Nun ist er also da, der Impfstoff. Eine Zeitlang wunderte man sich, warum die großen westlichen Staaten so viele Impfdosen bei verschiedenen Pharma- und Biotechfirmen bestellten, obwohl noch gar nicht klar war, wer überhaupt ein wirksames Präparat liefern wird. Extreme Vorsorge oder doch eine Spur von Egoismus? Nachdem jetzt der große Durchbruch bei vielen Firmen geschafft scheint, zeigen sich auch Nachteile dieses Vorgehens.
Impfstoff: Die derzeitige Verteilung
Als es konkret wurde, gab es nicht mehr so viel zu bestellen. So gestaltet sich derzeit die Lage in Sachen Impfstoff, wenn man für seine eigene Bevölkerung an das begehrte Vakzin kommen will. Fast schon eine Wiederholung des Vorgangs bei der Verteilung von Atemmasken und Schutzbekleidung zu Beginn des Jahres. Die großen Länder waren sehr großzügig bei ihren Bestellungen, so dass es aus jetziger Sicht zu einer gravierenden Unterversorgung vieler armer Entwicklungsländer käme.
Nach Daten des Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) sieht die Lage bei der Versorgung mit gesicherten Impfdosen derzeit wie folgt aus:
Europäische Union: 1,305 Milliarden Dosen (Bevölkerung 450 Mio)
USA: 1,1 Milliarden Dosen (331 Mio)
Großbritannien: 357 Millionen Dosen (67 Mio)
Kanada: 342 Millionen Dosen (37 Mio)
Japan: 340 Millionen Dosen ( 126 Mio)
Covax: Covid-19 Vaccines Global Access – Projekt für Entwicklungsländer: 700 Millionen Dosen (3,5 Milliarden Menschen?)
Dabei haben die wohlhabenden Staaten auch noch Optionen für weitere Chargen für den Impfstoff.
An den Zahlen kann man die Proportionen erkennen, die zeigen, dass sich vor allem Angelsachsen die großen Anteile gesichert haben. Kanada vor den USA und Großbritannien.
Menschenrechtsorganisationen weisen seit ein paar Tagen auf die Ungleichgewichtung bei der Verteilung hin. Die reichen Nationen, die 14 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, hätten sich über die Hälfte der infrage kommenden Vakzine gesichert. Oder anders ausgedrückt, fast 90 Prozent der Menschen in Entwicklungsländer hätten nach jetzigem Stand 2021 keinen Zugang zu einem Impfstoff.
Die Bestellungen bezogen sich auf folgende Firmen:
AstraZeneca, BioNTech/Pfizer, CureVac, Janssen, Medicago, Moderna, Novavax, Sanofi, Serum Insitute of India, Valneva.
Ein eindeutiges Ungleichgewicht, aber…
Bei der Beurteilung dieser Daten gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass viele Bestellungen an Firmen sehr früh ergangen sind, von denen heute noch nicht klar ist, ob das jeweilige Projekt zum Einsatz kommen wird. Außerdem besteht auch ein großer Unterschied in der Bevölkerungsstruktur der alten und der neuen Welt. Das Durchschnittsalter in Japan beträgt 48 Jahre, jenes in Indien gerade 28 Jahre, wie etwa auch in Indonesien und in vielen Ländern Afrikas. Im bevölkerungsreichen Indien beträgt der Anteil der über 65-Jährigen gerade mal gut sechs Prozent, während wir in Deutschland derzeit bereits über 21 Millionen Menschen im Rentenalter haben. Die stärkste Bevölkerungsgruppe ist die 10 – 14-Jährigen mit über 130 Millionen Menschen. Der Anteil der über 80-Jährigen liegt in Indien dabei deutlich unter einem Prozent.
Nebenbei bemerkt: Selbst die Zahl der 100-Jährigen ist in Deutschland stark steigend, über 18.000, vor 20 Jahren gab es nur ein Viertel davon.
Aus dieser Konstellation ergeben sich andere Gefährdungslagen, auch hinsichtlich der zeitlichen Brisanz der Impfungen.
Nichtsdestotrotz ergibt sich aus der weltweiten Pandemie auch eine humanitäre Verpflichtung für die reichen Staaten, die sich diese Impfstoffe leicht leisten können, während sie wahrscheinlich gar nicht so viele Dosen benötigen werden. Wie zum Beispiel Kanada, welches bei Lieferung der bestellten Dosen den fünffachen Bedarf zugestellt bekommen würde. Selbst in der EU betrüge die Überversorgung mit dem Impfstoff noch das Eineinhalbfache.
Die EU hat bereits reagiert
Der Europäischen Union ist diese Sachlage natürlich nicht verborgen geblieben. Zwar gibt es noch keine konkreten Pläne was eventuell mit den Überschüssen an Impfstoffzuteilungen geschehen soll. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, soll sich aber bereits über einen Mechanismus einer Weiterverteilung Gedanken gemacht haben, wie aus ihrem Umfeld bekannt wurde. Man plane 65 Millionen Dosen, also fünf Prozent der zugesicherten Dosen, an arme Länder weiterzugeben. Das würde natürlich noch bei Weitem nicht reichen für die vielen Staaten mit armen Menschen, außerdem hat man natürlich noch keine Einigung über die Finanzierung der Geste.
Fazit
Was am Anfang wie ein weitsichtiges Verhalten der Gesundheitsministerien in vielen Industriestaaten aussah, wirkt jetzt im Moment der ersten Verteilung wie ein egoistischer Akt. Was wird es schon für Diskussionen und Verhandlungsrunden zwischen den großen Nationen gegeben haben, man braucht sich nur an die Versuche von Donald Trump zu erinnern, sein „America-first-Gebaren“ auch bei der Impfstoffsicherung anzuwenden? Das Jahrhundertprojekt Impfung gegen Covid-19 hat begonnen, immer mehr Länder melden den Start der Aktion (aktuell Saudi-Arabien), demnächst wird es neben Fragen wie Nebenwirkungen auch über das Thema Logistik und Verteilung beim Impfstoff gehen.
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Na ein Glück für die Entwicklungsländer. Der Lockdown dürfte nach Aussage der Welternährungsorganisation mindestens 30 Millionen umgebracht haben, bzw. noch in den nächsten Monaten umbringen.
Da sparen die sich zumindest die Impfschäden.