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Inflation: EZB mit Kontrollillusion – und gläubige Märkte

Über den vielleicht größten Irrtum in der Geschichte der Finanzmärkte

Inflation und Kontrollillusion der EZB

Bekanntlich hat die EZB kürzlich ihr Ziel in Sachen Inflation geändert: man will nun die 2% erreichen und, wie die Fed, ein zwischenzeitliches „Überschießen“ dabei tolerieren:

“In support of its symmetric two per cent inflation target and in line with its monetary policy strategy, the Governing Council expects the key ECB interest rates to remain at their present or lower levels until it sees inflation reaching two per cent well ahead of the end of its projection horizon and durably for the rest of the projection horizon, and it judges that realised progress in underlying inflation is sufficiently advanced to be consistent with inflation stabilising at two per cent over the medium term. This may also imply a transitory period in which inflation is moderately above target.”

Inflation und die Kontrollillusion der EZB

Heute hat der Chefvolkswirt der EZB, Philipp Lane, auf der Homepage der EZB eine Begründung für diese Politik geliefert: man wolle damit die Inflationserwartungen nach oben bringen und so dafür sorgen, dass diese 2% dann auch erreicht würden. Denn nach wie vor liege die Inflation unter dem Ziel der EZB, so Lane. Das Erreichen der 2%-Marke aber sei wichtig, um eine Art Sicherheitsabstand zu haben im Falle eines deflationären Schocks:

„The two per cent inflation target is intended to provide a sufficient safety margin to protect the effectiveness of monetary policy in responding to disinflationary shocks.“

Deflationärer Schock? Gestern hatte James Bullard von der St.Louis Fed davon gesprochen, dass die USA einen „inflationären Schock“ erlebt hätten (bekanntlich liegt die Inflation in den USA derzeit über 5%, die Erzeugerpreise über 7%). Lane von der EZB hingegen fürchtet offenkundig immer noch einen deflationären Schock. Klar: noch ist die Inflation in der Eurozone niedriger als in den USA – aber der Trend weist klar nach oben, nicht nur in Deutschland mit seinen 3,8%.

Aber der Mangel an Angebot durch die Störung der Lieferketten wird auch in der Eurozone die Inflation stärker ansteigen lassen. Man gewinnt den Eindruck, als lebe die EZB noch in der Vergangenheit – und nicht in der Realität des Corona-Zeitalters, das ein Zeitalter der Deglobalisierung und schon deshalb latent inflationär ist.

Erst wenn die Inflation stabil bei 2% liege, wolle man dann die Zinsen anheben, so Lane:

„our policy rates will be lifted only if the evidence is sufficiently robust to allow us to see with a high degree of confidence that the inflation rate will reach two per cent on a durable basis“.

Inflation aber ist ein dynamischer Prozess – es ist unrealistisch, dass diese stabil bei 2% verharren wird. Die Geschichte lehrt, dass wenn die Inflation überschießt, sie schwer unter Kontrolle zu bringen ist. Das geht nur dann, wenn man wie einst Fed-Chef Paul Volcker bereit ist, die Wirtschaft in die Rezession zu stürzen durch Verknappung der Geldmenge und deutliche Anhebung der Leitzinsen.

Ist die EZB bereit, die Wirtschaft in die Rezession zu stürzen? Nicht wirklich..

Glaubt wirklich jemand, dass die EZB dazu bereit sei? Wie vermessen ist es von einer Notenbank, in einer so komplexen Corona-Welt zu meinen, die Dinge so steuern zu können, dass sie „stabil“ sind?

Bereits jetzt sind die Lieferengpässe enorm, das gilt auch für Deutschland: 88% der von der DIHK befragten deutschen Firmen berichten über gestiegene Einkaufskosten, 67% aller Firmen wollen die gestiegenen Preise an die Kunden weiter geben (hier dazu mehr). Das werden die Konsumenten also zu spüren bekommen – und weil die Konsumenten das ahnen, werden sie in einer Art self-fulfilling prophecy agieren. Damit steigen dann wiederum die Inflationserwartungen, schon weil die Arbeitnehmer verstärkt auf höhere Löhne drängen werden.

Was wir derzeit erleben, ist ein Angebots-Schock. Ein solcher Angebots-Schock kann, wie in den USA bei Lumber (Bauholz) gesehen, zu extremen Preis-Bewegungen führen. Wie lange dieser Angebots-Schock dauert, kann niemand absehen – schon weil die Corona-Enticklung nicht absehbar ist. Die EZB aber glaubt offenkundig, die Dinge im Griff zu haben – man steuert die Inflationserwartung und alles werde gut.

Vermutlich wird gerade die Entwicklung der Inflation zeigen, dass die Notenbanken einer Kontroll-Illusion unterliegen. Bislang glauben die Märkte ja noch, dass eben diese Notenbanken allmächtig seien – das ist aber wahrscheinlich der größte Irrtum in der Geschichte der Finanzmärkte. Erst wenn die Märkte das realisiseren, wird es kritisch.



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