Märkte

Gaspreis am Terminmarkt erstaunlich entspannt – zu früh gefreut?

Flammen auf einem Gasherd

Russland pumpt nach wie vor auffallend wenig Gas nach Europa. Dies kann man, wenn man will, mit der angespannten Lage rund um die Ukraine in Verbindung bringen. Dennoch zeigt sich der europäische Gaspreis Dutch TTF derzeit erstaunlich entspannt. Aktuell notiert der Preis für Gas für die Februar-Lieferung bei 73,15 Euro. Im Vergleich zum Vorjahr (damals 20 Euro) ist das zwar ein dramatischer Anstieg – aber im Vergleich zu den letzten Tagen und Wochen ist das ein entspanntes Preisniveau, wenn man an Preise von über 170 Euro noch kurz vor Weihnachten denkt. Die große Spekulationsblase ist geplatzt, aber dennoch zeigt sich auch kurzfristig Entspannung im Gaspreis.

Gaspreis zu entspannt bei den verknappten russischen Lieferungen?

Gestern hatten wir Detaildaten von den Energieexperten der Commerzbank präsentiert, die klar aufzeigen, dass die europäische Abhängigkeit von russischem Gas noch für lange Zeit bestehen wird – auch wenn das mögliche Maximum an Flüssiggas aus Übersee in europäischen Häfen angelandet wird. Die Kapazitäten bei den Produzenten und an den Terminals ist einfach nicht vorhanden um Russland komplett zu ersetzen. Auf ganz lange Sicht könnte man die Kapazitäten zwar deutlich ausweiten. Aber auf Sicht von mehreren Monaten ist da nichts zu machen. Daher bleibt die Frage, warum der Gaspreis derzeit so entspannt notiert, wo sich doch die Ukraine-Krise nicht entspannt hat – auch der gestrige Besuch von Annalena Baerbock in Moskau hat (oh Wunder) keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Chart zeigt Kursverlauf im Dutch TTF Gaspreis seit September 2021 TradingView Chart zeigt Kursverlauf im Dutch TTF Gaspreis seit September 2021.

Optimismus durch viel Flüssiggas und China-Reserven

Kurzfristig scheint der Terminmarkt offenbar daran zu glauben, dass die massiven Lieferungen von Flüssiggas per Tanker aus Übersee dazu führen, dass die sich Lage um die sich leerenden Gasspeicher in Europa entspannt – wie gesagt, kurzfristig! Im großen Bild bleibt die Abhängigkeit von Russland aber bestehen. Frische Daten (siehe Tweets) zeigen in den letzten Tagen gestiegene Gasdurchleitungen ausgehend von Terminals, wo geliefertes Flüssiggas wieder in seinen ursprünglichen Zustand umgewandelt wird. Dem gegenüber stehen die fallenden Lieferungen an Gas durch die Pipelines aus Russland.

Aber offenbar ist der Glaube am Terminmarkt an kurzfristig viel neues Flüssiggas so groß, dass der Gaspreis zuletzt leicht fallen konnte. Unterstützend für diese Entspannung kommt hinzu, dass China offenbar Gas aus Lagertanks auf den Markt wirft. Gut gefüllte Lager erlauben es den Chinesen offenkundig für eine weitere Entspannung am Gasmarkt zu sorgen. Es ist die einfache Marktlogik – Erweiterung der Angebotsmenge bringt den Gaspreis zum Fallen. Auch wenn dies in Asien stattfindet: Durch ein dort höheres Angebot könnten damit noch mehr Tanker für Flüssiggas nach Europa umgeleitet werden. Wie so etwas aussieht, zeigt die Karte im ersten Tweet. Ende November startete ein Flüssiggas-Tanker in Texas, fuhr durch den Panama-Kanal Richtung Asien. Als man Hawaii schon hinter sich gelassen hatte, explodierten im Dezember die Gaspreise in Europa, und so lenkte man den Tanker um. Er fuhr zurück durch den Panama-Kanal, und ist nun in Großbritannien angekommen. Wo mehr Geld zu verdienen ist, wird das Produkt hingeleitet. Aber so reguliert sich ein Markt auch wieder von selbst. Durch hohe Preise wird mehr Ware angelockt. Wenn dann mehr Ware da ist, kann der Preis wieder sinken. Im Gaspreis ist das kurzfristig mustergültig abzulesen.

Experten: Niedriger Preis für Gas überraschend

Die Experten der Commerzbank zeigen sich heute überrascht bei dem zuletzt gefallenen Dutch TTF Gaspreis am Terminmarkt, angesichts der weiteren Zuspitzung des Russland-Ukraine-Konflikts. Das Treffen von Deutschlands Außenministerin Baerbock mit dem russischen Amtskollegen Lawrow habe gestern keine Annäherung gebracht. Die deutsche Regierung habe damit gedroht die fertiggestellte Erdgaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen (wird seit November von der Bundesregierung blockiert), sollte Russland die Ukraine angreifen. Zudem seien die russischen Gaslieferungen über die Jamal-Pipeline nach Deutschland seit einem Monat zum Erliegen gekommen. Laut dem Netzwerkbetreiber Gascade fließt das Erdgas seit dem 21. Dezember sogar in die umgekehrte Richtung von Deutschland nach Polen. Man verweist auf die gestern von der Commerzbank veröffentlichte Publikation, die zeigt, wie abhängig Deutschland und Europa von russischem Erdgas ist und dass es kaum möglich sei, dieses kurzfristig durch andere Anbieter zu ersetzen.

Kurz-Fazit

Der Terminmarkt glaubt zumindest aktuell daran, dass die umfangreichen Flüssiggas-Lieferungen Europa „über den Winter retten“. Deswegen entspannt sich auch der Gaspreis. Aber im großen Bild, da bleibt die Verknappung der Gas-Lieferungen aus Russland. Die Lage am Terminmarkt kann sich schnell wieder ändern, wenn sich zum Beispiel der Ukraine-Konflikt weiter verschärft, wenn doch weniger Flüssiggas aus Übersee in Europa angeliefert wird als gedacht usw. Es könnte sich also um eine zu oberflächliche Freude handeln, die man im seit Tagen fallenden Gaspreis ablesen kann.



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage