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Gas so teuer wie nie – wer hat Schuld an der Preisrallye?

Für Putin ist klar, dass die Europäer den Anstieg der Gaspreise selbst verursacht hätten

Gas-Flamme

Pegeln sich Energiepreise auf ein Dauerhoch ein, erwartet Josep Borrell, Vizepräsident der Europäischen Kommission, ein düsteres Bild. „Die Energiepreise sind aufgrund globaler Angebots- und Nachfrageprobleme in die Höhe geschossen. Die Gaspreise in der EU sind sechs- bis zehnmal so hoch wie vor einem Jahr und belasten die Strompreise aufgrund der Preisbildung am Stromgroßhandelsmarkt in Europa stark. Das hat bereits Ende 2021 die Inflation angekurbelt. Wenn die Energiepreise das ganze Jahr 2022 über hoch bleiben und zu einer höheren Inflation führen, wird dies die Erholung nach der Pandemie ernsthaft beeinträchtigen“, warnt er in einem Beitrag am 6. Februar beim diplomatischen Dienst der Europäischen Union EAD. Schauen wir auf das Thema Gas, und wo die Ursachen für die Preisrallye zu suchen sind.

Aussage aus Österreich zum Thema Gas

Doch wer dreht an der Gaspreisschraube? Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer gab darauf jüngst in Wien in einer aktuellen Stunde im Bundesrat eine klare Antwort. „Offensichtlich gab es eine sehr gut akkordierte Strategie vonseiten der Russischen Föderation und dem Gazprom-Konzern. Die Energiespeicher wurden nur bedingt gefüllt, was dazu führt, dass sich der Gaspreis tatsächlich dramatisch erhöht hat“, brachte es Nehammer auf den Punkt. Die Versorgungslage sei gesichert, aber die Lage durch die Preise jetzt angespannt. „Gas ist so teuer wie noch nie.“ Deswegen könne Deutschland Strom von Braunkohlekraftwerken günstiger ins Netz einspeisen als Strom aus Gaskraftwerken, „was an sich schon eine Perversion darstellt. Das heißt, es gibt eine sehr ungute Gemengelage, was das Thema Energiekosten betrifft.“

Berlin sieht keine Gefahr

In Berlin blieben Antworten auf Fragen zum Füllstand der Gasspeicher wage. In der Regierungspressekonferenz am 2. Februar erklärte der Pressereferent vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Säverin, „dass die derzeitigen Füllstände in den Speichern nicht besorgniserregend sind. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.“ Nach Zahlen von „Gas Infrastructure Europe“ waren die Speicher in Deutschland Anfang Februar nur noch zu gut 35 Prozent gefüllt. Ein Gutachten vom Bundeswirtschaftsministerium hält eine 40-prozentige Speicherreserve für eine siebentägige Kältephase für nötig. Dazu befragt, antwortete Säverin: „Das kann ich persönlich nicht beurteilen. Ich kenne das Gutachten im Einzelnen nicht. Wenn es unter gewissen Voraussetzungen zu dem Schluss kommt, dass bei einer gewissen Außentemperatur und der sonstigen Wetterlage ein kritischer Füllstand bei 40 Prozent liegt, dann wird das stimmen. Das mag ich jetzt hier von meiner Kompetenz her nicht bestreiten.“ Daraus lasse sich keine Gefahr für die Versorgung ableiten. Erneut bekräftigte Säverin, dass die aktuellen Füllstände ausreichen.

Gasspeicher-Anbieter nimmt Stellung

Der Betreiber VNG-Gasspeicher verweist in einer Stellungnahme auf ungewöhnlich niedrige Speicherfüllstände in diesem Jahr, „was in Kombination mit den derzeit hohen Gaspreisen zu großer medialer Aufmerksamkeit führt. Da uns wiederholt besorgte Anfragen zu den Gründen für die aktuell angespannte Situation auf dem Gasmarkt erreichen, möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es uns von Gesetzes wegen untersagt ist, eigenes Gas zum Zwecke der Versorgung von Gaskunden zu erwerben und zu speichern.“ Speicherbetreiber müssten die Speicherkapazitäten bereitstellen und für den ordnungsgemäßen Betrieb sorgen. Einfluss auf gespeicherte Gasmengen und Füllstände hätten sie nicht.

Russland sieht Schuld bei Europäern

Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist indes klar, dass die Europäer den Anstieg der Gaspreise selbst verursacht hätten. Deutlicher wird an diesem Punkt der Vizeprämier Alexander Nowak. Laut russischen Medien sagt er, dass die Europäische Kommission eine bewusste Politik der Abkehr von langfristigen Verträgen hin zu Spotverträgen betrieben habe. Doch Lieferungen nach Spotverträgen gingen dorthin, wo die Preise höher seien. Sie böten keine mittelfristige Planbarkeit. Russland sei bereit, mehr Gas zu fördern und nach Europa zu exportieren. Um nötige Investitionen hierfür abzudecken, brauche der russische Gasexporteur Gazprom allerdings Langfristverträge. Als im Sommer 2021 Gas in unterirdische Speicher gepumpt werden musste, ging verflüssigtes Erdgas LNG im Rahmen von Spotverträgen auf andere wirtschaftlich attraktivere Märkte, so der stellvertretende Ministerpräsident weiter und wies darauf hin, dass die Vereinigten Staaten, Katar und Australien LNG zuvorderst in den asiatisch-pazifischen Raum geliefert hätten.

Gaspreis mit heftigen Turbulenzen

Zugleich machte sich im Sommer der Preisanstieg am europäischen Terminmarkt Dutch TTF schon deutlich bemerkbar. Wie es die Zweijahresübersicht zeigt, hatte sich der Preis für Gas Futures im letzten Jahr von April bis Mitte August bereits auf 40 Euro verdoppelt. Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass Energieversorger am Markt vorsichtig agierten und weniger Gas einkauften und einspeicherten. Am 21. Dezember erklomm der Preis mit 166,8 Euro einen Peak und lag jetzt zuletzt bei 81,46 Euro. An jenem Tag im Dezember stellte Gazprom seine Buchungen für Transportmengen über die Gasleitung Jamal-Europa weitestgehend ein. Entgegen Spekulationen bestätigt Borrell, dass Russland in den letzten Wochen seine vertraglichen Verpflichtungen strikt erfüllt habe. Jedoch habe sich Gazprom geweigert, zusätzliches Gas zum Wiederauffallen europäischer Speicher zu liefern, was zu weiterer Nervosität auf dem Markt geführt habe. Nach jüngsten Angaben der russischen Bundeszollbehörde exportierte Gazprom im letzten Jahr 203,5 Milliarden Kubikmeter Gas zu einem Durchschnittspreis von 272,8 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas. Im Dezember betrug der Preis 517,8 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas gegenüber 156,6 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas im Dezember 2020. Jüngst hat Gazprom mit China eine deutliche Erweiterung der Lieferungen vereinbart.



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3 Kommentare

  1. Gas – BK Nehammer. OMV ist ein teilstaatliches Unternehmen, hat eigene Gasfelder in Russland. Zusätzlich betreibt die OMV auch einen von 7 GasHandelsplätzen der EU.
    Im Regelfall wird bei Gazprom die Pipe eingebucht. Die E-Control (Österr. Behörde) rechnet im laufenden Jahr mit „Entspannung am Gasmarkt“, weist im selben Statement auf einen Lagerbestand von etwas 20% hin. Die EU ist der grösste Gasmarkt der Welt, mit einem Lagerbestand gesamt unter 30%.
    141 Unternehmen haben die Möglichkeit (Eigene Felder, Kontrakte, Verträge …) Upstream zu buchen, Gazprom liefert, das hat der Kreml auch immer wieder bestätigt, von seiten der EU oder Unternehmen gibt es keinen
    Widerspruch.
    Interessant ist nicht nur CNG, sondern auch LNG. LNG gestern gab es den ersten negativen Wert für LNG Vessels (750USD/Tag).
    Entschuldigen Sie bitte meine holprige Schreibweise, es ist aktuell nicht einfach Information zu plazieren ohne jemanden „in die falsche Position“ zu bringen.
    Ich möchte noch darauf hinweisen, NS2 ist ein rein Politisches Thema und erst in den nächsten Jahren relevant. Vergleichen sie Bitte die Traffic, UP/Downstream der anderen 14 Pipes (Ohne FRA/ESP/NL).
    Bis vor dem Wochenende gab es in Punkto UA im Russischen TV entspannte Berichterstattung, das hat sich geändert, es wird in verschiedenen Medien über Barbarossa2 gesprochen.
    …. Und einen hab ich noch, für alle die sich zum Thema Urkaine/Russland/China interessieren. Joint Statement XI/Putin vom Freitag.

    LG Blümchen

    http://en.kremlin.ru/supplement/5770

  2. Amerikanisches Gas ist jedenfalls in extremer Backwardation, für US-Gas erwartet also der Markt stark fallende Preise. Vor diesem Hintergrund kann man doch durchaus Langfristverträge schließen, da diese auf normalem Niveau sind. Irgendwie paßt das alles nicht zusammen.

  3. @Roland Höltgen – Eine Markteinschätzung ist schwierig, ein Satz eines Protagonisten kann die Situation schnell ändern.
    Was jedoch der EU Kommision „The New Green Deal“ anzulasten ist, 4 Energieformen, Kohle, Öl, Gas und Strom auf die lezten beiden zu reduzieren macht natürlich den Markt eng. Wo sind die Lösungen, Angebote, Möglichkeiten der Kommission ?
    Langfristige Verträge ? Haben wir, müssen nur bedient werden.
    Was nicht zusammenpass ist, es wird nicht geliefert weil nicht bestellt wird, LNG und CNG das selbe. Lange kann diese Situation nicht aufrecht erhalten werden.
    Bessere Option in einem 5 Jahres Fenster ist in jedem Fall ECF, billiger Hedge.
    Schmunzeln bereitet Moldau. Eigentlich immer RU zugeordnet Finanzen, Banken, Energie Telco … nun hat sich die EU als Sponsor eingeschaltet. Die Landwirtschaftsministerin „bedankt“ sich damit, dass der Export von Eiern in die Föderation bis auf weiteres untersagt ist. Skurrile Ostblüten

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