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Industrie sieht drittes Jahr Rezession – Chefs ermahnen Politik

Es droht das dritte Jahr in der Rezession. Firmenchefs ermahnen die Politik. Die Industrie erwartet jetzt für 2025 sogar -0,5 % im BIP.

Gesprächsrunde mit Firmenchefs. Foto: Bloomberg

Die Bundesregierung hatte letzte Woche verkündet: Die bisherige BIP-Prognose (Wirtchaftsleistung) von +1,1 % für 2025 wird gesenkt auf nur noch +0,3 %. Der Bundesverband der deutschen Industrie prognostizierte letzte Woche bereits einen Rückgang um 0,1 %. Und heute folgt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Der Verband verkündet gegenüber dem Handelsblatt seine Erwartung, dass das Bruttoinlandsprodukt 2025 im Vergleich zu 2024 um 0,5 % schrumpfen wird. Man habe so eine schlechte Stimmung und so schlechte Zahlen noch nie gesehen, so der Verband.

CEOs warnen: Deutschland braucht nach Wahl dringend Kehrtwende

2023 und 2024 war die Wirtschaftsleistung in Deutschland bereits geringfügig geschrumpft. 2025 wäre das dritte Jahr in Folge in der Rezession! Die Industrie-Rezession ist viel massiver – sie wird in der Gesamtbilanz des BIP durch den Dienstleistungssektor seit einiger Zeit optisch abgemildert. Die nächste Bundesregierung muss nach Ansicht deutscher Top-Manager schnell handeln, um Investitionen freizusetzen und die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die Vorstandsvorsitzenden von Commerzbank, RWE und Bilfinger wiesen am heutigen Donnerstag bei einer Bloomberg-Podiumsdiskussion in Frankfurt auf strukturelle Probleme wie hohe Energiekosten und bürokratische Hürden hin, die nach der Bundestagswahl am 23. Februar angegangen werden müssten. Die Drohungen von US-Präsident Donald Trump, der EU Zölle aufzuerlegen, würden die Dringlichkeit von Reformen unterstreichen.

“Es besteht Hoffnung, dass wir, wenn wir nach der Wahl eine stabile Regierung haben, schnell einen Stimmungsumschwung erleben und auch Investitionen sehen werden”, sagte Commerzbank-Vorstandschefin Bettina Orlopp. Nach zwei aufeinanderfolgenden Schrumpfungsjahren (Rezession) ist Deutschland vom Wirtschaftsmotor Europas zum Bremsklotz geworden. Die Arbeitslosigkeit stieg im Januar auf den höchsten Stand seit mehr als vier Jahren.

Nach Ansicht von Bilfinger-Chef Thomas Schulz hat sich der Rückgang der Investitionen, der in den 16 Jahren von Angela Merkel zu beobachten war, unter Bundeskanzler Olaf Scholz noch verschärft. Die Politik habe es versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausgaben der Unternehmen für neues Personal und neue Anlagen anzukurbeln. “Und das sollte ein Warnsignal für alle sein“, sagte Schulz. Es müsse eine engere Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen geben. “Wir können das Blatt wirklich wenden und wieder auf Wachstumskurs kommen.”

Grafik zeigt Rezession und BIP-Aussichten für Deutschland

Die Veränderungen, die Topmanager von der nächsten Bundesregierung fordern, könnten sich als Herausforderung erweisen. Während die Union mit einer wirtschaftsfreundlichen Agenda in den Umfragen führend ist, offenbarte der gescheiterte Versuch von CDU-Chef Friedrich Merz in der vergangenen Woche, mit Unterstützung der AfD ein strengeres Zuwanderungsgesetz durchzusetzen, tiefe Differenzen mit den anderen etablierten Parteien.

Die SPD und die Grünen, die für eine Koalition der Mitte notwendig sein könnten, lehnten den Vorstoß vehement ab. Dies zeigt, wie schwierig es sein dürfte, eine gemeinsame Basis zu finden, um strukturelle Probleme wie die marode Infrastruktur und die hohen Energiekosten anzugehen. Die Wirtschaftsdaten werden in dieser Woche kaum Anzeichen einer Besserung zeigen, da die am morgigen Freitag anstehende Industrieproduktion für Dezember voraussichtlich einen Rückgang aufweisen wird. Am selben Tag wird auch die Handelsbilanz für 2024 veröffentlicht — ein besonders sensibler Datenpunkt, vor allem angesichts des massiven Nachfragerückgangs in China.

Die Sorgen über Trumps Zölle sind laut Orlopp weniger eine Bedrohung als ein Aufruf zum Handeln. “Das Wichtigste ist, dass Europa vorbereitet ist, dass Europa zusammensteht und dass wir eine koordinierte Antwort darauf haben“, sagte sie. “Ich denke, es geht nur um Deals, also um Parteien, die sich zusammensetzen und ein Geschäft abschließen müssen.“

RWE-CEO Markus Krebber warnte vor den Folgen der Unsicherheit. “Derzeit bremsen die Zölle unsere Investitionen”, sagte er auf dem Podium. “Das ist definitiv nicht beabsichtigt.” Trotz ihrer Besorgnis sind die Topmanager überzeugt, dass die Wirtschaft immer noch Anzeichen von Widerstandskraft zeigt und dass es eine Chance gibt, die Krise als Sprungbrett zu nutzen.

“Wir glauben, dass die deutsche Industrie in den nächsten Jahren aufgrund des aktuellen Drucks besser abschneiden wird“, sagte Bilfinger-CEO Schulz, dessen Unternehmen Industriedienstleistungen anbietet. “Aber der kurzfristige Ausblick ist nicht positiv.“ Die Krise könnte ein Handeln erzwingen: “Ich habe noch nie ein so hohes Gefühl der Dringlichkeit erlebt“, sagte RWE-Chef Krebber auf die Frage, was Deutschland brauche, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

FMW/Bloomberg



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4 Kommentare

  1. Ohne wettbewerbsfähige Energie ist alles Nichts. Die Kosten der erforderliche Energie können nicht auf Dauer in dem Umfang subventioniert werden. Der Kippunkt der Wirtschaft war m.E. mit dem Abschalten und dem ohne Not sofortigen Rückbau der AKWs- gerade auch in Bayern- erreicht. Die irrsinnigen wirklichen Kosten der Migration tun das übrige – ändern wird sich in Punkto Kosten kaum etwas.

    1. Kernkraftwerke und Migranten – endlich einmal ein völlig neuer Ansatz für eine ganzheitliche und spannende Analyse der Probleme in der innovativen deutschen Hochleistungsindustrie 🥱😴😔

      Interessant wären ein paar kleine, nerdige Details dazu.
      Welche Primärenergieträger nutzt die Industrie in welchem Umfang?
      Welcher Anteil am Primärenergiebedarf wurde durch Atomkraft abgedeckt?
      Wie genau und in welchem Umfang wirkt sich Migration auf die Energiekosten der Industrie aus?

      1. Selten Fragen von derartig krasser Themaverfehlung vernommen. Haben Sie Abitur- in Bremen oder Hamburg absolviert?

  2. Was Spanien besser macht: Das spanische Wirtschaftswunder | taz.de

    https://taz.de/Was-Spanien-besser-macht/!6065188/

    Meine Anmerkung:
    Die beitragsbezogene Mindestrente wurde in Spanien um 9% erhöht.
    Und das ist Netto, den spanische Rentner müssen keine Krankenkassenbeiträge oder Beiträge für die Pflegeversicherung zahlen.
    Die umgerechnet 14 AKWs laufen auch weiter.
    Man denkt über eine Verlängerung der Laufzeiten bis 2062 nach.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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