Die Gewinnprognosen der Analysten über einen Zeitraum von 12 Monaten sind nach wie vor so hoch wie nie zuvor, was das Vertrauen in eine sanfte Landung der US-Wirtschaft durch die Fed widerspiegelt. Doch das wird wohl nicht so bleiben, die hohen Gewinnschätzungen dürften allmählich korrigiert werden. Mit der Frage, ob die Aktienmärkte die Rückgänge der Gewinne verkraften können, hat sich der größte Vermögensverwalter der Welt BlackRock beschäftigt.
Noch feiern die globalen Aktienmärkte eine große Börsenparty, nachdem die US-Notenbank eine Jumbo-Zinssenkung vollzogen und China die Märkte mit einer Stimulus-Bombe überrascht hat – aber bleibt das so?
Gewinne sinken, Aktienmärkte auch?
Während die Gewinnprognosen der Unternehmen weltweit für den Rest des Jahres optimistisch erscheinen, werden die Aktienmärkte laut Helen Jewell von BlackRock wahrscheinlich in der Lage sein, vorerst moderate Rückstufungen zu verkraften.
„Die Gewinnprognosen für 2024 wurden in die zweite Jahreshälfte verschoben. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn diese Prognosen ein wenig nach unten korrigiert würden“, so Jewell, Chief Investment Officer bei BlackRock Fundamental Equities EMEA. „Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Aktienmärkte fallen werden“, fügte sie hinzu und verwies auf die Bewertungen, die ihrer Meinung nach „nicht wahnsinnig hoch“ seien.
„Die Gewinne der Unternehmen können sinken, und die Aktien-Bewertungen werden dadurch ein wenig ansteigen, um diese Erwartung auszugleichen“, sagte die BlackRock-Analystin in einem Interview.
Die Aktienmärkte sind in diesem Jahr gestiegen, obwohl Sorgen über eine mögliche Rezession und eine schwächere Verbrauchernachfrage in den USA die Aussichten für die Unternehmensgewinne getrübt haben. Analysten erwarten nun, dass die Gewinne des S&P 500 im Jahr 2024 um etwa 9 % steigen werden, was etwas unter der Prognose von 11 % vom Dezember liegt, wie aus den von Bloomberg Intelligence zusammengestellten Daten hervorgeht.
Analysten erwarten, dass sich das Gewinnwachstum im dritten Quartal auf 4,4 % verlangsamen wird, bevor es in den letzten drei Monaten des Jahres um 10 % ansteigt. Die Erträge des dritten Quartals werden zunächst im Mittelpunkt stehen, da die Zweifel an der Wirtschaft wachsen. Ein Index der Citigroup zeigt, dass seit Ende Juni mehr Analysten ihre globalen Erwartungen herab- als heraufgestuft haben.
Aktienmärkte mit Rekordlauf
Gleichzeitig erklimmen die US-Aktienmärkte und der MSCI All-Country World Index immer neue Rekordstände, was auf den Optimismus zurückzuführen ist, dass Fed-Chef Powell und seine Kollegen rechtzeitig mit der Senkung der Zinsen begonnen hat, um einen wirtschaftlichen Abschwung zu vermeiden. Nach Angaben von Bloomberg ist der World-Index mit dem 18-fachen des voraussichtlichen Gewinns bewertet, das KGV liegt also ein gutes Stück über dem 20-Jahres-Durchschnitt von rund 15.
Die Gewinnschätzungen der Analysten über einen Zeitraum von 12 Monaten sind nach wie vor so hoch wie nie zuvor, was das Vertrauen in eine sanfte Landung widerspiegelt. Wirtschaftsprognosen zufolge wird sich das reale Bruttoinlandsprodukt der USA bis 2025 auf 1,7 % abschwächen, bevor es im darauffolgenden Jahr wieder anzieht. Im kurzen Zeitfenster müssen die Aktienmärkte wohl mit Gegenwind rechnen , da auch die anstehende US-Präsidentschaftswahl für Unsicherheit sorgen kann.
In Europa sind die Prognosen der Analysten für die Gewinne der Stoxx-600-Unternehmen im Jahr 2024 seit Anfang des Jahres sogar um 2,8 % gesunken, wie aus den von BI zusammengestellten Daten hervorgeht. Der Wirtschaftsaufschwung in der Eurozone kommt einfach nicht richtig in Gang, was vor allem an der Schwäche der deutschen Wirtschaft liegt, diese dürfte das zweite Jahr in Folge in einer milden Rezession verharren. Nichtsdestotrotz erreichte der Deutsche Aktienindex (Dax) im heutigen Handel ein neues Allzeithoch bei 19.169 Punkten.
Fragile Aktienrallye
Jewell hielt an ihrer Präferenz für wirtschaftsnahe Aktien und Sektoren fest, die längerfristig von künstlicher Intelligenz profitieren.
Für die kommenden Monate empfahl sie jedoch zinssensitive Aktien sowie sogenannte defensive Werte, die in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit als sicherer gelten. Jewell geht davon aus, dass Aktienmärkte bis zum Jahresende „fragil“ bleiben werden, da Ereignisse wie die US-Präsidentschaftswahlen zu Marktvolatilität führen könnten.
Ein großes Risiko für das Jahr 2025 sei das Ausmaß möglicher Kürzungen der Gewinnprognosen, so Jewell.
„Wenn wir eine deutliche Herabstufung der Gewinne sehen, werden die Aktienmärkte fallen“, sagte sie. „Eine weiche Landung ist eine Bandbreite von Ergebnissen, und alles, was dem rezessiven Ende der weichen Landung zu nahe kommt, wird vom Markt zweifellos negativ aufgenommen.“
FMW/Bloomberg
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