Anleihen

Inverse Zinskurve – besitzt sie noch ihre Aussagekraft?

Die Zinskurve ist selbst in amerikanischen Massenmedien inzwischen in aller Munde: Die Entwicklung wird jeden Tag beobachtet und in allen Wirtschaftsmedien thematisiert, das Verhältnis zwischen den kurz- und langlaufenden Anleihezinsen und deren Invertierung – speziell in den USA. Schließlich galt diese bisher als unglaublich treffsicherer Indikator für das Auftreten einer Rezession auf Jahressicht. Doch ist das immer noch so?

 

Ursache und Auswirkung der Invertierung der Zinskurve

Man spricht von einer inversen Zinsstrukturkurve, wenn die kurzfristigen Zinssätze höher sind als die langfristigen. Dabei wird in der Regel das Verhältnis zwischen den 3-monatigen Staatspapieren zu den 10-jährigen Anleihen betrachtet, oft aber auch die Relation zwischen den 2- und 10-Jährigen. In den USA gab es diese Invertierung bereits Ende März, noch deutlicher aber erst vergangene Woche. Sie entsteht entweder, wenn die Notenbank die kurzfristigen Zinsen stark erhöht, oder wenn Anleger in Sorge vor einer Konjunkturschwäche, ihr Kapital vermehrt in langfristige Zinspapiere stecken und damit deren Renditen drücken.

Am stärksten trifft es zuerst das Geschäft der Banken, die durch ihre „Fristentransformation“ – Geld kurzfristig ausleihen und langfristig verleihen – einen massiven Einbruch in ihrem Hauptgeschäft erleiden und in der Folge ihre Kreditgeschäfte reduzieren müssen. Die Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft ist da.

 

Die unheimliche Rolle der Notenbanken bei der Zinskurve

Diese Invertierung der Zinskurve war in der Vergangenheit ein treffsicherer Indikator für eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung und nur 1966 und 1998 gab es ein kleines Fehlsignal.

Es gibt aber zur heutigen Situation einen gewaltigen Unterschied: Die Notenbanken haben bereits Anleihen in Höhe von 10 Billionen Dollar vom Markt aufgekauft und damit für eine massive Senkung der Renditen gesorgt. In Deutschland hat die Europäische Zentralbank fast ihr gesetzliches Limit an möglichen Käufen (ein Drittel der Bestände) erreicht, da der Staat seit geraumer Zeit keine neuen Schulden mehr aufnimmt (Politik der schwarzen Null), wurden die Zinssätze deutscher Staatsanleihen auf ein absurd niedriges Niveau gedrückt. Diese Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen – Quantitative Easing genannt – wurden seit Lehman nicht aus Anlagegründen getätigt, sondern um frisches Geld in das Finanzsystem zu pumpen.

Damit stellt sich die Frage, ob in einem Zinszyklus, in dem die Notenbanken der alles dominierende Faktor an den Kapitalmärkten sind, Zusammenhänge aus einer Zeit, als noch das freie Spiel der Märkte die Preise bestimmte, noch Gültigkeit haben?

 

Die Sonderrolle der USA

Jeden Tag wird darüber berichtet, wie stark die Summe der Anleihen anschwillt, die sich bereits im negativen Bereich befinden – 16 Billionen Dollar und damit über ein Viertel der handelbaren Staatsanleihen der Welt. Aber die Schuldpapiere der USA bei ihrer derzeitigen Staatsverschuldung von 22,38 Billionen Dollar werfen in allen Laufzeiten noch deutliche Zinsen ab. Damit wird auch ersichtlich, dass es weltweit aus dem Anlagenotstand heraus auch einen Run auf diese Anleihen gibt (besonders aus den extremen Nullzinsregionen EU und Japan), in die Weltleitreservewährung, die auch nach wie vor als „sicherste“ Anlageklasse angesehen wird.

Mit zwei Folgen: Zum einen ergibt sich damit ein Druck auf die Renditen dieser Dollarpapiere und zum anderen stärkt dies – sehr zum Leidwesen Donald Trumps – die Stärke dieser Währung.

 

Die Bedenken der Geldverwalter

Klar haben Investoren weltweit aus Sorge um den Abschwung der Weltwirtschaft, resultierend auch aus der Eskalation im Handelsstreit und wegen eines möglichen harten Brexits, auf Risk-Off-Modus umgestellt und kaufen vermehrt Anleihen. Niedrige oder sogar leicht negative Anleihezinsen bringen halt deutlich mehr als eine Anlage am Aktienmarkt, der spielend 10 Prozent und mehr nach unten korrigieren könnte. Dies bestätigt auch die Fondsmanagerumfrage der Bank of America Merrill Lynch für den Monat August:

Raus aus konjunkturzyklischen Wertpapieren und rein in sichere Anlagen. „Investoren streichen ihre Positionen in Zyklikern zusammen, um US-Staatsanleihen zu kaufen“, so BoAML-Chefstratege Michael Hartnett.

 

Fazit

Man könnte zumindest große Zweifel an der Aussagekraft der inversen Zinskurve bekommen, wenn man sich die unheimliche Rolle der Notenbanken an den Anleihemärkten ins Bewusstsein bringt. Sie haben für die größte Anleiheblase in der Nachkriegszeit gesorgt, die Spekulationsgewinne bei 10-, 30-, oder 100-jährigen Staatspapieren allein in diesem Jahr sprechen Bände.

Aber was passiert eigentlich, wenn etwas geschieht, was derzeit kaum jemand auf dem Schirm hat – ein Anstieg der Inflation, infolge von Zöllen und der Gelddruckerei? Die Notenbanken könnten dann nicht die weiteren geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen umsetzen, aus ihrem gesetzlichen Auftrag heraus, was aber in den Kursen bereits eingepreist ist.

Zur Zeit geht alle Welt von weiteren deflatorischen Entwicklungen aus, in Erwartung eines Wirtschaftsabschwungs.

 

Die Invertierung der Zinskurve deutet auf eine Rezession



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2 Kommentare

  1. Na ja, die aktuelle Entwicklung ist nicht zu hoch zu bewerten. Langfristig wird es Wirtschaftswachstum geben, wahrscheinlich mehr in Asien und Afrika als in Europa. Die inverse Zinskurve ist was für Akademiker – eben Spielerei. Senkt die FED die Zinsen, wird es wieder anders aussehen. Braucht der Markt Geld-Nachschub werden die limitierenden Gesetze eben geändert – auch die EZB kauft dann Staatsanleihen. Das einzige was m.E. gefährlich sein könnte, ist eine Veränderung der Wahrnehmung der Bevölkerung. Hat diese irgendwann mal und das quasi aus dem blauen Himmel heraus, wirkliche Angst, sein (kleines) Vermögen zu verlieren, dann wird es echt gefährlich und ein Absturz dürfte dann unvermeidbar sein. Diese Angst ist jetzt schon da, allerdings wissen wir nicht, wie schnell sie wachsen wird. Es wird auf jeden Fall spannend.

  2. Danke für den Artikel, echt top! Die langen Zinsen sind deshalb so niedrig weil die Notenbanken lange Schulden kaufen, das ist eine Erklärung. Zumindest sind Notenbanken die Hauptkäufer. Die kurzfristigen Schulden werden eher von klassischen Investoren gekauft. Somit ist die Aussagekraft der Inversion zw. kurzen und langen Zinsen nicht mehr sehr hoch. Die Frage bleibt trotzdem ob es nun einen Crash gibt oder nicht.

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