FMW-Redaktion
Gibt es eine Immobilienblase in Deutschland? Viele Beobachter sagen „Ja, schon lange“. Andere sagen dazu „Quatsch, alles ist in Ordnung, alles im Rahmen“. Andreas Dombret vom Vorstand der Deutschen Bundesbank hat genau zu dem Thema heute einen Vortrag gehalten. Seine Haltung zu der Frage lautet „Nein, aber…“. Wie ist das zu verstehen? Dombredt widmet sich dem Thema mal ganz grundlegend und hat dazu erst einmal folgende Formulierung parat, die wir hier auszugsweise abdrucken. Zitat:
Machen wir gerade wieder den gleichen Fehler wie vor 2008? Verkennen wir, dass sich auf den Immobilienmärkten Risiken zusammenbrauen? So eindeutig ist die Antwort nicht: Einige behaupten, in Deutschland gäbe es bereits eine gefährliche Immobilienblase. Andere wiederum sehen keine Anzeichen für eine solche Gefahr oder zumindest nur sehr geringe. Eindeutig ist aber, dass wir wachsam bleiben sollten. So schrieb Ben Bernanke, der vormalige Chef der US-amerikanischen Federal Reserve, in seinen Erinnerungen an die Krise, dass die Zentralbank vor 2008 viel zu lange darüber debattiert hätte, ob es nun eine Krise gebe oder nicht – statt sich auf eine solche und deren Platzen vorzubereiten. Und auch heute, fast zehn Jahre nach der Krise ist das Thema Immobilienmärkte und Finanzstabilität wichtig wie eh und je. Wenn wir Krisen vermeiden wollen, müssen wir ihr Entstehen besser verstehen und frühzeitig erkennen können. Der Blick in die Vergangenheit ist sicherlich ein sehr gutes Werkzeug, um die komplexen Zusammenhänge, die zu einer Krise führen können, zu verstehen.
Dr. Andreas Dombret, Vorstand bei der Deutschen Bundesbank. Foto: Masterot1312/Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
Dombret unterscheidet zwei Arten von Immobilienblasen. Bei der einen geht es nur um relativ einfache Übertreibungen bei Preisen, die sich von der sagen wir mal ökonomischen Realität entfernen. Bei der anderen Art von Immobilienblase geht es um eine Gefährdung der Finanzstabilität. Laut Dombret sei es generell sehr schwierig die Art der Blase vor ihrem Platzen zu erkennen, oder sie gar im frühen Stadium des Aufbaus der Blase zu erkennen. Mehrmals in seiner Rede versucht Dombret elegant beiden extremen Sichtweisen zum Thema Immobilienblase den Wind aus den Segeln zu nehmen, auf der einen Seite den Krisenpropheten, die alles schwarz sehen, wie auch den Ignoranten, für die es gar keine Krise oder auch nur Krisenansätze gibt. Ob sich die Preise für Immobilien einfach nur überhitzen und von den normalen wirtschaftlichen Daten abkoppeln, scheint der Bundesbank relativ egal zu sein. So sagt Dombret weiter in seiner Rede nämlich nur etwas zu der systemrelevanten Krise, die die Finanzstabilität gefährden könne. Zitat:
Die entscheidende Frage muss aus meiner Sicht also lauten: Haben wir eine Immobilienblase, die der Finanzstabilität gefährlich werden kann? Um diese Frage zu bejahen, müssen drei Entwicklungen zusammenkommen:
Erstens muss ein Preisanstieg vorliegen, der durch fundamentale Faktoren wie z.B. die volkswirtschaftliche Lage nicht mehr oder nur noch unzureichend erklärt werden kann;
Zweitens wächst das Volumen an Immobilienkrediten übermäßig;
Drittens lockern Banken ihre Standards bei der Kreditvergabe, um vom Boom an den Immobilienmärkten zu profitieren.
Wie steht es nun in Deutschland um diese Charakteristika für eine Immobilienblase? Ich kann Sie beruhigen: Von einer Blase kann man in Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt nicht sprechen. Aber als Bankenaufseher mache ich mir dennoch ernste Sorgen. Das liegt daran, dass bei allen drei genannten Faktoren die Ampeln langsam auf gelb oder gar dunkelgelb gesprungen sind.
Und wie steht es nun um diese drei Faktoren in Deutschland? Laut Dombret gab es seit 2010 einen kontinuierlichen starken Anstieg der Preise für Wohnimmobilien um 30%. In 127 ausgewählten Städten stiegen sie sogar um 50%, in sieben Großstädten sogar um 60%. Die Finanzstabilität sei durch diese Preissteigerungen aber nicht gefährdet. Interessant laut Dombret: Die Verschuldung der Haushalte durch Immobilienkredite nehme zwar zu – sie werde aber durch niedrige Zinsen und steigende Einkommen kompensiert, wodurch die effektive Belastung der Haushalte nicht steige. Und letztlich bliebe noch die Kreditvergabepraxis der Banken. Hier könne man vorsichtig geschätzt sagen, dass die Banken seit dem Jahr 2011 ihre Vergaberichtlinien verschärft hätten, was ja auch gegen eine Blase spricht.
Zwischenfazit
Hier eine Art Zwischenfatzit aus Dombret´s Vortrag. Zitat:
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein kurzes Zwischenfazit ziehen: Im Moment gibt es in Deutschland keine Immobilienblase, die die Finanzstabilität akut gefährdet. Aber die Ampel steht auf gelb: Erstens sind die Preise in den Städten, insbesondere den Großstädten, zu einem guten Teil Übertreibungen. Zweitens nimmt die Kreditvergabe zu und stützt sich dabei nicht zuletzt auf das Niedrigzinsumfeld. Und drittens sind die Vergabestandards noch nicht erkennbar aufgeweicht, aber es gibt Frühwarnindikatoren, die auf eine erhöhte Risikonahme der Kreditinstitute hindeuten.
Schlussfolgerung
Hier die Schlussfolgerung von Andreas Dombret auszugsweise, die man zusammenfassen kann mit „die Bundesbank beobachtet die Lage genau, besonnen und nicht hektisch“. Zitat:
„Vorsicht ist die Mutter der Weisheit“, und schließlich „…der Porzellankiste“.
Ob diese Herleitung tatsächlich zutrifft, kann durchaus bezweifelt werden. Die Quintessenz ist aber: Manchmal ist es weiser, sich umsichtig zurückzuhalten, als sich unbedacht ins Getümmel zu stürzen – auch wenn man sich nicht immer gleich tot stellen muss.
Übertragen wir die Weisheit auf die Wohnimmobilienmärkte, dann bedeutet sie, dass wir nicht endlos darüber diskutieren dürfen, ob und in welchem Ausmaß eine Blase vorliegt, sondern so gut es geht versuchen sollten, diesem Ernstfall vorzubeugen.
Finanzinstitute sind gut beraten, weiterhin hohe Kreditvergabestandards anzuwenden und spekulative Preisentwicklungen nicht mitzutragen. Außerdem sollten sie durchdachte Strategien verfolgen, um ihre Ertragssituation zu stabilisieren. Dabei kann das zinstragende Geschäft auf absehbare Zeit nur eines unter vielen Geschäftsfeldern sein. Andererseits müssen Strategien zum Management der Zinsänderungsrisiken vorliegen – wenn die Zinsen wieder steigen, sollte man nicht hektisch reagieren müssen, sondern besonnen einem Plan folgen können. Die Aufsicht achtet also verstärkt darauf, ob diese Risiken unter Kontrolle sind.
Erlauben Sie mir eine zentrale Bemerkung zum Schluss: Wir haben nun einige makroprudenzielle Instrumente, die aber wirkungslos bleiben, wenn sie im entscheidenden Moment – aus politischen Erwägungen – nicht eingesetzt werden. Bevor eine Krise tatsächlich ausbricht, möchte niemand derjenige sein, der die Musik ausmacht, wenn alle noch tanzen. Aber genau diesen Mut wird es brauchen, wenn es irgendwann soweit ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gute Nachricht ist, dass es in Deutschland im Moment keine die Finanzstabilität gefährdende Immobilienblase gibt. Aber die Ampel steht eindeutig auf gelb: Das gilt insbesondere für die Preisentwicklung; aber auch bei Kreditvolumen und Vergabestandards gibt es Frühwarnindikatoren, die auf eine erhöhte Risikonahme der Kreditinstitute hindeuten.
Die Banken- und Finanzaufsicht wirkt auf eine angemessene Kapitalausstattung und ein wirksames Risikomanagement hin. Aber das alleine kann eine Krise nicht verhindern.
Vor allem die Mischung aus boomendem Immobilienmarkt und Niedrigzinsumfeld kann zu einem gefährlichen Cocktail für den Banken- und Sparkassensektor werden. Wir sind alle gut beraten, Vorsicht walten zu lassen.
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Quelle: Deutsche Bundesbank
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