Gestern wurde die deutsche Inflation für September mit 10 Prozent vermeldet, und heute für die Eurozone ebenfalls exakt mit 10 Prozent. Schauen wir auf die Interpretation von Experten und die Aussichten für die Zinsen. Zunächst der Blick auf den großen Chart am Ende des Artikels. Er zeigt seit Anfang 2020 den EZB-Leitzins, der jahrelang bei Null lag, und zuletzt auf 1,25 Prozent angehoben wurde. Dazu sehen wir als blaue Linie die Inflation in der Eurozone, die seit 1 1/2 Jahren kontinuierlich ansteigt, von der Null-Linie auf jetzt 10 Prozent. Und wir sehen dazu als türkise Linie die Entwicklung des Euro gegen den US-Dollar. Die Gemeinschaftswährung fällt seit mehr als einem Jahr von 1,22 auf aktuell 0,9761.
Inflation bei 10 Prozent – Interpretation von Experten
Die Ökonomen der Commerzbank interpretieren die hohe Inflation und die Entwicklung der nächsten Monate wie folgt: Die zuletzt gesunkenen Preise für Rohstoffe, insbesondere Rohöl, und die Maßnahmen der nationalen Regierungen zur Dämpfung der Energiepreise lassen erwarten, dass die Inflation in den kommenden Monaten wohl nicht deutlich über 10% steigen wird. Bei einer Stabilisierung der Energiepreise werde die Inflationsrate im Verlauf des kommenden Jahres sogar allmählich wieder sinken.
Doch damit seien die Inflationsprobleme nicht verschwunden. Der unterliegende Preisauftrieb werde kaum nachlassen. So sei der Preisanstieg auf der Erzeugerstufe weiterhin sehr hoch. Zudem hätten viele Unternehmen ihre höheren Produktionskosten noch nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben. Gleichzeitig würden sich die Anzeichen für eine deutliche Verstärkung des Lohnauftriebs mehren. Denn die Gewerkschaften werden bei den kommenden Tarifverhandlungen zumindest einen teilweisen Ausgleich für die immer höhere Inflation fordern.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Ziel der EZB, die Inflation wieder nachhaltig auf knapp 2 Prozent zu drücken, laut den Commerzbankern in weiter Ferne. Um die Inflation zu brechen, werde die EZB die Leitzinsen weiter kräftig erhöhen müssen. Bis zum Frühjahr 2023 erwarten die Ökonomen eine Anhebung des Einlagensatzes auf 3,0%. Für die beiden kommenden Sitzungen rechnet CoBa-Chefvolkswirt Dr. Jörg Krämer mit Zinserhöhungen von jeweils 75 Basispunkten.
Finde den Fehler
FMW: Der Einlagensatz liegt derzeit bei +0,75 Prozent, müsste also sehr stark angehoben werden. Der Leitzins liegt bei 1,25 Prozent (hier ein Überblick). Beim Blick auf den großen Chart stellt sich die Frage: Finden Sie den Fehler? Na klar – die EZB hat sich mehr als ein Jahr lang Zeit gelassen der Inflation auf dem Weg nach oben zu folgen. Nun ist man sozusagen im Panik-Modus, und muss die Zinsen sehr schnell anheben – was die Unternehmenskredite und Baukredite in enormem Tempo verteuert, und europaweit zu Verwerfungen führen könnte.
Inflation! Die Euro-Inflation ist überraschend auf 10,0% gestiegen und damit zum ersten Mal zweistellig. Wir erwarten nun, dass die EZB ihren Einlagensatz bis zum Frühjahr auf 3,0% anhebt. Für die beiden kommenden Sitzungen rechnen wir mit Zinserhöhungen von jeweils 75 Bps. pic.twitter.com/9LJlGyhRMz
— Jörg Krämer (@DrJoergKraemer) September 30, 2022
Charts: TradingView
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