Der Finanzkommissar der EU-Kommission Pierre Moscovici scheint die treibende Kraft in Brüssel zu sein, wenn es darum geht Griechenland Schulden erlassen zu wollen. Natürlich müssen die Mitglieder der Eurogruppe dafür massiv weichgekocht werden. Das Motto lautet aktuell wohl „Liebe Leute, Griechenland hat bewiesen, dass es in gigantischem Umfang Reformen umgesetzt hat. Neue Probleme sind daher nicht in Sicht. Daher sollten wir (die Eurogruppe) doch bitte die Griechen belohnen, in dem wir ihnen einen Teil ihrer Altschulden erlassen.“ Richtig?
Denn Griechenland hat aktuell einen Schuldenstand von 180% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Wer soweit gekommen ist, kommt von diesem Berg nicht mehr runter – schon gar nicht, wenn nächstes Jahr die Zinsen in Euroland steigen, und damit auch die Zinskosten für neu aufzunehmende Staatsschulden. Was für ein Mist – gerade ab diesem August läuft das Rettungsprogramm der Euro-Partner aus, und die Griechen werden sich von da an wieder alleine auf dem freien Anleihemarkt refinanzieren.
Also werden sie gut 1 oder 1 1/2 Jahre vor Beginn der Zinswende auf den Markt zurückkommen. Günstige beziehungsweise relativ günstige Zinsen gibt es also nur noch für eine kurze Zeit. Pierre Moscovici trommelt aktuell kräftig für ein positives Bild in Europa in Sachen Griechenland. Denn am Donnerstag dieser Woche den 21. Juni treffen sich um 15 Uhr die Eurogruppen-Partner. Thema ist das „Makroökonomische Anpassungsprogramm für Griechenland“. Offiziell heißt es dazu vorab Zitat:
Die Euro-Gruppe wird die Fortschritte bewerten, die Griechenland bei der Umsetzung der im Rahmen der vierten (und letzten) Überprüfung seines Programms erforderlichen Maßnahmen erzielt hat. Auf der Grundlage dieser Überprüfung werden die Ministerinnen und Minister einen Beschluss über alle Elemente fassen, die für den erfolgreichen Abschluss des Programms bis August erforderlich sind. Dazu gehören der Überwachungsrahmen, der auf das Programm folgen wird, die Größe der letzten Tranche der vom ESM gewährten finanziellen Unterstützung sowie mögliche Maßnahmen zum Schuldenabbau. In ihrer Erklärung vom Juni 2017 hatte die Euro-Gruppe mögliche Maßnahmen zum Schuldenabbau aufgeführt.
Moscovici sagt im Namen der EU-Kommission, dass Schuldenerleichterungen (was damit auch immer gemeint sein könnte) für Griechenland bitte umgesetzt werden sollten – denn schließlich habe Athen seine Reformzusagen eingehalten. Es gehe um Vorab-Maßnahmen, damit die Schuldenlast Griechenlands spürbar gesenkt und auf einen „nachhaltigen Pfad“ gebracht werden könne. Das hört sich nach einem Schuldenschnitt an. Da dürfte unser neuer Finanzminister Olaf Scholz gefordert werden, denn der Druck dürfte enorm sein.
Am Donnerstag wird wohl aller Wahrscheinlichkeit nach die letzte Rate aus dem 86 Milliarden Euro Hilfsprogramm Richtung Athen fließen. So schön die Erfolge in Griechenland derzeit oberflächlich auch sein mögen. Nach der Zinswende steigen die Finanzierungskosten des Staates enorm. Und die griechischen Banken haben auch jetzt noch eine Quote von 43% notleidender Kredite. Dieser Anteil aller ausstehenden Kredite wird momentan von den Schuldnern nicht mit Raten bedient. Damit sind die griechischen Banken nach wie vor total kaputt.
Eigentlich würde nur ein großer Knall (Euro-Austritt und/oder totaler Schuldenschnitt) helfen. Aber das ist ja alles zu groß und zu radikal gedacht. Man versucht immer weiter Zeit zu kaufen, und hofft auf das Beste… Pierre Moscovici kriegt sich aktuell jedenfalls gar nicht mehr ein mit Jubelmeldungen in Sachen Griechenland. Hier einige seiner ganz aktuellen Tweets. Beispiel: Innerhalb von fünf Jahren die Arbeitslosigkeit von 27,5% auf 21,5% absenken – soll das ein großer Erfolg sein?
In short, #Greece has delivered on its commitments and I am confident that Member States will now deliver on theirs. We need a balanced compromise between all actors, ensuring growth and sustainable debt for the future of this country that has gone through so much. 10/10 🇬🇷🇪🇺
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
By the end of the @ESM_Press programme launched in 2015 #Greece will have implemented more than 450 actions (including the 88 under the fourth and final review). Greece has been discussed in 33 meetings of the #Eurogroup since July 2015! 9/10 pic.twitter.com/hUo2psV6U4
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
The collapse in confidence in Greece’s public finances in late 2009 froze the country out of the markets and marked the start of the sovereign debt crisis. What a turnaround: from a deficit of -15.1% of GDP in 2009, Greece has posted a surplus since 2016 (0.8% last year) 3/10 pic.twitter.com/Jw19gKPguA
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
The Greek economy sank into recession in 2008, contracted by as much as 9.1% in 2011, grew briefly in 2014 then stagnated again in 2015-16. Last year saw a return to growth (1.4%) and we forecast the economy will expand by 1.9% this year and 2.3% in 2019. 2/10 pic.twitter.com/PzZVIcnTuw
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
Unprecedented solidarity: since 2010, €273.7bn has been provided to Greece (€241.6bn from euro area countries, including the latest €1bn for arrears decided last week, and €32.1bn from the IMF). 8/10 pic.twitter.com/LfmZPPqAtP
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
The introduction of universal healthcare coverage, completed in 2016, means two million uninsured citizens now enjoy full access to medical services as a fundamental right recognised by law. @EU_Commission 7/10 pic.twitter.com/R55L9OTaNJ
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
One of the most essential reforms is the establishment of the first nationwide land registry, or cadastre. Coverage is now at 29% of real property rights. When completed in 2021, it will facilitate property tax collection & help boost investment in tourism & industry. 6/10 pic.twitter.com/ty1udtoiih
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
Since peaking at the unbearably high level of 27.5% in 2013, unemployment has been declining steadily. It was 21.5% in 2017 and is forecast to fall to 20.1% this year 18.4% in 2019. On the right track, but still a way to go. 4/10 pic.twitter.com/cVi1okRUJ4
— Pierre Moscovici (@pierremoscovici) June 19, 2018
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