FMW-Redaktion
In Sachen Griechenland gibt es eine Faustregel: je heißer die Verhandlungen über das nächste Rettungspaket, umso besser werden die Daten aus Griechenland. Ende April hatte Athen wieder sehr unterhaltsame Zahlen geliefert: plötzlich war das Haushaltsdefizit verschwunden, für das Jahr meldete man einen Haushaltsüberschuss von +0,7%, der Primärüberschss (also ohne Zinslasten und Kreditzahlungen) lag sogar bei +3,9%. Klingt nach blühenden Landschaften in der Ägäis!
Also beschlossen die Gläubiger, den Griechen die nächste Tranche des 86 Milliarden Euro-Rettungspakets zu bewilligen. Dafür muss Griechenland die Renten weiter kürzen (um bis zu 18% ab 2019) sowie die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer erhöhen (ab 2020, durch Einführung eines niedrigeren Steuerfreibetrags). Heute hat die Beratung über die Bedingungen darüber im griechischen Parlament begonnen (dauert bis Donnerstag).
Und die Griechen sind darüber nicht sehr begeistert, um es einmal sehr vorsichtig zu formulieren: die griechischen Fähren streiken bereits ebenso wie die Dockarbeiter (also gibt es derzeit keine Verbindungen zwischen dem Festland und den zahllosen griechischen Inseln!), die Busfahrer Athens werden am Mittwoch ihre Arbeit niederlegen. Morgen streiken die Journalisten, sodass in ganz Griechenland morgen keine Zeitungen erscheinen werden, dazu werden an diesem Tag auch noch Krankenhäuser bestreikt sowie Märkte.
Und nun ist das Land auch noch, wie heute veröffentlichte Daten Athens zeigen, wieder in die Rezession zurück gefallen: das BIP sank im ersten Quartal um -0,1%, und da das Vorquartal (also das 4.Quartal 2016) mit -1,2% ebenfalls negativ war, sind die Definitions-Kriterien einer Rezession erfüllt!
Und, welch Zufall, nachdem die Gelder grundsätzlich bewilligt sind durch die Gläubiger, werden die Wachstumsprognosen gesenkt: Athen senkte seine BIP-Prognose für 2017 am Samstag von +2,7% auf nun nur noch +1,8% – weil die Verunsicherung darüber, ob es zu einer Einigung mit den Gläubigern kommen werde, die Wirtschaft doch arg belastet habe im Vorfeld der Einigung. Da stimmt auch die Europäische Kommission mit ein und senkt ihre BIP-Prognose heute für Griechenland von +2,7% auf nun nur noch +2,1%, für 2018 von +2,6% auf nun nur noch +2,4%.
Brüssel ist damit derzeit also noch optimistischer als die griechische Regierung selbst – kein so furchtbar gutes Zeichen der Prognose-Qualität. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Brüssel dann Athen folgt mit verminderten Wachstumsprognosen, natürlich nachdem Athen dann selbst wiederum seine Prognose kräftig nach unten revidiert haben wird.
Das Trauerspiel geht also weiter, nur ist die beobachtende Öffentlichkeit kleiner geworden, nachdem das Griechenland-Drama weitgehend aus den Medien verschwunden ist. Eine Drama bleibt es trotzdem, auch wenn es vor weitgehend leeren Zuschauer-Rängen stattfindet!
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Moin, moin,
das Geld soll nach Athen und das Geld kommt nach Athen, Zahlen hin, Zahlen her. So einfach. Wer, ausser die Finanzmartkwelt-Redaktion, liest die Zahlen? Sicher niemand. Die öffentlich rechtlichen Heilsverkünder, wie NDR, ZDF und Co. lassen sich in die Feder diktieren, um uns Michel zu erklären, dass der Endsieg kurz bevor steht. Dort hängt halt jeder Journalist an seinem Job und ist somit „Linientreu“. Hier ist Querdenken erlaubt und erwünscht. Somit bleibt es wie im Artikel dargestellt. Das Geld wird so oder so gezahlt, Zahlen sind da sicher egal.
γλαῦκας εἰς Ἀθήνας κομίζειν oder γλαῦκ᾿ Ἀθήναζε ἄγειν
Ach was Herr Fugmann ! Das können Sie auch lesen und damit moderieren ?
Da bin ich aber mal schwer beindruckt !
@carsn, ich habe hellensitisches Griechisch gelernt im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Neuen Testament; ist aber lange her, und nur noch rudimentär in meinem Gehirn verankert..
Nun, das ist aber weit entfernte Geschichte. Mein Bruder ist Theologe,
um sich mit dem neuen und alten Testament zu beschäftigen, kommt man um Griechisch und Hebräisch nicht herum……