufungen im Kredit-Rating, kein Zugang zum Kapitalmarkt, Entlassungen, Pleite. Verbotene Marktmanipulationen stehen stark unter Strafe.

Ist es bei Privaten „uncharted territory“? Nicht mehr lange, denn das dürfte Schule machen, sich die Volumen erhöhen und auch im Ausland probiert werden. Auch wenn sich zunächst einige darüber freuen, wenn es der Hedgefonds-Branche etwas ans Leder geht, sie mit gleichen Waffen geschlagen werden. Aber es ist organisiertes Frontrunning, Pump&Dump – und damit Marktmanipulation. Ein Fall für die Regulierungsbehörden, für die SEC. Diese hat mit Gary Gensler einen neuen Chef, anscheinend ein „harter Hund“. It’s your job, Mister Gensler!

Wie war ein Phänomen wie bei der Aktie von GameStop möglich?

By BentleyMall – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25399096



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7 Kommentare

  1. Ich darf hier mal kurz eine Frage stellen: Verabredung zu Zinsmanipulationen geht? Welche Banken mußten wieviel blechen dafür? Und Libor ist sicher nur eine dieser Varianten…

    Außerdem: Wer die Kurse aufmerksam verfolgt, stellt regelmäßig ganz plötzlich zu bestimmten Uhrzeiten verdoppelte Umsätze fest, im Dax gern um 10 Uhr oder im EUR/USD um 8 oder 9 Uhr.

    Ich empfehle übrigens im Bundesanzeiger die Suche nach „Netto-Lehrverkaufspositionen“, immer wieder interessant, wer da auftaucht. Es sollte nicht wundern, wenn Wirecard irgendwann wieder 50€ kostet ;-)

  2. Es hat ganz klar mit fundamentaler Unterbewertung von gme angefangen. Dass der float zu 150% Leerverkaufs war, sorgte natürlich schon vor Monaten für reichlich kursfantasie. Aber es hat keine Absprache gegeben, sondern leidiglich wurde gepostet, in was er investiert hat und seine fundamentalen Gründe dafür. Bitte mal Belege für anderweitig anführen, und jetzt nicht die Presse zitieren, die diese auch schuldig bleibt, wie so gerne

  3. Ebenfalls moechte ich mal Gold und Silber an der Comex erwaehnen …

    Oder auch die Veroeffentlichung irgendwelcher „Research“ Berichte von Leerverkaeufern, die nateurlich wie bei Wirecard wahr sein koennen, aber trotzdem erstmal zur Preismanipulation verwendet werden.
    Nur wenn die Kleinen es machen ist es ein Verbrechen …

  4. @Shong09. Hallo. Sorry, das meinen Sie doch nicht wirklich. GameStop hat Anfang Januar einen Umsatzrückgang beim Weihnachtsgeschäft um 1,8 Prozent auf 1,8 Milliarden Dollar gemeldet. Seither ist der Kurs um 1700 Prozent gestiegen, die Umsätze an der Börse sind nahezu explodiert.
    Die Teilnehmer auf der Plattform hatten erkannt, dass 140 Prozent der Aktien von Gamestop leer gehandelt wurden, was normalerweise nicht möglich sein sollte. Selbst alte Hasen hatten eine solche Quote noch nicht erlebt.
    Die jungen Anleger auf der Plattform Reddit im Forum Wallstreetbets erkannten diese Schieflage und spornten sich gegenseitig an (nachlesbar), die Aktien zu kaufen, um den Plan der Shortseller zu vereiteln, sie zu vernichten. Eindeutig Pump & Dump.
    O-Ton: „For all the big f…..g Hedgefunds monitoring us, this is a message from us to you, we f…..g own you now. F…k you. Go by the f…..g news. Like a comment so they see this post. F…k you Melvin Capital. F…k you Citron Research. You haven’t closed shit. This is gonna down in history.“
    Was für eine Sprache.
    Grüße

  5. Ich habe mich gestern mal kurz bei Reddit im Forum wallstreetbets angemeldet um zu lesen was da wirklich abgeht. Das Fazit vorab: Unterirdischer geht es wirklich nicht mehr !!!

    Ich habe mir das mal alles durchgelesen und mir dann erlaubt einen völlig neutralen Post abzusetzen der weder die shorts noch die Longs betraf. Ihr könnt Euch nicht vorstellen was für eine Lawine an Beleidigungen auf mich einprallten. “ Hurensohn“ war die mildeste Beschreibung was ich las…alles andere erspare ich Euch. Das ist wie in einem psycho Haus. alle drehen durch und feuern sich gegenseitig an noch mehr zu kaufen und auf gar keinen Fall schwach zu werden und verkaufen. NIEMALS verkaufen heisst es und mindestziel ist 1000 Dollar. Und wenn irgendjemand nur ein Wort sagt was diesem Ziel nicht entspricht, der ist sozusagen Vogelfrei und zum Abschuß freigegeben. Diese Leute bezeichnen sich nicht nur als Autisten sndern sagen von sich selbst das sie „behindert “ sind und loben sich in den Himmel dafür. Es ist unfassbar. Als ob über Nacht die Gullideckel geöffnet wurden und die Zombies auf die Straße gelassen wurde. Ich bin kein Freund von Heuschrecken Investoren und mag sie auch nicht besonders. Aber die sind mir tausend mal lieber als so ein Psychophaten Haufen der völlig außer Kontrolle geraten ist. Bleibt nur zu hoffen das sie blutig das Börsenparkett verlassen. Wird Zeit das sich diese Generation die Lehre abholt die sich bislang jede Generation holen musste. Auch ich habe diese Lektiuon im jahr 2000 erhalten :-)

  6. Wo der wütende Mob auf Hochfinanzgauner trifft, geht es nicht zimperlich zu.

  7. …im Endeffekt ist das dann wahrscheinlich auch das Ende der Fahnenstange…wenn sich Shortseller trotz sichtbarer Übertreibungen nicht mehr vollumfänglich in den Markt trauen können, weil sie vielleicht durch „unsichtbare“ Gegner angegriffen werden, dann gibt es auch keine Potentiale mehr nach oben…das wäre dann das Ende des Goldrausches…

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