Die Immobilien-Krise in China geht weiter: Wenn selbst die traditionell vorsichtigen Analysten des Internationalen Währungsfonds (IWF) öffentlich Alarm schlagen, dann steht fest- es ist ernst. In einer überraschend offenen Analyse skizzieren Kenneth Rogoff, ehemaliger Chefökonom des IWF, und Yuanchen Yang ein düsteres Bild der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Ihr Fazit: Die Immobilien-Krise in China ist nicht nur Realität – sie könnte das endgültige Ende von Chinas Hochwachstumsära markieren.
Immobilien-Krise in China: IWF bricht mit Zurückhaltung
Chinas Immobilien-Krise ist kein neues Thema. Seit 2021 fallen die Preise in kleineren Städten, Projektentwickler taumeln in Richtung Insolvenz, und immer mehr unfertige Gebäude zeugen von der Krise. Doch was die jüngste Analyse im IWF-Magazin „Finance and Development“ besonders macht, ist ihre klare Sprache. Rogoff und Yang nehmen kein Blatt vor den Mund: Der jahrzehntelange Immobilien-Boom, der Chinas Wirtschaft befeuert hat, ist zum Risikofaktor mutiert – und könnte das Fundament der gesamten Wirtschaft ins Wanken bringen.
Schon 2020 hatten Rogoff und Yang in ihrer Studie „Peak China Housing“ vorausgesagt, dass der Sektor überhitzt sei. Damals wurden ihre Warnungen weitgehend ignoriert. Doch heute, inmitten eines sich entfaltenden Markteinbruchs, wirken ihre Einschätzungen geradezu prophetisch.
Immobilien-Krise in China: Zahlen, die alarmieren
Die Situation auf Chinas Immobilien-Markt ist dramatisch. Zwischen 2008 und 2023 stieg die Haushaltsverschuldung von weniger als 20% auf über 60% des BIP. Diese Entwicklung war direkt an den kreditfinanzierten Immobilienboom gekoppelt, der Städte wie Peking und Shanghai in extreme Preisblasen trieb. Das Verhältnis von Wohnungspreisen zu Einkommen liegt hier mittlerweile doppelt so hoch wie in London – ein untrügliches Zeichen einer Überhitzung.
Abb 1: Preisdifferenzen in verschiedenen Kategorien chinesischer Städte. Quelle: IMF
Noch gravierender ist jedoch die Lage in den kleineren Städten, die etwa 60 % zum chinesischen BIP beitragen. Hier dominieren Geisterstädte und unfertige Bauprojekte das Bild. Diese Immobilienruinen sind zu Symbolen für eine Branche geworden, die sich zunehmend als tickende Zeitbombe erweist.
Abb 2: Anzahl der nicht-fertiggestellten Immobilienprojekte in China. Quelle: IMF
Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Sektors kann kaum überschätzt werden: Rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung Chinas und etwa 15% der Beschäftigung hängen direkt oder indirekt am Immobilienmarkt. Jede Korrektur in diesem Bereich trifft nicht nur Bauträger, sondern zieht die gesamte Wirtschaft mit sich. Der Fall des Immobilienriesen Vanke, der diese Woche unter staatliche Kontrolle gestellt wurde, ist nur ein Vorgeschmack auf die systemischen Risiken, die hier schlummern.
Abb 3: Anteil der Immobilienwirtschaft am BIP in China. Quelle: IMF
Der IWF prognostiziert Chinas Zeitenwende
Die Kernbotschaft des IWF-Artikels ist klar: Selbst wenn China eine vollständige Finanzkrise abwenden kann, wird der Immobilienmarkt das Wirtschaftswachstum nachhaltig bremsen. Doch die Warnung enthält noch mehr Brisanz. Internationale Institutionen wie der IWF formulieren selten so deutliche Kritik. Zwar haben sowohl westliche als auch chinesische Beobachter schon lange vor den Risiken des kreditgetriebenen Immobilienmodells gewarnt, doch in dieser Klarheit äußert sich der IWF kaum jemals.
Rogoff und Yang gehen sogar so weit, zu sagen, dass Chinas Immobilienkrise strukturelle Schwächen offenlegt, die auch anderen Ländern als Warnung dienen sollten.
China: Immobilien-Krise als globales Risiko
Die Analyse des IWF beschränkt sich nicht nur auf China. Sie ist ein Weckruf für die Weltwirtschaft. Denn Länder, die stark von Chinas Nachfrage abhängen – insbesondere Rohstoffexporteure –, könnten durch die schrumpfende Bautätigkeit empfindlich getroffen werden. Doch es gibt noch eine andere Gefahr, die erst langsam in den öffentlichen Diskurs Einzug erhaelt: Anstatt die strukturellen Probleme zu lösen, könnte China versuchen, den Druck durch noch mehr Exporte zu kompensieren und damit sein Außenhandels Defizit noch weiter ausbauen. Dies würde die Handelsungleichgewichte verschärfen und Länder wie Deutschland – selbst stark exportabhängig – empfindlich treffen.
Wie Paul Krugman in seiner in den letzten Tagen veröffentlichten Analyse hervorhob, hat China bisher nicht gezeigt, dass es bereit ist, den harten, aber notwendigen Kurs der Konsolidierung einzuschlagen. Stattdessen setzt die chinesische Führung unter Xi Jinping weiterhin auf Deficit Spending, um die strukturellen Probleme zu kaschieren. Doch dieser Ansatz verschiebt die eigentlichen Probleme nur in die Zukunft – und vergrößert dabei die Risiken.
Ein Weckruf für China und die Welt
Wenn selbst der IWF Alarm schlägt, sollte die Botschaft ernst genommen werden. Die Abhängigkeit von kreditfinanziertem Wachstum hat China in eine prekäre Lage gebracht. Die chinesische Führung steht vor der schwierigen Aufgabe, den Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaftskonzept zu schaffen. Doch statt Reformen setzt Peking weiterhin auf kurzfristige Maßnahmen wie Kredite und staatliche Fonds. Die Folgen dieser Politik könnten gravierend sein – nicht nur für China, sondern für die gesamte Weltwirtschaft.
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