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Hans-Werner Sinn rechnet mit der EZB-Politik ab – hat er recht?

FMW-Redaktion

Der ehemalige ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist lauter denn je und fordert die Bundesregierung aktiv dazu auf die EZB in ihre Schranken zu verweisen. Das widerspräche auf den ersten Blick ganz klar der Unabhängigkeit der EZB. Aber andererseits muss man fragen: Ist ein Eingriff der Politik nicht doch notwendig, wenn eine Notenbank offensichtlich ihr Mandat in großen Stil überschreitet? Hat Sinn recht?

Hans-Werner Sinn
Hans-Werner Sinn rechnet groß ab mit der EZB-Politik. Foto: Hanswernersinn.de

Das ist die Kernthese von Hans-Werner Sinn. Die EZB überschreitet ihr Mandat und muss daher gestoppt werden. Und in der Tat kann man die Denkweise nachvollziehen. Die Unabhängigkeit einer Notenbank ist solange in Ordnung, wie sie nur das tut, was im Rahmen des ihr gegebenen Mandats liegt. In einem Artikel für die „Zeit“ holt Sinn umfassend gegen die EZB aus. Er erwähnt, dass alles damit anfing, dass die EZB bereits im Jahr 2010 mit dem „Securities Markets Programme“ anfing Staatsanleihen für 223 Milliarden Euro zu kaufen, was eigentlich eine Art Vorläufer für das aktuelle viel gigantischere PSPP-Programm war im Wert von bald mehr als 1 Billion Euro. Auch erwähnt er, dass schon damals der EZB-Chefvolkswirt wie auch der Bundesbankpräsident Weber protestiert hatten. Genau so ist es heute, wo ziemlich alleingelassen Bundesbankpräsident Jens Weidmann beharrlich gegen fast sämtliche „Lockerungsmaßnahmen“ der EZB protestiert.

Neben den reinen Anleihekäufen erwähnt Sinn auch die über das sogenannte ANFA-Abkommen getätigten Käufe der nationalen Notenbanken in Eigenregie, in dessen Zuge z.B. die italienische Notenbank für mehr als 100 Milliarden Euro italienische Staatsanleihen kaufte. Und da wären noch die ELA-Kredite, eine Art Dispo des Eurosystems (EZB + nationale Notenbanken) für Banken in der Eurozone. Nur mit diesen Notkrediten, über die wir auch schon diverse Male berichteten, konnten griechische Banken in den letzten Jahren überhaupt am Leben gehalten werden. Und nur mit diesem Geld waren sie überhaupt in der Lage ständig kurzlaufende neue Anleihen des griechischen Staates zu kaufen. Aber ach je, auch dies ist natürlich keine direkte Staatsfinanzierung der durch die EZB, stimmts?

Sinn vergleicht das EZB-System mit dem Fed-System in den USA, was man in einem bestimmten Umfang auch tun kann, so meinen wir. Bundesstaaten in den USA (im Vergleich zu Euro-Staaten) könnten dort pleite gehen, und somit seien die Gläubiger in der Haftung bei einem Zahlungsausfall, was in Europa dank der umfangreichen EZB-Stützung nicht der Fall sei, so Sinn. Er erwähnt auch eine Reihe weiterer Maßnahmen der EZB wie der in ca. 6 Wochen startende Aufkauf von Unternehmensanleihen in der Eurozone, oder auch dass die EZB jetzt Banken Zinsen für ihre Kreditaufnahme zahlt. All das diene dazu das gesamte Zinsspektrum ins Negative zu drücken, so drückt er sich aus.

Letztlich, so Sinn´s Schlussfolgerung, sei es bei all den Rettungsmaßnahmen der EZB darum gegangen europäische Banken (vor allem französische) und Staaten zu retten. Letztlich läuft alles auf eine verdeckte und irgendwann offene Staatsfinanzierung hinaus, die das Mandat der EZB natürlich weit überschreitet. Die EZB selbst, so kann man es ausdrücken, findet für alles eine Erklärung. Die ELA´s z.B. sind ja keine Staatsfinanzierung, sondern lediglich Notkredite für Banken, kurzfristig!?! Und die Anleihekäufe erfolgen nur am freien Anleihemarkt und nicht in der Primärauktion, sie sind also für die EZB offiziell keine direkte Staatsfinanzierung. So kann man sich die Wahrheit zurechtbiegen, wie man sie braucht.Sinn schreibt im Originalwortlaut:

„So wird es immer weitergehen, wenn keiner die EZB stoppt.“

„Der Bestand der deutschen Lebensversicherungsverträge, die Sicherheit der Riester-Renten und das Überleben des deutschen Sparkassensystems stehen auf dem Spiel.“

Er fordert die Bundesregierung dazu auf aktiv gegen die EZB zu handeln. Es gehe nicht darum ihre Unabhängigkeit zu beschneiden, sondern ihr Handeln außerhalb ihres Mandats zu beenden, also die verbotene Staatsfinanzierung und die Rettung von Pleitestaaten. Die Bundesregierung könne z.B. jederzeit den Maastrichter Vertrag kündigen und eine Neuregelung verlangen, was die Basis für die EZB darstellt. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach wird das nicht passieren. Denn es gibt ja genau wie für Deutschland auch eine Art europäische Staatsraison, der sich Angela Merkel und Co verpflichtet fühlen. Das „große Ganze“ muss gewahrt werden.

Wir sehen es ähnlich wie Hans-Werner Sinn. Addiert man alle von ihm aufgelisteten EZB-Maßnahmen zusammen, ergibt das Gesamtbild letztlich eine Verschiebung der Staatsfinanzierung in Europa weg von privaten Investoren hin zur EZB, womit sich die Euro-Staaten quasi selbst durch die Druckerpresse am Leben halten. Durch die Nullzinspolitik sind in der Tat alle gefährdert, die etwas sparen, wie auch kleine Banken und Sparkassen, die immer mehr Filialen schließen und Personal abbauen müssen. In allen Fällen zahlt letztlich immer der Endverbraucher die Zeche. Gewinner dieser Politik sind die Regierungen einiger Euro-Staaten, die sich so wunderbar weiterverschulden können zu Nullzinsen, und sich daher nicht die Mühe machen müssen strukturelle wirtschaftliche Reformen angehen zu müssen – denn das Geld ist ja da!



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8 Kommentare

  1. Von der Bundesregierung ist hier nichts zu erwarten. Ohne die EZB wäre der „Schwarze-Null“-Traum Schäubles längst ausgeträumt. Und Weidmann ist Merkels Buddy und hat jüngst seine moderate und – angesichts der Stimmverhältnisse im EZB Rat – völlig ungefährliche Kritik am Kurs der EZB gegen eine Pro-Draghi Rhetorik getauscht.
    Die Bevölkerung wacht ganz langsam aus ihrem Tiefschlaf auf. So interpretiere ich die 30%, die sich für einen Austritt Deutschlands aus der EU aussprechen. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Ende der EZB.

  2. Was würden wir ohne den Hans Werner nur machen? Alles wäre so Sinnlos.

    Guter Artikel – schön komprimiert uns auf den Punkt.

    Beste Grüße & gute Trades

  3. Klasse Artikel!Den Worten von Ex-Käptn Ahab ist nichts mehr hinzuzufügen,ausser:Er fordert die Bundesregierung auf…Diese grosskotzerische(ehemalige)Bundesregierung zu irgendwas, dem Bürger nützlichen, aufzufordern,ist ähnlich sinnvoll wie einem Ochsen ins Horn zu zwicken!Einzig und allein die AFD(das erkaudert!!mich als Demokrat!)scheint in der Lage zu sein der Diktatur der EZB Einhalt gebieten zu können!Stoppt TTIP,CETA,DRAGHI,wenn Ihr selbstbestimmt überleben wollt!Mutti go Faymann&gut is!

  4. Die EZB hat ein Mandat: Es heiß Preisstabilität. Das wiederum heißt laut Mandat knapp 2 % Inflation. Davon ist die Eurozone weit weg. Und wenn man Mario Draghi immer so schön kritisiert: Was sollte denn die EZB stattdessen tun? Wäre es nicht an der Zeit, mal Draghi zu zitieren. Die Maßnahmen der EZB werden sich nur richtig entfalten, wenn die Staaten Strukturreformen durchführen. Kaputtsparen ist dabei wahrscheinlich eher nicht gemeint. Wenn Inflation geschaffen werden soll, muss die Nachfrage angekurbelt werden. Man kann natürlich auch das Mandat überdenken. Auch hier wäre die Politik gefragt. ich sehe daher ein Politikversagen – auch, wahrscheinlich sogar besonders in Berlin.

    1. Kaputtsparen!Was für ein Begriff!So ähnlich wie verdursten durch Waterboarding.Was manche Leute so von sich geben-erstaunlich!

      1. Erstaunlich nur deshalb, weil Sinn, Schäuble und ähnliche „Sparfüchse“ seit vielen Jahren propagieren, es wäre für die Volkswirtschaft als Ganzes genauso erstrebenswert zu sparen, wie für eine brave Hausfrau. Zu der Auffassung kommt man, wenn man immer nur sein eigenes Haushaltsbuch anschaut, sich über das Gesparte freut und nicht berücksichtigt, dass jeder Euro den A spart, B als Einnahme fehlt und zwingt, die eigenen Ausgaben weiter zu senken, um sein eigenes Sparziel zu erreichen. Wenn alle gleichzeitig sparen wollen (also weniger ausgeben als einnehmen), fallen zwangsläufig für alle die Einnahmen – für die einen früher, für die anderen später. Da kann sich die EZB zweimal den Wolf drucken, es wird nichts ändern.

  5. Sebastian Schaarschmidt

    In den Präambeln der EZB heißt es ganz klar:“Die Zentralbank und alle ihr unterstellten Landesbanken haften NICHT für jedwede Verbindlichkeiten ihrer Mitgliedsstaaten und auch nicht der Regionen oder Länder oder Organisationen.“
    Desweiteren steht da:“Die EZB strebt eine geordnete Geldwertstabilität an“.
    Also ist der Ankauf von Staatsanleihen verboten.Und von einer 2% Inflation als erstrebenswertes Ideal lese ich da auch nichts.

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