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Inflation: Deutschland ist Europameister bei der Teuerung

Deutschland ist Europameister bei der Inflation

Über Jahrzehnte herrschte in Deutschland eine große Furcht vor der Inflation. Weitergereicht von Generation zu Generation und gespeist aus den Erfahrungen der letzten Hyperinflation vor fast einem Jahrhundert (1923). Die Deutsche Bundesbank war über viele Jahre der (zum Teil verhasste) Garant für Geldwertstabilität. Dieses war auch noch in den ersten Jahren unter der Europäischen Zentralbank der Fall. Jetzt hat sich dies im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn gewandelt, Deutschland ist (derzeit) zum Hochinflationsstaat auf dem alten Kontinent mutiert. In der gestrigen Ausgabe der „Welt“ begab man sich auch auf die Suche nach den Gründen.

Deutschland, der neue Vorreiter der Inflation in der Eurozone

Die deutschen Statistikämter haben es in den letzten Tagen bestätigt: Die Inflationsrate stieg in Deutschland um 3,9 Prozent, während es für die Eurozone noch bei 3,0 Prozent geblieben ist. Dies war ein 28 Jahreshoch für uns, für Europa nur eine Zehnjahresspitze. Damit liegen die Preissteigerungsraten selbst in den hoch verschuldeten Südländern niedriger als hierzulande.

Dabei beträgt die Teuerungsrate seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 bei uns noch 41 Prozent, während es in der gesamten Euro Zone um 46 Prozent nach oben gegangen ist. Dies hat sich derzeit gründlich geändert, selbst in Italien – dem Weichwährungsland schlechthin – ist die Teuerung geringer als in Deutschland.

Persönlich für mich in stetiger Erinnerung: Bei meinen ersten Trips als Münchner zum Gardasee waren 1000 italienische Lire noch ganze vier DM wert, bei der Einführung des Euro nicht mal mehr eine ganze Mark.

Auch Frankreich ist in punkto Inflation schon längst an uns vorbeigezogen, eine seltsame Entwicklung. Wie aus einem Protokoll eines Gesprächs zwischen Außenminister Genscher und François Mitterrand schon länger bekannt ist, hatte der französische Staatspräsident im Jahr 1989 für seine Zustimmung zur Wiedervereinigung eine beschleunigte Einführung der Europäischen Währungsunion verlangt. Weil man die harte Währung D-Mark ziemlich gehasst hatte (die „deutsche Atombombe“) – Zwischenziel erreicht.

Zu den Gründen:

Ein Aspekt ist die „exklusive“ Veränderung der Mehrwertsteuer in Deutschland, wie im Artikel – Inflation und Löhne – am gestrigen Tag dargestellt. Allerdings wurde eine Abweichung zu Frankreich schon in der ersten Jahreshälfte festgestellt, der Grund dafür wurde schon Jahre vorher politisch festgelegt, mit der jährlichen Anhebung der CO2-Steuer, die sich in mehreren Energiepreisen niederschlägt.

Eurostat hat die Strompreise verglichen und dabei gravierende Unterschiede zu unseren Nachbarländern festgestellt: Niederlande 14 Cent für die KWh, Frankreich 20 Cent und Deutschland durchschnittlich 30 Cent. Ökonomen sehen einen weiteren Grund in den hohen Staatsausgaben zur Abmilderung der Krise (Kurzarbeitergeld), was auch nach dem Reopening zu Preisanhebungen geführt haben könnte. Wen wundert dies, wenn in den Medien stets über die gigantische Summe von 2,6 Billionen Euro berichtet wird, welche auf deutschen Geldkonten schlummert.

Die neue Politik der Europäischen Zentralbank

Das asymmetrische Inflationsziel von zwei Prozent heißt nichts anderes, als dass die Zentralbank die Inflation laufen lässt und noch keine Anstalten macht, um dagegenzusteuern. Man agiert gesamteuropäisch und verfolgt mehrere Ziele, die aber aus verständlichen Gründen nicht offen kommuniziert werden. Die Bilanzsumme der EZB steigt und steigt, aber der Widerstand gegen die weitere Fortsetzung von PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) kommt derzeit verbal nur von den Nordländern (AUT, NL, D).

Inflation und EZB-Bilanz

Erste zögerliche Schritte könnte man aus einem aktuellen Interview von EZB Präsidentin Christine Lagarde herauslesen, die sich positiv über die Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone geäußert hat. Man benötige jetzt eher chirurgisch genaue Maßnahmen, fokussiert und zielgerichtet in die Sektoren, die schwer getroffen worden sind. Auch bestätigt von ihrem Stellvertreter Luis de Guindos. Klänge eigentlich nicht nach einer noch langen Periode der Förderung mit der Gießkanne.

Fazit

Noch ist es offen, ob sich die Inflation im neuen Jahr nicht wieder stark abkühlt und sich Basiseffekte und Wirtschaftsabschwächung wieder preissenkend auswirken.

Für Deutschland wird die Geldpolitik der EZB aber doch als großer Belastungsfaktor bestehen bleiben. Zum einen zündet ab Januar 2022 die nächste Preisstufe bei der CO2-Abgabe mit ihrer Auswirkung auf alle möglichen Energiepreise – und zum anderen werden von den 2,6 Billionen Euro auf Geldkonten bis dahin noch nicht allzu viele abgeflossen sein. Obwohl es gerade das Ziel der „Finanziellen Repression“ gewesen ist, über die Belastungen der Geldsparer eine relative Entschuldung der Haushalte bei abnorm niedrigen Kapitalmarktzinsen zu sorgen.

Ein paar Quartale könnte dies sogar klappen, wenn man sich den aktuellen Anstieg des BIP ansieht:

Deutsches BIP

Nur wird der negative Realzins dem deutschen Geldsparer 2021 mindestens die Kleinigkeit von 100 Milliarden Euro an Kaufkraftverlust kosten. War Inflation nicht einmal das größte wirtschaftliche Übel, vor dem sich der Deutsche gefürchtet hatte?

Tempi Passati – aber vielleicht gilt es ja doch noch?



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