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Warum die deutsche Handelsbilanz jetzt negativ ist – die Gründe

Die deutsche Handelsbilanz weist normalerweise immer gigantische Überschüsse aus. Jetzt ist sie ins Defizit gerutscht. Hier die Gründe.

Containerschiff im Hamburger Hafen

Die deutsche Handelsbilanz ist ins Minus gerutscht! Nach jahrzehntelangen Überschüssen ist das ein Hingucker – es ist das erste Defizit seit 1991. Deutschland hat also zuletzt mehr Waren importiert als exportiert. Wie kann das sein? Laut heute veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamts wurden im Mai 2022 kalender- und saisonbereinigt Waren im Wert von 125,8 Milliarden Euro aus Deutschland exportiert, und Waren im Wert von 126,7 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Die deutsche Handelsbilanz schloss im Mai 2022 mit einem negativen Saldo von 0,9 Milliarden Euro ab. Im April 2022 hatte der Saldo der Außenhandelsstatistik bei +3,1 Milliarden Euro gelegen, im Mai 2021 waren es noch +13,4 Milliarden Euro.

Handelsbilanz ist jetzt negativ – die Gründe

In der ersten Grafik sehen wir, wie sich die beiden Linien immer mehr angenähert haben – der Überschuss in der Handelsbilanz schmolz also immer mehr zusammen, um sich jetzt in ein Defizit zu verwandeln. Es fließt also netto Geld aus Deutschland ab. Die deutschen Exporte im Mai sind gegenüber April 2022 kalender- und saisonbereinigt um 0,5 Prozent gesunken, während die Importe um 2,7 Prozent gestiegen sind. Als Grund für die jetzt negative Handelsbilanz kann man die Verteuerung bei den Energiepreisen anführen. Nicht die Verschlechterung bei den deutschen Exporten ist schuld, sondern die Verteuerung der Energieimporte, die aus dem Ausland eingekauft werden.

Und wo sieht man einen spürbaren Anstieg der Importe? Im deutschen Außenhandel mit den USA! Dort verschlechtert sich die deutsche Handelsbilanz deutlich. Denn auf Biegen und Brechen versucht man derzeit mehr Öl und vor allem Gas (!) aus den USA einzukaufen. Dies zeigt sich auch in den aktuellen Daten. Die Importe aus den USA stiegen von April auf Mai um 9,7 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro! Gleichzeitig sanken die Importe aus China um 1,6 Prozent im Monatsvergleich, aus UK sanken sie um 2 Prozent. Sogar aus Russland sanken die Importe um 9,8 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Hier ist die Lage klar – Europa und Deutschland reduzieren die Importe aus Russland so schnell und umfangreich wie es nur geht, wegen dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Insgesamt sieht man: Weil Deutschland so viel mehr Energie aus den USA importiert, und weil die Preise für die Energieträger stark steigen, rutscht die deutsche Handelsbilanz ins Minus.

Defizit nur mit Ländern außerhalb der EU

Auch eine andere Zahl zeigt, dass Deutschland strukturell noch kein Problem im Außenhandel hat. Denn im Handel mit EU-Staaten erzielte Deutschland eine eindeutig positive Handelsbilanz. Im Mai exportierte man in die EU Waren für 67,5 Milliarden Euro, und importierte Waren für 61,8 Milliarden Euro. Die negative Handelsbilanz ist also ganz klar auf den Handel mit Staaten außerhalb der EU zurückzuführen. Dort ist die Außenhandelsbilanz eindeutig negativ. Hier lagen die deutschen Exporte bei einem Volumen von 58,3 Milliarden Euro, und die Importe bei 65 Milliarden Euro.

Noch eine interessante Zahl: Die deutschen Exporte im Mai 2022 steigen im Jahresvergleich um 11,7 Prozent. Die Importe allerdings steigen viel schneller mit +27,8 Prozent! Daran erkennt man: Die steigenden Importpreise für Brennstoffe lassen die positive deutsche Handelsbilanz abschmelzen, und drehen sie jetzt ins Minus.

Grafik zeigt deutsche Importe und Exporte seit dem Jahr 2018

Tabelle zeigt deutsche Importe und Exporte als Teile der Handelsbilanz



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15 Kommentare

  1. Sehe ich ähnlich. Die rasant gestiegenen Einkaufspreise für Rohwaren bilden sich (noch) nicht auf den Verkaufspreisen der exportierten Produkten ab, die für den zugesicherten (verkauften) Preis ausgeliefert werden. Dieser Trend kann sich ebenso in der Zukunft kurzfristig umkehren.

  2. Das sehe ich überhaupt nicht ähnlich.

    Wir haben ein ernsthaftes Problem, sollten unsere gestiegenen Energiepreise zu einem dauerhaften und damit strukturellen Problem werden. Diesen Wettbewerbsnachteil kann ein Land mit hohen Löhnen nicht ausgleichen.

    Warum wird angenommen, dass sich erhöhten Produktionskosten weitergeben ließen? So verlieren wir unsere industrielle Basis.

  3. Warum? … ganz einfach, unsere unsäglich schlechten Politiker tun alles, wirklich alles, diesem Land zu schaden … das hat natürlich Auswirkungen auf alle Bereiche … und das Beste daran, es ist gewollt, muss man erstmal verstehen …

    1. @Tom Wolf, Sie schreiben vollkommenen Unsinn.

  4. Korbinian Weinzierl

    Erinnern Ihr Euch noch was Herrn Trump alles nicht recht war in Verbindung mit Deutschland?

    Der Herr Scholz und die Frau von den Lyern richten es grad.

  5. schlechte Bilanzen – heißt schlechte Politik und Mißwirtschaft. Die Ampel kann beides – ob gewollt oder wegen Unfähigkeit ist einerlei – schlecht ist nun mal schlecht.

    1. Ich denke eher das es 20 Jahre Misswirtschaft der CDU/CSU und SPD gewesen sind, die uns da reingeritten haben. Es der jetzigen Regierung zuzuschieben ist wieder mal typisch aus Richtung schwarzer Sumpf. Die ach so tolle Globalisierung und immer mehr Verlagerung ins Ausland in dem man uns mit Energie an ausländische Konzerne wie Gasprom oder Strom Vattenfall verkauft hat statt im eigenen Land mehr in eine andere Richtung zu forschen. Aber die geldgierigen Konzerne mit den Lobby-Politikern haben nichts anderes im Kopf gehabt als die eigene Bereicherung auf unsere Kosten. Und jetzt zahlen wir genau wie bei der letzten Finanzkatastrophe wieder mal die Zeche. Wer nur etwas Ahnung von Politik hat sollte das sehen können, das nicht mal ein Jahr Amtszeit diese Katastrophe nicht verursachen könnten.
      Die Ampel kann nur noch reagieren und versuchen das Beste draus zu machen oder auch nicht.

  6. Wer glaubt das die Dienstleistungsgesellschaft die Zukunft ist, der glaubt auch, das wir das richten werden in Zukunft.

    Deutschland hatte die letzten 60 Jahre eigentlich immer genug Geld, um wirklich zum modernsten und effektivesten Staat der Welt zu werden. Leider haben es diese Vollpfosten gegen die Wand geknallt. Danke, an alle die dieses zeug gewählt haben!

    1. Also erstmal sollte man sich Beleidigungen sparen und sachlich bleiben und dann wer ist denn gemeint, eine jetzige Bundesregierung oder die, die uns 20 Jahre aus reicher Geldgier an ausländische Konzerne verkauft hat? Wer das nicht kommen sehen hat, sollte jetzt nicht eine Bunderegierung beschimpfen die nur noch reagieren kann. Ruhig bleiben und abwarten, mehr kann jetzt nicht getan werden. Vor muss Deutschland wieder mehr selbst erzeugen. Wenn ich lese das 16% der Bevölkerung an der Armutsgrenze leben und 3100 reiche Menschen in Deutschland immer Reicher werden und die Folgen der Inflation auch noch nicht absehbar sind, dann brauchen wir nicht von einem tollen Wirtschaftstandord Deutschland sprechen. Es ist ein Skandal.

  7. Hm, der Artikel hinterlässt einen merkwürdigen Beigeschmack. Hier scheint das grundsätzliche Missverständnis von Handelsbilanzen volle Blüte zu tragen, in dem mit Begriffen wie „positiv“ und „negativ“ falsch hantiert und das Prinzip einer außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanz anscheinend nicht verstanden wird.
    Die „positive“ Handelbilanz der letzten drei Jahrzehnte ist vieles, aber sicherlich nicht durchweg positiv. Und eine ausgeglichenere Handelsbilanz ist nicht per se negativ, im Gegenteil, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist zu Recht ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik. Denn was der Artikel auslässt und im zweiten Absatz schon direkt falsch beschreibt, ist die Tatsache, dass eine dauerhaft positive wie negative Außenhandelsbilanz unerwünschte Konsequenzen hat. Vielleicht müssen sich die Autor*innen deshalb nocheinmal verstärkt mit dem Thema Zahlungsbilanz beschäftigen. Ein Importüberschuss führt nämlich nicht zu einem Kapitalexport, sondern zu einem Kapitalimport. Die volkswirtschaftlichen Details werde ich mir an dieser Stelle sparen, aber dieses blinde Bejubeln des Handelsüberschusses gehört wie der dazugehörige Merk(el)antilismus auf den Müllhaufen der Geschichte und zwar dringend.

  8. laoandretj hat völlig recht.
    Der Artikel ist ein schönes Beispiel dafür was rauskommt, wenn man auf ein volkswirtschaftliches Thema durch die betriebswirtschaftliche Brille schaut. Ein Land ist kein Unternehmen – ein Unternehmen will viel verkaufen und Gewinne zu erzielen, die es dann an die Inhaber weiterreicht. Ein Land treibt Handel nicht um auf Geldbergen zu sitzen, sondern um die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen. Wer Exportüberschüsse erzielt, gibt reale Werte (Waren und Dienstleistungen) für Schuldscheine ab, anstatt damit wieder reale Werte zu erwerben. Das Geldguthaben, das die deutsche Volkswirtschaft beim Ausland hat, erzielt in den meisten Jahren eine negative Rendite, das heißt ein Teil davon löst sich auf, ohne dass wir etwas dafür bekommen. Gute Wirtschaftspolitik sieht anders aus.
    Und ein langfristiger Nachteil beim Exportüberschuss ist auch Instabilität im internationalen Handel, denn jedem Exportüberschuss im einen Land steht anderswo ein Importüberschuss gegenüber, der auf Dauer nicht gut gehen kann. Das ist übrigens auch einer Gründe für die Eurokrise ab 2010 – kurz kann man das hier (https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/220-vorgaenge/publikation/ueberschuesse/), ausführlicher hier (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_Systemische_Krise_des_Euro.pdf) nachlesen.

    Warum fordern dann so viele Seiten Exportüberschüsse? Nun, die bekommt man mit niedrigen Kosten (heißt im internationalen Vergleich vor allem Lohn- und Energiekosten) und niedriger Inflation (also v.a. mit niedrigen Lohnstückkosten und damit auch niedrigeren Löhnen) hin. Niedrigere Löhne bedeuten zugleich mehr Unternehmensgewinne und mehr Geld für die Kapitaleigner (aber nicht notwendigerweise mehr Investitionen – siehe auch unsere seit langem niedrige Investitionsquote). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

  9. ulrich Stolarczyk

    Wirtschaftsexperten gibt es reichlich u. genauso abweichende Meinungen. Deutschland hat eine starke Industrie, einen starken Tourismussektor, eine starke Landwirtschaft (eigentlich Massentierhaltung, mit allen negativen Folgen, speziell für die Tiere). Deutschland ist Eigenversorger, hier hungert niemand, falls Lebensmittelimporte ausfallen würden. – Lange Zeit galt: hohe Beschäftigung=hohe Inflation, aber über Jahre gab es in D. keine Inflation. Jetzt steigen Preise recht stark u. die Gründe sind bekannt. Die Arbeitslosigkeit ist noch gering, hat aber wenig mit den steigenden Preisen zu tun. – Hätten alle Länder der Welt eine ca. ausgeglichene Handelsbilanz gäbe es weniger Schieflagen. Über den Lebensstandard würde dies nur sehr bedingt etwas aussagen. Tarifbindung, Demokratie, wettbewerbsfähige Produkte, die Firmen ausreichende Gewinne einbringen um faire Löhne zu zahlen sind entscheidend. Korruption z.B. schädigt ein Land, bereichert nur die Herrschenden. Trotz aller Kritik, Deutschland geht auch mit dieser Regierung nicht unter. Der grüne Wirtschaftsminister ist kein Zerstörer. Und unter hohen Preisen leidet nicht nur Deutschland, auch die USA trotz starkem Dollar u. damit günstigeren Importen. Und: Preise können auch wieder fallen, Rohstoffpreise oft schneller als erwartet.

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