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Inflation im Anflug? Top-Ökonom mit eindinglichem Appell an die EZB

Brennender Geldschein

Das Thema Inflation wird von uns oft besprochen. Einiges spricht dafür, dass die Preise demnächst spürbar anziehen könnten. Vor allem aufgrund der tiefen Vorjahresstände könnten die Tankstellenpreise im März und April die Inflationszahlen anheizen. Aber das ist nur ein Faktor. Wolfgang Müller schrieb vor Kurzem über die „Flutung mit Geld“ in Corona-Zeiten und die Auswirkungen (siehe hier). Schauen wir hier und jetzt auf die extrem stark anwachsende Geldmenge in der Eurozone. Dr. Jörg Krämer ist Chef-Volkswirts der Commerzbank, also nicht irgendwer. Er warnt heute.

Inflation und Geldmenge

Dr. Jörg Krämer appelliert in einem heutigen Analysedokument an die Europäische Zentralbank mit der Headline „Nehmt die Geldmenge wieder ernst!“. Die Geldmenge wachse seit Corona viel zu stark. Es baue sich ein Inflationspotential auf. Die EZB solle die Geldmenge nicht weiter stiefmütterlich behandeln. Wie vorher auch habe EZB-Präsidentin Christine Lagarde das Thema Geldmenge bei ihrer PK  im Januar „routiniert durchdekliniert“. Am Ende habe sie wieder einmal lapidar festgestellt, dass „der Abgleich der wirtschaftlichen Analyse mit den Signalen der monetären Analyse“ für eine Fortführung der lockeren Geldpolitik spräche. Aber dieses Weiter-So ist nicht mehr angemessen, so Dr. Jörg Krämer. Denn das Wachstum der Geldmenge M3, zu der Bargeld, Sicht-, Termin-, Spareinlagen und andere geldnahen Anlagen gehören, habe sich seit der Corona-Krise stark beschleunigt – von fünf Prozent auf mehr als zehn Prozent. Dies sei fast der höchste Wert seit Gründung der Währungsunion. In der Grafik sehen wir das Wachstum der Geldmenge in Prozentpunkten seit 1999.

Grafik zeigt Geldmenge als Problem für die Inflation

Interessante Aussagen über geringe Inflation vor der Coronakrise

Das starke Wachstum bei der Geldmenge solle laut Dr. Jörg Krämer ein Weckruf sein. Mit der Geldmenge lasse sich seiner Meinung zwar nicht prognostizieren, wie sich die Inflation kurzfristig entwickelt. Dafür seien Faktoren wie Ölpreise oder Arbeitskosten hilfreicher. Aber über den mittel- bis langfristigen Trend der Inflation sage die Geldmenge nach wie vor eine Menge aus. So helfe das geringe Geldmengenwachstum in den zehn Jahren vor der Corona-Krise zu erklären, warum die Inflation im Euroraum im Durchschnitt dieses Zeitraums deutlich unter dem EZB-Ziel von knapp zwei Prozent geblieben ist. Um diese Marke langfristig zu erreichen, müsse die Geldmenge jährlich um gut fünf Prozent wachsen. Legt sie aber wie seit der Corona-Krise um mehr als zehn Prozent zu, gelange zu viel Geld in Umlauf und es baue sich ein Inflationspotential auf. Dabei werde es in den kommenden Jahren bleiben, wenn die EZB die Geldmenge nicht wieder ernst nehme.

Was nach der Coronakrise passieren könnte

Dr. Jörg Krämer geht auf ein Szenario ein, was nach der Coronakrise passieren könnte. So würden in Europa die Haushaltsdefizite nach dem Abklingen der Coronakrise höher sein als in den Jahren zuvor (FMW: Davon darf man ausgehen). Die Coronakrise habe überall im Euroraum den Glauben der Menschen an die Bedeutung des Staates wiedererwachen lassen. In diesem politischen Klima würden die Bürger noch lange hohe Haushaltsdefizite akzeptieren. Den damit einhergehenden Kredithunger der Staaten würden die Banken durch den Kauf von Staatsanleihen solange stillen, wie sie sie im Rahmen der EZB-Kaufprogramme an die Notenbank weiterreichen können. Den Gegenwert der Anleihen werden die Banken nach Meinung von Dr. Jörg Krämer dann weiter auf die Zentralbankkonten der Finanzminister überweisen, die damit Zahlungen an Privathaushalte und Unternehmen leisten, womit das Geld in Umlauf kommt und die Geldmenge erhöht. Und auch einen weiteren potenziellen Effekt erwähnt er. So würden Unternehmen und Hausbauer nach der Überwindung der Krise zur Aufnahme von zu viel Krediten verführt, wenn die Geldpolitik zu locker bleibt. Dann würden die ausgezahlten Kredite auf den Konten der Unternehmen und Privatleute landen – dies würde die Geldmenge ebenso steigen lassen wie die Anleihekäufe der EZB.

Droht in einigen Jahren eine höhere Inflation in Europa?

Mit Verweis auf eine hohe Inflation in den USA in den 70er-Jahren spricht Dr. Jörg Krämer an, dass Ähnliches auch im Euroraum in vielleicht vier oder fünf Jahren drohe, wenn die Arbeitslosenquote nach Überwindung der Coronakrise wieder niedrig sein werde. Der Schaden einer höheren Inflation könne dieses Mal sogar höher sein als damals, weil zusätzlich Kurseinbrüche an den Finanzmärkten drohen würden. Denn solange Inflation und Zinsen noch niedrig sind, treibe die lockere Geldpolitik die Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien weiter nach oben. Ziehe dann aber die Inflation an und muss die EZB ihre Negativzinspolitik beenden, dürften die hoch bewerteten Vermögenswerte unter die Räder kommen, was eine Finanzkrise auslösen könnte.

Daher dürfe die EZB die Geldmenge nicht weiter stiefmütterlich behandeln. Ihr gebühre eine prominente Rolle im geldpolitischen Strategierahmen, den die EZB gerade überarbeitet. Monetäre Indikatoren sollten laut Dr. Jörg Krämer im Zentrum der zweiten Strategiesäule stehen. Diese dürfe nicht zu einem Sammelsurium von Indikatoren werden, die in der ersten, der realwirtschaftlichen Strategiesäule keinen Platz gefunden hätten. Vor allem aber solle die EZB die von der Geldmenge ausgehenden Signale in der Praxis ernst nehmen.



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