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Warum der Gaspreis am Terminmarkt 67 Prozent in 30 Tagen steigt

Der Gaspreis am europäischen Terminmarkt ist in 30 Tagen um 67 Prozent gestiegen. Schauen wir auf Nord Stream 1 und andere Faktoren.

Tanker für die Anlieferung von Flüssiggas

Der Gaspreis am europäischen Terminmarkt (Dutch TTF-Kontrakt) ist in den letzten 30 Tagen von 90 Euro auf heute früh 150 Euro gestiegen – das ist ein Plus von 67 Prozent! Schauen wir auf die Nachrichtenlage und die um sich greifende Angst bezüglich Nord Stream 1.

Gaspreis steigt weiter an – die Angst geht um wegen Nord Stream 1

Im Rahmen der alljährlichen Inspektion wird die Ostseepipeline Nord Stream 1 ab dem 11. Juli von Gazprom komplett stillgelegt. In dieser Zeit strömt gar kein Gas mehr durch Nord Stream 1 nach Deutschland. Eigentlich sollte der Gasfluss nach den Wartungsarbeiten Ende Juli wieder aufgenommen werden. Da die Durchleitungsmenge aber bereits im Vorfeld der Leitungsinspektion deutlich gefallen ist, befürchtet man am Terminmarkt ein geopolitisches Spiel Russlands – dies ist einer der Hauptgründe für den zuletzt steigenden Gaspreis. Diese Unsicherheit vor Verknappung wird eingepreist.

Bleibt die Fördermenge an Gas auch nach der Wartung im Keller, könnte es mit dem Gaspreis zügig weiter bergauf gehen. Denn dann wird es erst richtig ernst auf dem europäischen Gasmarkt. Dann beginnt das globale Hauen und Stechen erst recht. Woher soll Europa dann (in großem Umfang) Ersatzmengen beschaffen, um die Lager für den Winter weiter aufzufüllen? So ein Nachfragedruck sorgt an einem freien Markt nun mal für steigende Preise. Es ist die Frage aller Fragen, auf die man endlich eine Antwort haben möchte. Wird Wladimir Putin Nord Stream 1 nach Ende der Wartung als geopolitische Waffe gegen Europa einsetzen?

Freeport-Ausfall dauert wohl länger

Dass die Lage im europäischen Terminmarkt-Gaspreis so nicht auf andere Märkte übertragbar ist, zeigen die USA. Im folgenden Chart sehen wir in rot-grün den Dutch-TTF-Gaspreis für Europa, wie er die letzten 30 Tage um 67 Prozent angestiegen ist. In blau sehen wir den deutlich gefallenen US-Gaspreis. Dies hat einen ganz speziellen Grund. Seit Wochen „jubelt“ der US-Gasmarkt quasi darüber, dass mit Freeport in Texas der zweitgrößte Verladeterminal für Flüssiggas in den USA durch eine Explosion und einen Brand am 8. Juni ausgefallen ist, und noch monatelang offline bleiben wird. Somit wird die in den USA verbleibende eingelagerte Menge an Gas deutlich steigen, weil bedeutende Teile der für den Export vorgesehenen Gasmengen in den USA verbleiben müssen.

Was in den USA für Erleichterung am Terminmarkt sorgt, schürt in Europa die Verknappungsängste umso mehr, und facht den Gaspreis weiter an. Gestern wurde bekannt, dass der Ausfall von Freeport in Texas wohl noch länger dauern wird als bislang angenommen. Denn die „US Pipeline Hazardous Materials Safety Administration“ erklärte, das dieser zweitgrößte Verladeterminal von Flüssiggas in den USA, der für gut 20 Prozent der US-Exportmenge steht, nicht ohne schriftliche Genehmigung mehrerer US-Behörden wieder in Betrieb genommen werden kann.

Der Betreiber des Verladeterminals erwartete bisher das teilweise Wiederhochfahren der Anlage für September – laut gestrigem Statement rechnet er nun mit Oktober. In der vergangenen Woche wurden rund 82 Milliarden Kubikmeter Gas in den US-Gasspeichern hinzugefügt, während die Erwartungen laut Aussage der Experten der Saxo Bank bei 75 Milliarden Kubikmetern lagen. Das zeigt, dass von dem nicht exportierten Gas wohl vermehrt Mengen in die Speicher in den USA wanderten, anstatt in die Gasspeicher in Europa.

Europäischer und US-Gaspreis im Verlauf der letzten 30 Tage

Expertenaussagen

Die Experten der Commerzbank sagen mit Blick auf den steigenden Gaspreis, dass man mit Spannung auf die täglichen Gasliefermengen aus Russland schauen wird, bevor die Lieferungen über die Nord Stream-Pipeline Anfang übernächster Woche aufgrund von Wartungsarbeiten für 10 Tage unterbrochen werden. Eine weitere Drosselung der Gasflüsse würde den Lageraufbau für den Winter erschweren und ihrer Aussage nach den Gaspreis weiter steigen lassen.

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Die Commerzbanker erwähnen auch, dass es Befürchtungen gibt, dass Russland die Lieferungen von Gas drosseln könnte als Vergeltung auf die jüngst von den G7 beschlossene Preisobergrenze für russische Öllieferungen. Dann würde es schwierig werden die Gasvorräte für den Winter weiter aufzufüllen. Der Aufbau der Lagerbestände habe sich trotz der reduzierten Gaslieferungen – wenn auch mit etwas geringerem Tempo – bis zuletzt fortgesetzt.

Laut dem Experten Stephen Stapczynski ist der europäische Gaspreis am Terminmarkt in den letzten Tagen so kräftig gestiegen, weil der Markt von russischen Lieferausfällen „heimgesucht“ wird. Russische Unterbrechungen Anfang Juni verschärften demnach die Lage am Markt, und überschatteten die geringe Sommernachfrage und die starken LNG-Importe. Die Lage werde noch schlimmer werden, wenn Russland alle Lieferungen einstellt (über die Pipeline Nord Stream 1).



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5 Kommentare

  1. Naja, das LNG-Gas wird an Indien verkauft, damit es mit einem Aufschlag weiter an Europa verkauft werden kann.

    Putin festigt Griff um LNG-Produktion

    https://www.n-tv.de/23436177

    1. @Helmut
      Ist das Geschwafel mit Indien jetzt dein neuer Dauer-Running-Gag, den du zu jedem nur erdenklichen Thema anbringen musst? Das ist genauso unwahr, wie deine Behauptung, Deutschland importiere KKW-Strom aus der Ukraine. Verbreite bitte Fakten oder lass‘ es einfach bleiben.

    2. „…Aus Sachalin-2 kommen rund vier Prozent der weltweiten Produktion von Flüssiggas…“

      Mein Gott @Helmut…vier Prozent…🙄…deswegen braucht man jetzt auch keinen Aufstand machen.

      1. Wie Indien russisches Öl in Europa verkauft

        https://www.n-tv.de/23415244

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