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Inflation: Glaubwürdigkeit der EZB – ein Kernthema der Zeit

Lediglich ein Symptom dieser Glaubwürdigkeits-Krise der EZB sind ihre miserablen Inflationsprognosen

Inflation EZB Glaubwürdigkeit

Die EZB hat ein Problem mit der Glaubwürdigkeit – und dieses Glaubwürdigkeitsproblem lässt sich vor allem an der Inflation festmachen!

Dieses Problem resultiert nicht daraus, dass praktisch alle seriösen Wirtschaftswissenschaftler nicht mehr an die Lösungskompetenz der EZB glauben. Das wäre hinnehmbar. Viel besorgniserregender ist, dass das Glaubwürdigkeits-Loch bei der neuen Unterschicht und unteren Mittelschicht zu wachsen beginnt. Und von dort frisst es sich in Richtung mittlere und obere Mittelschicht unaufhaltsam weiter.

Lediglich ein Symptom dieser Glaubwürdigkeits-Krise der EZB sind ihre miserablen Inflationsprognosen: Die Kerninflationsrate prognostizierte die EZB für 2022 ursprünglich auf 2,9%, für 2023 auf 2,3% und für 2024 auf 2,0%. Die Konsumentenpreisinflation prognostizierte die EZB für 2022 ursprünglich auf 3%, für 2023 auf 1,8 % und für 2024 auf 1,9% (sofern der Autor den zweideutigen Text und die unpräzise Grafik auf der Seite der EZB richtig deutet.

Inflation, EZB und Glaubwürdigkeit

Im April 2022 lag die Inflation in Deutschland bekanntlich bei 7,4%. Erst liegt die EZB systemisch falsch in ihren Inflationsprognosen, weil sie an falschen Modellen festhält. Dann erleidet sie den Kontrollverlust, weil sie die Inflation nicht in den Griff bekommt. Und schließlich verspielt sie ihre Glaubwürdigkeit restlos, weil sie andere für ihr Versagen verantwortlich macht (Putin, Corona, China), anstatt mit sich selbst kritisch ins Gericht zu gehen. Irren ist menschlich. Aber systematisches Irren berührt tiefere Schichten. In diesem Fall bedroht es die Glaubwürdigkeit der EZB als Institution.

Was ist Glaubwürdigkeit?

Glaubwürdigkeit beinhaltet, Menschen oder Institutionen für würdig zu erachten, dass man ihnen Glauben schenkt. Dem Edelman Trust Barometer 2022 zufolge erodiert das Vertrauen der Bevölkerungen in die staatlichen Institutionen und Medien weltweit. Auf die Frage, ob Regierung und Medien die Gesellschaft eher spalten oder zusammenführen würden, antworteten 48 % der Befragten, ihre Regierung spalte eher. 46 % der Befragten sehen zudem die Medien in der Rolle des Spalters. Für Deutschland sind die Werte noch schlechter: 46 % der Befragten nehmen hierzulande die Regierung als spaltende Kraft wahr und 41 % die Medien.

Christiane Schulz, CEO von Edelman Deutschland, zeigt sich angesichts dieser Vertrauenserosion alarmiert: „Die Ergebnisse spiegeln in aller Deutlichkeit eine besorgniserregende Entwicklung aus gesellschaftspolitischer Sicht wider und zeigen, an welcher kritischen Stelle wir uns mittlerweile befinden. Fehlende Führung, Falschnachrichten und eine desolate Debattenkultur befeuern die Divergenz in der Bevölkerung zunehmend. Um dieser entgegenzuwirken, braucht es mehr denn je gebündelte Kräfte der Institutionen und eine klare Kommunikation, die Orientierung bietet.“

Warum ist Glaubwürdigkeit so entscheidend?

Die gesamte Existenz des modernen Menschen fußt auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Vertrauen darauf, dass die S-Bahn fährt, der Strom aus der Steckdose kommt, der Airbag im Falle eines Unfalles aufgeht, Autos nicht bei Rot über die Ampel mähen, die Bank den Monatslohn nicht veruntreut. Oder Geld sich nicht immer stärker entwertet – wie derzeit sichtbar in der hohen Inflation.

Ohne Vertrauen könnten wir unser technisiertes, auf automatisierte Abläufe optimiertes Leben nicht führen. Wird dieses Vertrauen nachhaltig erschüttert, wird es für die betroffenen Institutionen schwierig. Nagender Zweifel durchlöchert ihre Reputation unwiederbringlich und zerstört die institutionelle Statik irreparabel.

Glaubwürdigkeit sinkt in den demokratischen Kernsektoren

Gegenwärtig erodieren die Glaubwürdigkeitswerte gerade in den demokratischen Kernsektoren Medien, Politik und Justiz. Das ist in einem autoritären Regime nicht weiter tragisch, in einer Demokratie indes schnell existentiell. Der rechtstreue Bürger vertraut darauf, das Gerichte Recht sprechen und nicht nur Urteile. Wenn ein Generalsekretär der CSU einem Journalisten damit droht, er werde ihn fertig machen, er werde ihn bis ans Lebensende verfolgen, dann untermauert das den Verdacht der Bevölkerung, am Vorurteil, die Parteien hätten sich den Staat zur Beute gemacht, sei doch etwas dran.

Besonders schwerwiegend ist die Glaubwürdigkeitserosion bei den Medien. Denn Politik und Justiz sprechen durch die Medien zu den Bürgern. Letztere vertrauen darauf, dass das, was die Medien mitteilen, grosso Modo „objektiv“ und „wahr“ ist. Das aber steht nicht nur in Deutschland in Frage.

Mit der EZB hat nun eine wichtige Institution in Europa eine rapide Erosion ihrer Glaubwürdigkeit erleben müssen – besonders deshalb, weil sie das Problem mit der Inflation lange leugnete und nun nicht wirklich adäquat darauf reagiert!

Wir wollen die Glaubwürdigkeitskrise in den erwähnten demokratischen Kernsektoren zum Anlass für eine kleine Serie nehmen. Denn das Problem liegt viel tiefer, als es oberflächlich anmutet. Es ist philosophischer Natur.



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2 Kommentare

  1. Ist es schlechter, wenn statt anderswo 46% die Medien als Spalter sehen und in D ’nur‘ 41%?
    Dass die untere Bildungsschicht kein Vertrauen in die EZB hat, ist wohl kein großes Problem, da viele ohnehin nichts von ihr bzw ihren Aufgaben (Klimaschutz :-) ) wissen.
    Bedenklicher finde ich aber, dass ich regelmäßig Leute treffe, die wie ich in Bezug auf politische Themen keine Leitmedien mehr konsumieren. ‚Besser uninformiert als manipuliert‘ habe ich da schon gehört.
    Da lobe ich mir Finanzmarktwelt, wo Probleme noch rational und durch keine ideologische Brille betrachtet werden.

  2. Hauptaufgabe der EZB ist die Schuldenfinanzierung. Inflationsbekämfung steht nur noch auf dem Papier. Glaubwürdigkeit null!

    Beispiel:

    Italien – Auktion 12-monatiger BOT Anleihen
    11.05.2022: 0,121%
    https://de.investing.com/economic-calendar/italian-12-month-bot-auction-697

    Deutschland – Harmonisierter Verbraucherpreisindex : 7,8%
    https://de.investing.com/economic-calendar/german-hicp-1556

    „The problem with fiat money, is that it rewards the minority that can handle money, but fools the generation that has worked and saved money.“ – Adam Smith

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