Der Gaspreis am Terminmarkt ist in den letzten Tagen regelrecht kollabiert. Neben den realen Ängsten vor einem echten Engpass bei Gas in Europa kam wohl noch jede Menge Spekulation auf immer höhere Preise dazu, was den Gaspreis wochenlang immer weiter antrieb bis zum 22. Dezember. Und dann wurde bekannt, dass zahlreiche Tanker mit Flüssiggas Richtung Europa gelenkt werden, weil dank der hohen Preise hier gutes Geld zu verdienen ist. Das war die große Erlösung für den hiesigen Gasmarkt.
Wochenlang lebte man in Angst vor einem in der Tat möglichen Engpass beim Gas, weil aus Russland einfach zu wenig Gas durch die Leitungen geliefert wurde. Aber diese Nachricht, dass nun aus Übersee jede Menge Flüssiggas in Tankern im Anmarsch ist, brachte die große Erleichterung. Die Aussicht auf Gas-Lieferungen per Tanker als Entlastung für fehlendes Gas aus Russland ließ den für Europa entscheidenden Terminmarktpreis Dutch TTF (aktueller Kontrakt für die Februar-Lieferung) seit dem 22. Dezember vom Hochpunkt bei 176 Euro auf heute 68,60 Euro fallen – mal eben ein Absturz um 61 Prozent in nur 6 Handelstagen – das ist eine deftige Bewegung!
Experten wie Javier Blas und Stephen Stapczynski verweisen darauf, dass das derzeit milde Wetter in Europa die Lage im Gaspreis ebenfalls entspannt. Denn die Logik ist simpel. Je wärmer es ist, desto weniger stark werden die Heizungen aufgedreht. Aber man denke nur wenige Tage zurück, wo wir in Deutschland tagelang kräftige Minusgrade erlebten. Kommt ein erneuter Wetterumschwung Richtung Minusgrade, löst sich dieses Argument für eine Entspannung im Gaspreis schnell wieder in Luft auf. Aber ebenfalls gibt es das Argument, dass derzeit viele Unternehmen weniger produzieren, und daher weniger Gas nachfragen – ironischerweise ist dies begründet im dramatisch gestiegenen Gaspreis. So kann sich ein Markt selbst regulieren.
Der Experte Tom Marzec-Manser verweist aktuell darauf, dass die Gas-Zuflüsse aus Russland nach Nordwest-Europa gering sind – aber dass die Lagerbestände für Gas in Europa über die Feiertage zugenommen haben. Also ist der Terminmarkt derzeit dank der Wetterlage sehr entspannt, obwohl Russland weiterhin wenig Gas liefert. Schauen wir auf den TradingView Chart am Ende des Artikels. Wir sehen den Kursverlauf im Dutch TTF Gaspreis in den letzten 12 Monaten. Der jetzige Kurssturz ist drastisch, und die Gewinne der letzten Wochen sind dahin. Aber im Vergleich von vor genau einem Jahr ist es immer noch ein spürbarer Anstieg von 20 auf gut 70 Euro. Gut möglich wäre es auch, dass dieser Kurssturz wiederum eine Übertreibung ist, nur diesmal auf der Abwärtsseite.
GasDay 3-Jan: #Gazprom #natgas flows to NW-Euro could be lowest in over 3yrs (outside planned maintenance) down 36% since start of Dec. BUT Euro storage on the up over holidays and #NBP balancing price crashed to zero on NYD, forcing cut in Norway production. #TTF #ONGT 1/2 pic.twitter.com/QVKwWZJGcu
— Tom Marzec-Manser (@tmarzecmanser) January 3, 2022
European natural gas prices have dropped 60% in the last eight days, the longest losing streak in nearly a decade 📉📉
A bunch of liquefied natural gas is headed to the continent just as industrial shutdowns and warm weather curb demandhttps://t.co/p7Ktmlla9y pic.twitter.com/NtKv6pxWe7
— Stephen Stapczynski (@SStapczynski) January 1, 2022
EUROPEAN ENERGY CRISIS: Mild winter temperatures pushes European natural gas benchmark TTF further down on Friday, trading at €70 per MWh, down 20% from Thursday (do note rather thin Christmas period trading). Two weeks ago, it was at €188 per MWh
— Javier Blas (@JavierBlas) December 31, 2021
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Die Entwicklung war ganz klar eine Übertreibung, da wegen der Feiertage weder Industrie, noch Kraftwerke an den Feiertagen Bedarf für Gas hatten. Einzig die Speicherbetreiber kamen als Abnehmer in Frage.