Premier Robert Fico teilte in sozialen Netzwerken mit, dass die Slowakei kein Gas in die Ukraine liefert. Damit will er sich bei seinem erklärten Feind, Präsident Wolodymyr Selenskyj, revanchieren, weil dieser den Transit von russischem Gas zum Jahresbeginn eingestellt hatte. Wie Ungarns Premier Victor Urban setzt sich Fico vehement für russische Gaslieferungen ein und will die Ukraine und die EU zum Einlenken bewegen.
Umgekehrter Gasfluss führt zu Mangel an Gas
„Die Slowakei liefert kein eigenes Gas in die Ukraine. Damit würde ich niemals einverstanden sein, nachdem Präsident Selenskyj uns gezeigt hat, dass er einseitig den Transit russischen Gases durch die Ukraine in die Slowakei und weiter nach Europa gestoppt hat“, sagte Fico in seiner Ansprache auf Facebook am 12. Februar. Die Europäische Kommission informierte Fico, dass es Probleme mit ausländischen Lieferanten geben könnte, die russisches Gas in Europa kaufen würden und es dann laut europäischer Gesetzgebung über die Pipeline von Vojany in die Ukraine transportieren ließen. Täglich seien es etwa 7,5 Millionen Kubikmeter. Ficos Ansicht nach ist das viel, da der umgekehrte Gasfluss von Westen nach Osten einen Mangel in Europa verursacht und zu enormen Preissteigerungen führt.
Glaubwürdigkeit der EU steht auf dem Spiel
„Heute sind es schon etwa 60 Euro pro Megawattstunde (MWh), und die Preise werden noch höher gehen, weil die Ukraine leere Speicher hat und einen großen Verbrauch.“ Wenn die Organe der EU diese Nachteile, die Gaspreiserhöhungen für Mitgliedsstaaten wegen der Ukraine tolerieren würden, „dann sollten sie sich nicht wundern, dass die Glaubwürdigkeit der Institutionen der Europäischen Union weiterhin sinkt,“ kritisierte Fico.
In Brüssel setzt er sich wie sein ungarischer Amtskollege Victor Orban für die Wiederaufnahme des Gastransits der Ukraine ein. Auf Fragen von Journalisten, ob Brüssel auf die Ukraine Druck ausübe, um den Gastransit wieder aufzunehmen, erklärte die Vertreterin der Europäischen Kommission, Anna-Kaisa Itkonen, Medien zufolge im Februar: „Ich kann nur bestätigen, dass wir daran arbeiten, die Sicherheit der Energieversorgung der betroffenen Länder zu gewährleisten, aber wir haben auch immer daran gearbeitet, waren in Kontakt mit der Slowakei, Ungarn und anderen betroffenen Ländern … In naher Zukunft werden wir einen Plan vorlegen, um vollständig auf russische fossile Brennstoffe zu verzichten“, sagte sie.
Fico und Orban werden derweil nicht müde, die EU und die Ukraine zu kritisieren, die seit letzten Dezember ihre Drohnenangriffe auf russische Energieinfrastruktureinrichtungen verstärkte, um die Einnahmen für die Kriegskasse von Russland empfindlich zu treffen. Darunter sind Pumpstationen an der Druschba-Pipeline und der Schwarzmeergasleitung Turkstream, über die die Slowakei und Ungarn Öl und Gas aus Russland beziehen. Nach Frankreich sind beide Länder aktuell die größten Einkäufer von russischem Öl und Gas. Das geht aus dem letzten Monatsbericht des Zentrums für Energie und Saubere Luft CREA hervor.
Slowakei an Turkstream angeschlossen
Seit Februar bezieht die Slowakei russisches Gas über Turkstream, die auf dem Festland von der Türkei nach Bulgarien und vorn dort nach Serbien und Ungarn führt. Im letzten Jahr importierte Ungarn auf dieser Route 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas. Fico erklärte jüngst im Februar mit, dass die russischen Gasimporte über Turkstream dank Unterstützung von Moskau und Ankara wieder aufgenommen werden konnten. Beiden Ländern hatte er im Vorfeld einen Besuch abgestattet. Besonders sein Besuch in Moskau im letzten Dezember zog im Inland Proteste nach sich, so dass sein politisches Amt ins Wanken geraten ist.
„Die russische Seite hat bestätigt, dass die 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas, die sie liefern muss, geliefert werden. Es gibt die südliche Gasroute, und es gibt andere Möglichkeiten“, sagte Fico im TV-Kanal TA3 im Januar. Er fügte hinzu, dass die Speicher im Land derzeit voll seien und auch Diversifizierungsverträge vorlägen. An das Gasnetz des Nachbarn Ungarn ist die Slowakei durch eine Verbindungsleitung angeschlossen. Die Durchleitungskapazität soll hier bis April von 2.63 auf 3.5 Milliarden Kubikmeter im Jahr steigen.
Investitionen für Transportkapazitäten für Gas aus dem Süden nötig
Diese Verbindungsgasleitung zählt zum Projekt vom Vertikalen Korridor, der für die Diversifizierung der Lieferquellen der EU und den Ausstieg aus russischen Gaslieferungen vorgesehen ist. Im Januar 2024 hatten sich die Gasnetzbetreiber der Ukraine und Moldau diesem Projekt angeschlossen, über den in umgekehrter Richtung Gas aus Süden nach Norden durchgeleitet werden soll. Im September 2023 starteten die Gasnetzbetreiber Griechenlands, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei die Initiative zum Vertikalen Korridor.
Zentral ist dabei die Nutzung der Transbalkan-Gasleitung, über die die Türkei vor der Inbetriebnahme von Turkstream russisches Gas über die Ukraine bezog. Das gesamte System kann bidirektional betrieben werden. Doch der physikalische Gasfluss von Süden nach Norden ist nur in begrenztem Umfang möglich. Um ihn, d. h. von Rumänien nach Norden, auf 25 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr zu erhöhen, sind laut einer Studie mehrere Investitionsprojekte erforderlich, darunter der Neu- und Umbau von Verdichterstationen.
Die Türkei spekuliert darauf, dass die betreffenden Netzbetreiber und EU dafür Geld in die Hand nehmen, damit sie mehr Gas nach Europa durchleiten kann. Das wiederum öffnet eine Tür auch für mehr russisches Gas. Ob sich eine Gesetzesvorlage in der Ukraine, die Herkunftsnachweise etwa für Gas aus Aserbaidschan vorsieht, als praktikabel erweist, ist fraglich. Solange russisches Gas, ob per Schiff oder Pipeline, auf den Kontinent gelangt, mischen sich die Gasmoleküle.
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