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Griechenlands Reformvorschläge: eine Posse Europas

Von Markus Fugmann

Das ging schnell gestern: die vermeintlich von Griechenland vorgebrachten Reformvorschläge sind gestern in Windeseile von der Eurogruppe sowie der EZB und dem IWF „durchgewinkt“ worden. Tenor: nicht sehr konkret, aber eine sehr gute Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit. Harmonie aller Orten also, und das überrascht nach den Verstimmungen der letzten Wochen zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern. Die Telefonkonferenz der Eurogruppe dauerte nur eine Stunde, auch das erstaunlich angesichts einer Materie, die sehr komplex ist.

Was aber ist gestern wirklich passiert? Zunächst einmal ist schon auffällig, dass die Reformvorschläge Griechenlands angeblich doch vor Ablauf der Frist eingetroffen sein sollen. Noch am Vorabend hatte Athen angekündigt, erst am Dienstag Vormittag zu liefern, und noch am Dienstag hiess es bei den Agenturen, dass bisher Nichts eingetroffen sei. Dann aber die Behauptung des Präsidententen der Eurogruppe, Dijsselbloem, dass das Dokument doch vor Montag Mitternacht, und zwar um 23.15 eingetroffen sei. Als erstes äusserte die EU-Kommission ihre Zustimmung – und zwar bevor Dijsselbloem offiziell bekannt gegeben hatte, dass das Dokument überhaupt eingetroffen sei!

Wie kann das sein? Der griechische Journalist Yannis Koutsomitis hat aufgedeckt, dass das vom griechischen Finanzminister Varoufakis versendete Dokument unter der Rubrik „Document Properties“ als Autor einen gewissen Declan Costello ausweist. Der Ire Costello arbeitet seit 1991 für die EU-Kommission und ist dort für die Koordination von Strukturreformen zuständigt. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass das angeblich von der Regierung in Athen stammende Dokument faktisch von Costello erstellt wurde.

Die Gründe liegen auf der Hand: nach der Einigung in Brüssel letzten Freitag, das bestehende Hilfsprogramm um weitere vier Monate zu verlängern, durften sich die Beteiligten keinen Fehler mehr erlauben. Die griechische Regierung ist alles andere als erfahren, schon gar nicht um Umgang mit der Bürokratie in Brüssel. Zu fürchten war, dass es erneut zu einem Eklat kommen könnte – und dem galt es vorzubeugen. Nun konnten die Institutionen, also EZB, Eurogruppe und IWF, ein solches Dokument schlechterdings selbst an Stelle Griechenlands verfassen. Es musste von einer Institution kommen, die keine Entscheidungsbefugnis in der Griechenland-Causa hat – und das ist die EU-Kommission. Deren Präsident Juncker hat frühzeitig versucht, zwischen Griechenland und der ehemaligen Troika zu vermitteln, man verstand sich gewissermaßen als Makler der verschiedenden Interessen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern. Juncker selbst ist ein Befürworter einer weichen Linie gegen Athen, und es ging um das Schicksal nicht nur Griechenlands, sondern Europas insgesamt, wie Schäuble letzten Freitag noch in Brüssel hatte verlauten lassen. Die EU-Kommission war der ideale Ansprechpartner für eben diese Rettung, der ideale Vermittler zur Vermeidung einer weiteren Krise, die nicht nur für Europa, sondern für die Welt insgesamt weitreichende Auswirkungen hätte haben können.

Ist es ein Skandal, wenn die Reformvorschläge nicht von Griechenland, sondern von der EU-Kommission stammen? Vielleicht. Viel interessanter aber ist, dass wir Zeuge einer Posse geworden sind, bei der die Beteiligten kurzzeitig ihren eingeübten Text vergessen haben, wie das Hick-Hack um den angeblich pünktlichen Eingang der Reformvorschläge verdeutlicht. Europa hat es gestern geschafft, sein Schicksal als Komödie zu spielen – die Tragödie folgt dann erst im letzten Akt!



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