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Griechenland: Warum der IWF die Renten weiter absenken will

Von Claudio Kummerfeld

Griechenland soll die Renten weiter kürzen. Noch weiter? Ein Unding. Chefvolkswirt Olivier Blanchard hat gestern erläutert, warum der IWF die Renten weiter absenken will…

Olivier Blanchard Griechenland soll Renten senken
IWF Chefvolkswirt Olivier Blanchard
Foto: IMF Staff Photographer Eugene Salazar/Wikipedia (Gemeinfrei)

Griechenland soll Renten noch weiter senken

Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat gestern erläutert, warum er von Griechenland eine weitere Absenkung der Renten erwartet. Laut Blanchard machen Renten und Gehälter 75% der Primärausgaben des Staatsbudgets in Griechenland aus. Die anderen 25% seien bereits „bis auf die Knochen“ runtergekürzt worden. Rentenausgaben würden 16% des Bruttoinlandsprodukts von Griechenland ausmachen. Er schreibt Rentenkürzungen in Höhe von 1% des Bruttoinlandsprodukts seien notwendig – und das sei möglich, während man gleichzeitig die ärmsten Rentner schützt. Hier das Originalzitat:

„Why insist on pensions? Pensions and wages account for about 75% of primary spending; the other 25% have already been cut to the bone. Pension expenditures account for over 16% of GDP, and transfers from the budget to the pension system are close to 10% of GDP. We believe a reduction of pension expenditures of 1% of GDP (out of 16%) is needed, and that it can be done while protecting the poorest pensioners.“

Mehrwertsteuer

Auch schreibt Blanchard die Mehrwertsteuer in Griechenland solle reformiert werden. Damit meint er nicht zwingend eine Erhöhung, sondern er schreibt von einer Verbreiterung der Grundlage („widening of it´s base). Damit möchte er darauf hindeuten, dass zu viele Bereiche in Griechenland bisher von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind.

Primärüberschuss für Griechenland?

Blanchard schreibt der Grund von Rentenkürzungen und möglicher Anpassung der Mehrwertsteuer sei es einen Primärüberschuss zu erreichen. Ursprünglich lag das Ziel bei 3% für 2015, wurde aber bereits auf 1% reduziert. Blanchard macht eindringlich darauf aufmerksam, dass die Erreichung dieses Überschusses das Ziel sein muss. Was bedeutet „Primärüberschuss“? Das Wort bedeutet alle Einnahmen abzüglich aller Ausgaben des Staates müssen am Ende einen Überschuss von 1% ergeben. Die Schulden und Zinsen sind aus dieser Rechnung ausgenommen. Es geht also darum, ob Griechenland als Staat mit seinen Einnahmen wirklich die tatsächlichen Ausgaben im Land decken kann und in der Lage ist minimale Überschüsse zu erwirtschaften. Zitat Blanchard:

„The primary surplus in the program was to be 3% in 2015, and 4.5% next year. Economic and political developments have made this an unattainable goal, and the target clearly must be decreased. It also included a number of reforms aimed at increasing medium term growth, and making the fiscal adjustment easier. These also need to be reconsidered.
In this context, by how much should the primary surplus target be reduced? A lower target leads to a less painful fiscal and economic adjustment for Greece. But it also leads to a need for more external official financing, and a commitment to more debt relief on the part of the European creditor countries. Just as there is a limit to what Greece can do, there is a limit to how much financing and debt relief official creditors are willing and realistically able to provide given that they have their own taxpayers to consider.“

Blanchard´s Wink an Europa

Blanchard weist aber auch darauf hin, dass auch wenn die Griechen alle Anstrengungen wie gewünscht durchziehen, die europäischen Gläubiger eine Schuldenerleichterung für Griechenland umsetzen müssen. Konkret spricht er von einer Ausweitung der Laufzeiten der griechischen Staatsanleihen und einer Absenkung der Zinsen. Wir meinen: Kommt der Grexit nicht, ist dies wohl eine sehr realistische Lösung. Streckung der Schulden, Reduzierung der jährlich zu zahlenden Schulden- und Zinslast.

Wir fragen uns generell zur wichtigsten Forderung von Olivier Blanchard: Soll man einem Rentner, der 300 Euro erhält, nochmal 30 Euro wegkürzen? Blanchard schreibt in seinem Statement er sei offen für alternative Vorschläge. Wenn Alexis Tsipras z.B. mit der Kürzung des Militärbudgets oder drastischen Maßnahmen zur Eintreibung von offenen Steuerforderungen aufwarten könnte, wäre das eine Alternative – nur mal so als Idee unsererseits.



Hier das Gesamtstatement von Olivier Blanchard.



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4 Kommentare

  1. Na, das reklärt ja die griechische Verhandlungsstrategie ausreichend.

    Die Griechen als Gesamheit haben den Euro-Raum gehörig abgeschöpft.
    Das wollen sie nun nicht mehr hergeben.

    Renten-Kürzungen würden aber genau das bedeuten.

    Mit einem Default würden die Renten gerettet werden.

    Renten sind Verpflichtungen des Staates gegenüber dem Bürger
    – und die bleiben bei einem Default erhalten.

    Ganz im Gegensatz zu anderen Verpflichtungen.

    Externer Verpflichtungen kann man sich per Default beqeum entledigen.

    Der griechische Staat erklärt nach einem Default
    dass er externe Schulden nicht (vollständig) bedienen wird.

    Mit dieser Maßnahme würden die eingefahrenen Gewinne also erst einmal „realisiert“.
    Auf Kosten der Geldgeber natürlich.

    Der Rest sortiert sich dann schon irgendwie,
    da sind die Griechen ja Meister darin.

    Also mittlerweile wundert es mich nicht mehr
    dass die griechische Regierung jeden (akzeptablen) Deal platzen lassen.

    Die fahren voll gegen die Wand – anscheinend geplant.

    Der Colateral-Schaden entsteht hauptsächlich bei den Geldgebern.

    Der Default scheint wohl für den griechischen Staat die profitabelste aller Lösungen zu sein.

    Ist wohl das Beste überhaupt was Griechenland passieren kann.
    Und wird deshalb geradezu angestrebt.

    Passt doch:
    – Renten gesichert
    – EU-Gewinne „eingefahren“ bzw. realisiert
    – Schulden abgeschüttelt ohne zu buckeln
    – Im Euro-Raum bleiben und weiter die Vorteile des Euro genießen
    – Weiter von der EU Hilfsmaßnahmen für „das arme Griechenland“ einfordern.

    Wie pflegt mein griechischer Freund zu sagen:
    „Zeige mir den Griechen der nicht zwei Häuser besitzt.“

    1. primaerblattschuss

      Wo sitzt denn ihr leicht abgehobener griechischer Freund? Auf Santorini, in der Schweiz oder in London? Hoffentlich zahlt er fuer seine GR-Immos wenigstens die fiktiv bewertende Substanzsteuer zum Wohle des gelobten Primaerueberschusses!

  2. Eine Ausnahme sollen diejenigen bilden, die mit 40 Arbeitsjahren im Alter von 62 Jahren in Rente gehen…
    So ist es im neuen Paket zu lesen.

    Man stelle sich vor, in Deutschland würde versucht, solche Rentenreform einzuführen.

    Hysterische Aufschreie von allen Seiten wären garantiert. Das war bereits so bei dem Reförmchen : Rente mit 63 nach 45 Jahren für wenige Jahrgänge.

    Ich finds einfach zum Kotzen, dass die sozialen Leistungen in der EU nicht auf einen gemeinsamen Stand gebracht werden.

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