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Inflation: Warum reagieren die Aktienmärkte nicht?

Die Datenlage in Sachen Inflation ist eigentlich eindeutig, überall steigen die Preise. Warum aber reagieren die Aktienmärkte darauf nicht?

Warum reagieren die Aktienmärkte nicht auf die zu erwartende Inflation?

Die Datenlage in Sachen Inflation ist eigentlich eindeutig: die Preise für viele Rohstoffe, für Vorgüter, für Energie und Transport, für Input-Kosten schießen in die Höhe. Warum aber reagieren die Aktienmärkte darauf nicht, die normalerweise verfügbare Wirtschaftsinformationen frühzeitig einpreisen? Könnten die Notenbankchefs tatsächlich Recht haben, wenn sie von einem vorübergehenden Inflationsanstieg sprechen?

Inflation: Die Börsen als unsichere Frühindikatoren

Aktienmärkte sind dafür bekannt, dass sie weit vor anderen Indikatoren die Preise der relevanten Faktoren in die Kurse einpreisen. Mit einer relativ hohen Trefferquote, in der Gesamtheit (bei Indizes – nicht so überzeugend bei vielen Einzeltiteln), aber dennoch besser als es je ein Individuum allein könnte, so gut informiert er auch sein mag.

So haben selbst Wirtschaftsnobelpreisträger wie Robert Shiller und andere schon öfters bemerkt, dass sie auf kurze und mittlere Sicht grottenschlechte Aktienprognostiker wären. Dies hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen, weil in Aktienkursen stets die vielen Informationen von Insidern eingearbeitet werden, also von Leuten, die in den börsennotierten Firmen arbeiten und die akkumuliert mehr Kenntnisse von der Geschäftslage ihrer Firma besitzen, als einzelne Analysten. Selbst der Pförtner bei bestimmten Industriefirmen hat unter Umständen mehr Insiderwissen über den Geschäftsbereich einer Firma bei Beobachtung des ein- und ausfließenden Lieferverkehrs.

Zum anderen gibt es das Prinzip der Reflexivität an der Börse, nämlich die Eigenheit Informationen blitzschnell in die Kurse einzuarbeiten. Die Beobachter von Wirtschaftsentwicklungen sind zugleich Akteure am Aktienmarkt, die dessen Entwicklung mitbestimmen.

Aber was Börsen natürlich nicht können – eine Tatsache, die stets von Aktienmarktskeptikern beispielhaft angeführt wird – ist es, Ereignisse einzupreisen: Wie den 11. September, Fukushima, alle Art von Katastrophen und zuletzt Covid-19 und dessen Mutanten.

Umso mehr stellt sich die Frage, warum die Aktien bisher nicht gefallen sind und die Anleger, die doch so evidenten Hinweise für einen massiven Anstieg der Inflation in den nächsten Wochen und Monaten ignorieren?

Die jüngsten, inflationär wirkenden Faktoren

Zusätzlich zu den bereits gestiegenen Erzeugerpreisen gab es gerade in letzter Zeit deutliche Signale für eine boomende Wirtschaft, auch Engpässe bei Lieferungen, gestörte Lieferketten und massiv steigende Kosten für die Produktion.

Allein an den letzten fünf Börsentagen gab es Stände bei den Frühindikatoren, die es nur selten gibt, allenfalls in heiß laufenden Börsenphasen, bei denen die Notenbanken mit der Zinskeule kommen, um einer anschwellenden Teuerungsrate zuvorzukommen.

Beispiele für heiß gelaufene Leading Indicators:

  • PMI Chicago – 66,3 Punkte, nach 59,5 im Vormonat
  • ISM Purchasing Manager Indizes Verarbeitendes Gewerbe – 64,7 Punkte, bester Wert seit 1983 und Dienstleistungen 63,7 Punkte, der höchste je festgestellte Wert und eine Steigerung gegenüber dem Vormonat um sagenhafte 8,4 Punkte

Dann die Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag:

Ein richtiger Paukenschlag mit 916.000 neue Stellen (erwartet 675.000) und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 6,0 Prozent.

Was hätte man in früheren Zyklen bei diesen Daten für eine Besorgnis an den Märkten gehabt, vor einem Anstieg der Zinsen und der Inflation! Wird die Steueranhebungsdebatte durch die Bidenpläne etwa als Inflationsbremse interpretiert?

Aber: Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Die Märkte reagieren nicht, weil die Zinsen trotz boomender Konjunkturindikatoren nicht steigen.

Was passiert da gerade in den letzen 5 Handelstagen?

Doch keine Inflation? Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe

Glauben oder wissen die Marktteilnehmer, dass es mit der Inflation doch nicht dauerhaft nach oben geht?

Der Inflationsausblick nach Goldman Sachs zeigt doch so eindeutig nach oben:

Inflation: Der Ausblick nach Goldman Sachs

Fazit

Irgendwie ist die Thematik Inflation ein großes Rätsel. Aber ich werde nicht den Fehler machen und bei einer länger andauernden Entwicklung an den Börsen das Ganze als Irrtum der Investoren abtun, auch wenn es immer wieder mal stimmen wird. Aber in der überwiegenden Zahl der Fälle (bei Indizes) steckt zumeist etwas dahinter – wie bereits öfters erwähnt, bei Indizes und großen Titeln, nicht bei spekulativen Titeln mit einer Fangemeinde oder bei Small Caps.

Dieses zu ignorieren ist oft sehr kostspielig für einen Investor, der ein Portfolio verwaltet und dies finanzmathematisch überprüft, er wird dies in den letzten Jahrzehnten schmerzhaft festgestellt haben. Trotz aller Irrtümer: Fast noch nie kam es zu einer Rezession, ohne dass vorher die Aktienkurse gefallen wären – und vice versa bei der gegensätzlichen Entwicklung.

Wenn es also zu einer so starken Inflation kommen wird, mit einem unweigerlichen Anstieg der Zinsen, warum verkaufen dann die Insider in den Firmen nicht massiv, erkennbar an den sogenannten Director Dealings? Die Firmeninsider werden doch berechnet haben, welche Auswirkungen die gestiegenen Kosten für die Gewinnsituation der Unternehmen haben. Rätselhaft. Spätestens in zwei Wochen und danach, wenn die große Unternehmensberichtssaison und deren Ausblick für das kommende Quartal beginnt, könnte etwas Licht ins Dunkel gebracht werden.



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1 Kommentar

  1. Könnte es denn nicht sein das die Inflation schon soweit antipiziert ist, das einem Aktien (als Sachanlge) dann doch wieder auch unter Inflationären Bedinungen als gutes Investment erscheinen. Ich meine raus aus Aktien ok, aber wo hin dann mit der Liquidität ? Bei aufkommender Inflation ist ja Liquidität nicht gerade Sinnvoll insbesondere da die Leitzinsen (und damit die Bankzinsen) ja tief bleiben sollen….

    Die grosse Frage ist doch wohin mit der Liquidität, in Staatsanleihen ? Die dann im Kurs verlieren wenn die Rendite noch mehr steigt ? Ist ja auch ein garantiertes Verlustgeschäft insbesonder wenn die Inflation dann wirklich weiter anzieht…

    Is there really an Alternativ ? Das ist für mich eigentlich die Frage bei den Staatsanleihen…

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