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Handelskrieg: Die Reaktionen der Märkte

Die Reaktionen der Märkte auf Headlines werden immer gemäßigter - vermutlich wegen des Fed-Puts

Seit bald zwei Jahren tobt bereits einen Handelskrieg zwischen den USA mit der Erhebung von Zöllen und Gegenzöllen, Aufbau von schwarzen Listen und weiteren Sanktionen. Eine ständige Eskalation, die bereits zu erheblichen Einbußen im Wachstum der Weltwirtschaft geführt hat. Jede weitere Eskalation oder auch eine Drohung derselben hatte in der Vergangenheit sofortige Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten zur Folge. Aber in den letzten Wochen scheint sich eine Wende ergeben zu haben: die Märkte scheinen sich immunisiert zu haben, man reagiert kaum mehr auf neue Drohungen und Verschiebungen. Was hat sich geändert?

Die Zwänge der Regierungen und der Fed-Put

Als am Mittwoch Abend die Meldung über die Ticker lief, dass das für Mitte November vorgesehene Treffen zwischen Präsident Trump und Xi Jinping voraussichtlich erst im Dezember stattfinden würde, gab es eine vergleichsweise harmlose Bewegung an der Wall Street. Noch vor einigen Wochen hätte nur ein kleiner Trump-Tweet schon ausgereicht, um dreistellige Kursbewegungen im Dow Jones zu verursachen. Trotz eines ständigen Meldungs-Tohuwabohus von chinesischer und amerikanischer Seite bezüglich der Fortschritte beim Phase 1-Deal, gab es schon kaum mehr Kursausschläge. Die Wahrnehmung der Märkte hat sich verändert.

Meine These: Die Entscheidungen der US-Notenbank (zuletzt am 30.Oktober) haben wieder so etwas wie einen Fed-Put implementiert. Man hält still, flutet die Anleihemärkte mit Liquidität, steht aber mit weiteren Zinssenkungen bereit, sollte der Handelskonflikt die US-Konjunktur weiter dämpfen. Die Inflationsaussichten – das Damoklesschwert für zinspolitische Lockerungen –  bleiben moderat. Und da kann man sich weiter der Stützung der Konjunktur und der Arbeitsmärkte widmen.

In der konjunkturellen Entwicklung der Großmächte sind die Spuren durch den Handelskrieg überdeutlich, auch wenn es von den Staatschefs anders kommuniziert wird. In China kämpfen die Frühindikatoren mit der Schwelle von 50 Punkten, trotz der mehrfachen milliardenschweren Spritzen der Regierung bereits seit Jahresbeginn. Und dabei sind die höheren Zölle noch gar nicht richtig eingeführt und wirksam. In den USA schockte bisher nur der Industriesektor, aber welche Salve an Brandbriefen von Wirtschaftsverbänden und Tech-Unternehmen (allen voran Apple) prasselten auf das Weiße Haus ein, immer mit der Drohung des Abbaus von Arbeitsplätzen?

Und dann erst der Konsum: Bereits im Frühjahr habe ich über das Problem geschrieben, sollte Trump tatsächlich die Produkte des täglichen Lebens mit 25 Prozent bezollen. Erst leiden die US-Farmer unter den chinesischen Boykotten, dann der kleine Mann beim Einkauf bei Walmart – im Wahlkampf für Trump ein Unding.

Donald Trump hat es mehrfach erlebt, wie die die Aktienmärkte reagieren würden, sollte der Handelsstreit so eskalieren, dass es die Wirtschaft hart trifft. Nach 500-Punktebewegungen bei seinem Lieblingsindex Dow Jones abwärts war er stets mit beschwichtigenden Twitter-Worten zur Stelle.

Das bedeutet zusammengefasst, dass die Märkte von einer Zwischenlösung ausgehen, von keiner mittelbaren Fortsetzung der Eskalation, ungeachtet der Äußerungen beider Seiten.

Handelskrieg: Entspannung auch gegenüber der EU

Aktuell gibt es Entspannungszeichen auch an der zweiten Front im Handelskrieg, die der US-Präsident aufgebaut hat. Es geht um die Abgaben gegenüber der Europäischen Union, mit Zöllen für die Landwirtschaft, die Luftfahrtindustrie und ganz speziell die Automobilindustrie mit Trumps persönlichen Feinden auf der Fifth Avenue, den Fahrzeugen mit dem Stern.

Am 14. November läuft die Frist aus, nach der die US-Regierung darüber entscheiden will, ob sie europäische Autos mit Strafzöllen belegt. Aber seit einigen Tagen sendet US Präsident versöhnliche Signale in Richtung EU.

Der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross sprach davon, dass §232 des amerikanischen Handelsgesetzes nicht vollständig in Kraft gesetzt würde, sprich die nationale Sicherheit der USA durch Autoimporte anscheinend doch nicht so gefährdet sei. In dieselbe Kerbe schlug auch der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, mit jüngsten Äußerungen. Noch wurde nichts konkret umgesetzt, aber allem Anschein nach sind für den Präsidenten die Risiken zu groß, um im Wahljahr einen Handelsstreit an zwei Fronten zu führen.

Schlussfolgerungen

Der schon lange andauernde Handelskrieg zwischen den USA und China hat Spuren hinterlassen – in der Weltwirtschaft, in den Ökonomien der beiden Streithähne und in deren Köpfen. Bei einer Fortsetzung der Handelsstreitigkeiten mit immer größeren Zollschritten verlieren beide Seiten. Es ist doch nicht plausibel, dass sich die Nummer eins und zwei der Welt in ihrer Wirtschaftspolitik nicht um ökonomische Gesamtzusammenhänge scheren. Jedes große internationale Wirtschaftsinstitut (IWF, OECD, Weltbank u.w) hat schon darauf hingewiesen, dass die Welt in eine Rezession rutscht, wenn die Eskalationen weitergehen. Die Märkte gehen mittlerweile davon aus, dass beide Machthaber nicht in wirtschaftlich suizidaler Weise weiter machen wie bisher. Das ist für mich der Grund, warum sich die Märkte so stabil verhalten. Man geht zumindest von einer längeren Pause aus, in der sich die Weltmärkte über die Bildung neuer Handelsketten stabilisieren können.

Die neuesten Meldungen über das Zurückrollen der Zölle gehen sogar noch einen Schritt weiter – sollte es dazu kommen, wäre es eine weitere Bestätigung für die Dominanz der wirtschaftlichen Faktoren- „iIt’s the economy stupid“, erkannte einst Bill Clinton.

Dass der Kampf um die Vorherrschaft der beiden Weltmächte dennoch weitergeht, bleibt unbestritten, aber jetzt könnte es eine längere Pause geben – aus der Not geboren. Wenn es zu einer Rezession beziehungsweise Wirtschaftskrise käme, wären Zölle und deren Auswirkungen in der Höhe von 100 Milliarden Dollar (plus) ein kleineres Problem, denn beide Nationen erwirtschaften zusammen ein Bruttoinlandsprodukt von 34 Billionen Dollar, dazu weisen die Aktienmärkte der Länder eine Marktkapitalisierung auf, die bereits 40 Billionen Dollar erreicht hat: was für eine Fallhöhe auch hier!

Bei einer Bevölkerung von über 1,7 Milliarden Bürgern entstünden gewaltige soziale und wirtschaftliche Probleme mit unterschiedlichsten Auswirkungen. Beide Präsidenten sind keine Alleinherrscher.

Um nicht missverstanden zu werden: Der lange schuldengetriebene Wirtschaftsboom wird zu Ende gehen, die konzertierte Aktion von Regierungen und Notenbanken verschieben nur seinen Kollaps, aber vergrößern zugleich die Fallhöhe des Einbruchs. Die Jahresendrally, die demnächst aus heiterem Himmel mit einer Korrektur unterbrochen werden sollte, läuft weiter. Es entsteht die typische Euphorie am Ende eines Zyklus, demnächst werden auch die Medien wahrscheinlich wieder positive Wirtschaftsmeldungen verkünden.

Aber: Aus der gegenwärtigen Verschuldungssituation kann man mit „finanzieller Repression“ nicht mehr herauswachsen, wie es in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Das würde gewiss ein halbes Menschenleben dauern – undenkbar in einer Konsumgesellschaft.

Die Aktienmärkte reagieren kaum noch auf den Handelskrieg



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1 Kommentar

  1. Nicht auszudenken, wo die Märkte stehen könnten, wenn der Handelskrieg nie gewesen wäre!
    Aber wer weiß, vielleicht auch auf keinem anderen Niveau als jetzt, denn dann gäbe es ja keinen Grund für eine Rally bei Wegfall des Krieges.

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