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Gigantische Brexit-Forderungen, Wahlen und Zinsen: Wohin jetzt mit dem Pfund?

Es kursieren diverse Zahlen. Jean Claude-Juncker hatte ja bereits eine Zahl von grob geschätzt um die 50 Milliarden Euro ins Spiel gebracht, die Großbritannien nach dem Brexit als Abstandssumme an die EU...

FMW-Redaktion

Es kursieren diverse Zahlen. Jean Claude-Juncker hatte ja bereits eine Zahl von grob geschätzt um die 50 Milliarden Euro ins Spiel gebracht, die Großbritannien nach dem Brexit als Abstandssumme an die EU zahlen müsse. Diese Summe ergibt sich unter anderem durch laufende Zahlungsverpflichtungen eines jeden EU-Mitglieds. Solche Zahlungen werden aber oft gestreckt und in die Zukunft verlagert, was beim Brexit für UK dann nicht mehr möglich ist.

Luxemburgs Premier Xavier Bettel liegt mit seiner 40-60 Milliarden Euro-Schätzung de facto bei Juncker. Und während eine britische Studie ohhh Wunder jüngst auf eine Summe von gerade mal 5 Milliarden Pfund kommt, die UK nachzahlen solle, schätzt die FT die Summe sogar auf bis zu 100 Milliarden Euro. So einen EU-Austritt hat es noch nie gegeben, daher ist das alles wohl reine Verhandlungssache, und letztlich ein großes Politikum. Denn wenn UK nicht zustimmt genug „Auslöse“ zu zahlen, könnte die EU den zollfreien Zugang zum Binnenmarkt verweigern.

Der britische Brexit-Minister David Davis sagte heute, dass die britische Seite Verhandlungen mit der EU abbrechen werde, falls die Rechnung für UK 100 Milliarden Euro überschreiten wird. Mit dieser Aussage macht er aber (so zumindest unsere Meinung) einen strategischen Fehler. Denn damit akzeptiert er, dass eine gigantische Summe von vielleicht 50, 60 oder 70 Milliarden Euro locker drin sein sollte. Aber, so sagte Davis auch, selbst eine Rechnung über 1 Milliarde sei eine Menge Geld. Aber wir bleiben dabei: Mit der 100 Milliarden-Grenze hat er sich ein Eigentor geschossen!

Übrigens: Mit dem Abbruch der Gespräche wäre nicht der Brexit gescheitert. Nein, damit wären die geordneten Austrittsgespräche gescheitert. Bliebe es theoretisch beim Abbruch solcher Gespräche, würde UK spätestens nach zwei Jahren im Jahr 2019 automatisch aus der EU ausscheiden – dann aber ohne Freihandelsabkommen, ohne genaue Verträge zur Reisefreiheit untereinander etc. Zwischen UK und EU gäbe es dann volle Zölle und Handelsschranken.

Wahlumfragen

Die Wahlumfragen für die Neuwahlen in Großbritannien zeigen ganz aktuell, dass der Vorsprung für die Konservativen schmilzt. Laut YouGov ist der Abstand zur Opposition erstmals seit September unter 10% gesunken. Laut Opinium Research schrumpft der Vorsprung in nur einer Woche von 15% auf 13%. Aber vermutlich dürfte es doch reichen. Aber in UK weiß man ja nie, siehe Brexit-Votum. Bis zur Wahl am 8. Juni sind noch zwei Wochen Zeit, und von einem Vorsprung der Regierung in den Umfragen von ursprünglich gut 20% ist man jetzt runter auf 9-13%. Wie gesagt, es dürfte wohl noch reichen für Theresa May, vermutlich!

Zinsen

Das britische Pfund zeigte sich in den letzten Wochen erstaunlich robust und steigend. Das Pfund steig gegen den US-Dollar in 8 Wochen von 1,21 auf 1,30. Vor allem dank massiv steigender Preise in UK (egal welche Preise man sich anschaut), die die Wahrscheinlichkeit baldiger Zinsanhebungen steigen lassen. Höhere Zinsen machen den jeweiligen Währungsraum attraktiver, also rauf mit dem Pfund! Aber es ist ja  nun schon gut gestiegen.

Wie man aus Traderkreisen bei Banken mitbekommt, sollen im Interbankenhandel beim Pfund über der Marke von 1,30 (GBPUSD) große Verkäufer lauern um den Kurs wieder zu drücken. Das soll natürlich keine Einladung oder Empfehlung zum Shorten von GBPUSD sein, denn auch solche inoffiziellen Bekundungen aus Traderkreisen sind erstens nicht in Stein gemeißelt, und können sich zweitens ja auch ändern. Freitag Abend lag der Kurs noch bei 1,3030, jetzt bei 1,2990 – also de facto nur ein minimales unbedeutendes Minus, knapp unter die 1,30. Die Aussagen von Mr. Davis und die jüngsten Wahlumfragen bringen das Pfund also Stand jetzt (!) noch nicht unter Druck.


GBPUSD seit August 2016.



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3 Kommentare

  1. Das britische Pfund zeigte sich in den letzten Wochen erstaunlich robust und steigend. Das Pfund steig gegen den US-Dollar in 8 Wochen von 1,21 auf 1,30. Vor allem dank massiv steigender Preise in UK. Also genau so wie hier in Deutschland. die die Wahrscheinlichkeit baldiger Zinsanhebungen steigen lassen. In UK schon aber in der EU hat Draghi das Sagen und da es Italien nicht besser geht eher schlechter wird der Zinsanstieg in der EU ausbleiben.

  2. „Solche Zahlungen werden aber oft gestreckt und in die Zukunft verlagert,…“
    Wird im Bereich der EU eigentlich irgendwas nicht in die Zukunft verlagert? Rettungsschirmgelder/Bürgschaften, Target2-Salden, EZB-Anleihebestände?

  3. Gut möglich, dass innerhalb der nächsten drei Jahre bei Target II der Stecker gezogen wird. Dann gibt es keinen Gläubiger mehr, der irgendwelche Forderungen eintreiben kann. Als Brite würde ich also einfach ein paar Jahre verhandeln…

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