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Hans-Werner Sinn: Tschüss Käpt´n Ahab – ein Blick auf die Fehler der Treuhand und mehr…

FMW-Redaktion

Hochinteressante Aspekte zur Wiedervereinigung gab es vor Kurzem von Hans-Werner Sinn zu hören. Egal ob man ihn mag oder auch nicht: Zum endgültigen Abschied als Chef des ifo-Instituts äußerte sich Sinn jetzt beim Bayerischen Rundfunk vor allem ausführlich zum Thema Deutsche Wiedervereinigung. Anders als man es erwarten würde, spricht er auch im Einigungsvertrag enthaltene Passagen an, dass das „volkseigene Vermögen“ teilweise hätte ans Volk verteilt werden sollen. Auch zu anderen Details des Einigungsprozesses spricht Sinn sehr interessante Aspekte an…

Hans-Werner Sinn
Hans-Werner Sinn, noch Präsident des ifo-Instituts. Foto: Romy Bonitz, ifo Institut / Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Beteiligung der Ostdeutschen an den Treuhand-Verkäufen

In einem Video-Interview (Link unten) beim Bayerischen Rundfunk wird Hans-Werner Sinn auch von seiner privaten Seite beleuchtet (die ersten Minuten), was man überspringen kann. Danach spricht er z.B. die Tatsache an, dass im Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR vorgesehen war, Teile des „volkseigenen Vermögens“, das wie Sinn es formuliert ja allen und keinem gehörte, beim Übergang in die Marktwirtschaft individuell an die Bürger im Osten zu verteilen. Dies sei von der Politik aber nicht gemacht worden. Sinn´s Vorschlag wäre damals gewesen, dass die Treuhand nicht schnell die Betriebe in die BRD verkauft hätte, wo die Firmen dann umgehend plattgemacht wurden um keine neue Konkurrenz entstehen zu lassen. Die Treuhand hätte westdeutsche Betriebe beim Aufkaufen den Ostbetriebe privilegiert gegenüber ausländischen Investoren.

Er hätte sich für damals gewünscht, dass die Treuhand internationale Konzerne für Joint Ventures ins Boot geholt hätte. Der Investor hätte sein Produkt-Know How eingebracht, und die Arbeiter in der ehemaligen DDR ihre persönlichen Fertigungskenntnisse. Die Produktionsanlagen hätte man natürlich erneuern müssen, aber entscheidend seien ja die Menschen in den Betrieben gewesen mit ihrem Know How. Der deutsche Staat hätte eine Minderheitsbeteiligung an diesen Joint Ventures erhalten, die er in einem zweiten Schritt hätte an die ostdeutsche Bevölkerung verteilen sollen – so sei es im Einigungsvertrag auch gefordert worden!

Lohnanpassungen während der Wendezeit

Aberwitzig fand Sinn es auch, dass westdeutsche Arbeitgeber und westdeutsche Gewerkschaftsvertreter sich in der Wendezeit auf den Weg gen Osten machten um für ostdeutsche Arbeiter Lohnverhandlungen zu führen. Es hätte zwar überall Osten drauf gestanden, aber die Menschen auf beiden Seiten der Verhandlungen seien aus dem Westen gewesen, und dies zu einer Zeit, wo die Treuhand noch Eigentümerin der Betriebe war. Die Schlussfolgerung von Hans-Werner Sinn ist nachvollziehbar: Ziel der Lohnverhandler sei es gewesen die ostdeutschen Löhne schnell auf das westdeutsche Niveau hochzudrücken, denn die Befürchtung wäre latent vorhanden gewesen, dass doch irgendwann z.B. asiatische Konkurrenten im Osten eingestiegen wären, dann mit billigen ostdeutschen Arbeitern als brutale Konkurrenz zur westdeutschen Industrie. Wir meinen: Das mag sein, aber irgendwie ging es den Lohnverhandlern doch auch um höhere Löhne an sich, oder? Durch die viel zu schnell gestiegenen Löhne sei es wg. der niedrigen Produktivität im Osten zu Massenentlassungen gekommen, da viele Investoren durch die zu hohen Löhne abgeschreckt wurden, so Sinn.

Die tatsächliche Wirtschaftsleistung Ostdeutschlands heute

Hans-Werner Sinn spricht die heute immer noch viel zu geringe Produktivität in Ostdeutschland an. Im ganz Groben hätte der Osten inzwischen ja die selben Lebensverhältnisse wie der Westen erreicht. Für ihn sei aber das rein privat erzeugte Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf die maßgebende Kennzahl, die in der ehemaligen DDR immer noch nur 61% des Westniveaus betrage. Beziehe man West-Berlin mit ein und auch den Staatssektor, erhöhe sich die Zahl, aber letztlich seien die 61% entscheidend. Diese Argumentation ist nachvollziehbar, denn letztlich erzeugt ja die private Wirtschaftsleistung erst Steuern, von denen der Staat seine Ausgaben bezahlen kann! Das rasante wirtschaftliche Wachstum um sich an den Westen anzupassen, fand laut Sinn großteils nur in den ersten 5 Jahren nach der Wiedervereinigung statt. Der Lebensstandard sei bis jetzt auf 90% des Westniveaus gestiegen. Es sei im Osten aber keine wirtschaftliche Basis entstanden, die sich selbst tragen könne. Der Osten benötige immer noch massive Transfers aus dem Westen, so Sinn.

Finanzkrisen und Wirtschaftsblasen

Hans-Werner Sinn spricht auch nochmal zahlreiche Wirtschaftsblasen an, Japan, USA, Südeuropa, Irland, Lehman usw. Seine wichtigste Kernbotschaft: Die weltweiten Notenbanken hätten alles gerettet, was zu retten war, und damit den notwendigen Selbstreinigungsprozess verhindert. Künstlich seien z.B. Banken am Leben gehalten und ineffiziente Strukturen damit aufrechterhalten worden. Konkurse seien nicht so schlimm wie alle denken würden. Der Gläubiger und nicht der Schuldner würde im Konkursfall verlieren.

Die privaten Gläubiger hätten sich in der Realität aber dank der Rettungsmaßnahmen aus dem Staub machen können, weil sie herausgehauen wurden z.B. bei der Griechenland-Rettung. Diese Rettungsarchitektur für Europa hätte Unfrieden geschaffen – oha, da hört man ja einen kräftigen Schuss Varoufakis raus? In vielen Punkten gibt es eine inhaltliche Überschneidung, ja erstaunlich. Auch wird Sinn vom Moderator auf Karl Marx angesprochen und geht darauf auch ein. Ein hochinteressantes Interview, wobei man die ersten Minuten überspringen kann.

Hier geht´s direkt zum Video.



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