An den globalen Finanzmärkten bahnt sich ein neuer Megatrend an: der sogenannte „Debasement-Trade“. Während Regierungen ihre Schulden weiter auftürmen und Vertrauen in klassische Währungen schwindet, suchen Anleger Zuflucht in alternativen Wertspeichern. Der einst unerschütterliche Dollar steht zunehmend unter Druck – und Gold erlebt eine Renaissance als Symbol für Stabilität in einer Ära geldpolitischer Entwertung.
Der „Debasement-Trade“
Laut einem Bericht von Bloomberg vollzieht sich tnter der Oberfläche der täglichen Marktschwankungen derzeit eine tiefgreifende Neubewertung vieler Anlageklassen. Anleger rund um den Globus versuchen, sich gegen die Folgen wachsender Haushaltsdefizite und politischer Eingriffe abzusichern – und stoßen dabei zunehmend auf den sogenannten „Debasement-Trade“.
Damit ist die Flucht aus Staatsanleihen und klassischen Währungen gemeint, deren Wert über die Zeit erodieren könnte, weil Regierungen ihre Schuldenlast nicht in den Griff bekommen – und Zentralbanken unter Druck geraten, die Zinsen niedrig zu halten. Die Befürchtung: eine schleichende Entwertung von Geld, begleitet von dauerhaft erhöhter Inflation.
Zweifel an Staatsanleihen und Währungen
Jüngste politische Entwicklungen befeuern diese Sorgen. In Japan etwa geriet der Yen unter Druck, nachdem sich die stimulusfreundliche Sanae Takaichi als mögliche Premierministerin positionierte. In Frankreich erschütterte eine neue Haushaltskrise das Vertrauen in den Euro, während in Großbritannien die Angst vor einer Neuauflage der Gilt-Krise von 2022 umgeht.
Auch in den USA, wo der Dollar trotz Regierungsshutdowns zuletzt zulegen konnte, bleibt die Unsicherheit groß. Donald Trumps „America First“-Politik, seine Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed und seine expansive Fiskalpolitik haben Zweifel gesät, ob US-Staatsanleihen weiterhin als uneingeschränkt risikofreie Anlage gelten dürfen.
Stephen Miller, der frühere Anleihenchef von BlackRock, warnt: „Der Debasement-Trade hat noch einiges an Potenzial. US-Treasuries sind nicht mehr das unantastbare sichere Hafen-Asset, das sie einst waren.“ Seiner Meinung nach steht der Trend, Kapital aus Staatsanleihen und Währungen in Alternativen umzuschichten, erst am Anfang. Einmal mehr gilt Gold als sicherer Hafen.

Gold und Kryptowährungen profitieren
Auf der anderen Seite dieses Debasement-Trades stehen Sachwerte und digitale Alternativen. Gold als klassischer Wertspeicher erlebt eine Renaissance: Der Goldpreis ist in diesem Jahr um mehr als 55 Prozent gestiegen und hat mit 4.169 US-Dollar je Unze am Dienstag ein Rekordhoch erreicht. Auch Silber erreichte mit über 52,50 Dollar ein Allzeithoch, das zuletzt beim Squeeze der Hunt-Brüder im Jahr 1980 verzeichnet wurde.
Kryptowährungen wie Bitcoin legten trotz kurzfristiger Rücksetzer infolge neuer US-Zollandrohungen stark zu. Bitcoin erreichte in diesem Jahr ebenfalls ein Rekordniveau und liegt über 20 Prozent im Plus. Milliardäre wie Ray Dalio und Ken Griffin halten Gold inzwischen für sicherer als den Dollar, während der Chef des Canada Pension Plan Investment Board US-Staatsanleihen ihren Status als sicheren Hafen abzusprechen beginnt.
Der Hedgefondsberater Nassim Taleb warnt, das wachsende US-Haushaltsdefizit lege „den Keim einer Schuldenkrise, die kaum noch zu vermeiden ist“. Seiner Meinung nach könnte dies zu einem „Weißen Schwan“ werden und den nächsten Börsencrash auslösen. Jeder sehe ihn kommen, doch die meisten ignorieren das Risiko, bis es zu spät sei, so Taleb. Calvin Yeoh vom Merlion Fund ergänzt: „Die Welt erlebt eine Verschlechterung nicht nur des inflationsbereinigten Werts ihrer Währungen, sondern auch der Stabilität der Regierungen selbst.“

Historische Parallelen und neue Motive
Der Begriff „Debasement“ stammt ursprünglich aus Zeiten, als Herrscher wie Heinrich VIII. oder Nero Gold- und Silbermünzen mit billigeren Metallen streckten, um mehr Geld zu prägen. Heute äußert sich die Entwertung subtiler – durch übermäßige Verschuldung, geldpolitische Expansion und politische Einflussnahme auf Zentralbanken.
Die Entwicklung wird zusätzlich durch geopolitische Risiken gestützt. Nach der Einfrierung russischer Auslandsreserven infolge des Ukraine-Kriegs diversifizieren viele Zentralbanken ihre Bestände – weg vom Dollar, hin zu Gold. Diese Bewegung verstärkt den Debasement-Trade und den Aufwärtstrend der Edelmetalle.
Gleichzeitig zeigt die jüngere Vergangenheit, dass die Flucht in Kryptowährungen volatil bleibt: In Phasen steigender Inflation nach der Pandemie fielen Bitcoin und andere digitale Assets stark, was Zweifel an ihrer Rolle als „sicherer Hafen“ aufkommen ließ.
Die Gegenargumente: Noch kein Systemwechsel
Trotz aller Warnungen dominieren Dollar, Euro und Yen weiterhin den Welthandel und das internationale Finanzsystem. Staatsanleihen bleiben das Rückgrat für Sicherheiten und Liquiditätsmechanismen. Zudem kaufen ausländische Investoren weiterhin US-Treasuries – ein Hinweis, dass die Flucht in Gold und digitale Assets noch keine strukturelle Ablösung bedeutet.
Der japanische Marktstratege Shoki Omori von Mizuho Securities hält das Geschehen eher für eine Übertreibung: „Wer glaubt, Währungen und Anleihen ließen sich durch Bitcoin und Gold ersetzen, braucht eine Realitätspause.“ Für ihn handelt es sich um einen „Momentum-Trade“, bei dem Anleger blind dem Trend folgen.
Politik und Schulden als Brandbeschleuniger
Trotzdem bleibt die Faszination des Debasement-Trades bestehen. Strategen von Eurizon SLJ Capital sehen Regierungen „süchtig nach Defizitausgaben“, befeuert durch Jahre ultraniedriger Zinsen und Anleihekäufe der Zentralbanken. Sie schreiben: „Wenn Reserve-Manager weiterhin nicht nur den Dollar, sondern alle Fiat-Währungen meiden, könnte Gold weiter steigen.“ Bei einer Angleichung der Goldreserven an die Dollarbestände sei ein Goldpreis von 8.500 US-Dollar denkbar.
Auch Alberto Gallo von Andromeda Capital Management sieht eine „Beschleunigung der monetären Entwertung“, da Politiker lieber Schulden ausweiten als Wachstum oder Sparprogramme durchzusetzen. Er warnt vor einer „dauerhaften Inflation und weiteren Abwertung der Fiat-Währungen“.
In den USA droht die Staatsverschuldung laut Schätzungen der Government Accountability Office bis 2050 fast doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt zu werden. Trumps expansive Fiskalpolitik, verbunden mit Forderungen an die Fed, die Zinsen zu senken und unliebsame Notenbanker zu entlassen, verstärkt die Sorgen um politische Stabilität.
Ausblick: Ein Trend, der bleibt
Während politische Turbulenzen in Frankreich, Japan und den USA die Unsicherheit erhöhen, halten viele Marktteilnehmer an der Wette auf reale Werte fest. Kathleen Brooks von XTB Ltd. fasst zusammen: „Dies zeigt, wie sehr sich die Welt verändert hat – digitale Assets werden zunehmend als vertrauenswürdige Wertquelle angesehen. Wir sehen kein baldiges Ende dieser Entwicklung.“
So könnte der Debasement-Trade zu einem der prägenden Themen globaler Finanzmärkte bleiben – mit Gold als glänzendem Symbol einer wachsenden Skepsis gegenüber staatlichem Geld.
FMW/Bloomberg
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Alles richtig, Sie spielen aber die immer laufende Inflation etwas herunter (die Geldmengenausweitung) und ignorieren den Startpunkt der Beschleunigung 2022: als der Dollar zur Waffe gemacht worden ist.
Die Mehrheit der Welt sieht dies als Gefahr für ihre eigenen Dollarguthaben an und teilt die moralische Einschätzung nicht, dass dies damals gerechtfertigt war.
Selbst die absolut überzeugten Verbündeten und Feinde Russlands, die Polen nicht. Polens Zentralbank kauft am meisten Gold von allen.
Was meinte Daniel Stelter zum Thema Goldverbot?
https://x.com/thinkBTO/status/1308739280802586625
Spekulation!
Die Inflation ist aktuell „erträglich“.
Ich sehe hier eher eine Verknappung, da Großeinkäufer wie Zentralbanken einen Teil der verfügbaren Handelsware aus dem Spiel genommen haben.
Das gleiche wird bei Seltenen Erden usw. (alles was man die nächsten Jahrzehnte brauchen könnte) sinngemäß gelten.
Natürlich hat Gold in dem Kontext keine besondere Rolle als Industrierohstoff aber in die Strategie passt es allemal.
Was aktuell nicht passt ist Öl. Aber auch nur scheinbar, denn erstens, welche Rezession korreliert denn nicht mit einem fallenden Ölpreis und 2. die EE übernehmen nach und nach und zunehmend das Zepter, vor allem in China baut man wohl viel mehr zu und kauft man wohl viel mehr E-Wagen als hierzulande. Die fahren halt ohne Öl.
Was ich bemerkenswert finde, die Rollen von „führend in Technologien“ und „Nachmacher“ scheinen sich komplett umgedreht zu haben. Während China voran prischt, Solarparks in Masse baut, E-Wagen in den Markt ballert und konsequent auf Zukunftstechnologie setzt, laufen die alten Weltmarktführer der Entwicklung hinterher und tun sogar das Gegenteil, sie versuchen ihre alten Industrien zu schützen.
Vielleicht drehen sich ja auch die Erdpole bald um, soll angeblich überfällig sein.
Ich vermute, dass viele erst aufwachen, wenn man in der Produktionsanlage feststellt, dass man bestimmte Dinge eben braucht und es kein Naturgesetz gibt, dass diese Dinge immer vorhanden sind.