Der Anleihemarkt in Japan hat ein Problem: Die Liquidität verschlechtert sich, da sich erhöhte Inflationserwartungen verfestigen. Indessen sorgen Verkaufsorders bei Japan-Bonds dafür, dass die Renditen nicht nur auf dem eigenen Markt in die Höhe schnellen. Sie bringen vielmehr auch die Bondmärkte in den USA und weltweit unter Druck, wie Bloomberg berichtet.
Japan: Renditen am Anleihemarkt steigen
Bei Japan-Anleihen langer Laufzeiten sind die Renditen in dieser Woche kräftig gestiegen. Bei Papieren mit 30 und 40 Jahren Laufzeit erreichten sie neue Hochs. Die Liquidität indessen hat sich am Markt für japanische Staatspapiere deutlich verschlechtert. Händler im Segment sprechen von einem schwierigen Umfeld.
Bei einer Auktion 20-jähriger Nippon-Bonds war in dieser Woche die Differenz zwischen dem Durchschnittspreis und dem niedrigsten akzeptierten Preis die größte seit 1987.
Der Eindruck schwindender Liquidität wird durch einen Bloomberg-Index für japanische Anleihen bestärkt, der den Abstand zu einer idealisierten Zinskurve anzeigt. Er liegt inzwischen knapp unter dem Niveau, das er nach der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 erreichte.
Diesmal ging dies mit einem so genannten Bear Steepening der Renditekurve einher. Die Renditen steigen bei länger laufende Anleihen deutlich stärker als solchen kurzer Laufzeit.
Die Zentralbank in Tokio sieht indessen keine Notwendigkeit für Interventionen, obwohl ihre gerade vorgelegte Umfrage zur Funktionsweise des Anleihemarktes für das letzte Quartal eine Eintrübung in allen Unterkategorien zeigt. Dabei lag der Gesamtindex für die Gesundheit des Bondmarktes nur knapp über seinem 10-Jahres-Tief.
Zu den unmittelbaren Ursachen für die Turbulenzen zählen die Erwartung von Anleiheverkäufen durch die Bank of Japan und Nippons Staatsverschuldung von 240% des BIP. Eine weitere Verschlechterung wird befürchtet, sollte die geplante Senkung der Verbrauchssteuer umgesetzt werden.
Japan: Inflation steigt – Notenbank in der Zwickmühle
Das eigentliche Problem ist jedoch die Inflation. Sie ist seit Corona auf hartnäckig erhöhtem Niveau. Der Preis des Grundnahrungsmittels Reis ist derzeit mehr als doppelt so hoch wie 2022 und 2016.
Noch alarmierender ist jedoch die Beschleunigung der Inflationserwartungen von Unternehmen und Verbrauchern auf neue Hochs – wie sie auch in den USA zu beobachten ist. Dies könnte zu unkontrollierten Preisanstiegen führen, sollten die Teuerungserwartungen den Verbraucherpreisindex in die Höhe treiben.
Die Inflationserwartungen der privaten Haushalte bergen — laut einer Umfrage der Bank of Japan — kaum Anzeichen für ein Ende ihres Anstiegs. Sie liegen für ein Jahr bei 12%. Auf Sicht der nächsten fünf Jahre wird ein durchschnittlicher Preisanstieg von fast 10% erwartet.
Die Schätzungen müssen nicht zutreffend sein, um ein Problem darzustellen. Die anhaltend hohen Erwartungen reichen aus, um die Wahrnehmung zu verfestigen, dass die Preise unaufhaltsam steigen.
Dies könnte dann dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Konsum vorziehen, das Angebot sättigen und die Preise in die Höhe treiben, was zu einem weiteren Anstieg der Inflationserwartungen führt. Ein Teufelkreis käme in Gang. Das nominale Wachstum des privaten Konsums befindet sich derzeit auf einem 30-Jahres-Hoch.
Laut der Verbraucherumfrage des Kabinettbüros steigt der Nettoanteil der Befragten, die für das nächste Jahr eine höhere Inflation erwarten, seit drei Jahren von einem Rekordniveau zum nächsten.
Auch die Unternehmen in Japan rechnen mit einem beängstigenden Inflationsausblick: Die Fünfjahreserwartungen der Tankan-Umfrage liegen mit über 5% pro Jahr auf einem Rekordhoch. Fast alle in der Umfrage erfassten Branchen gehen davon aus, dass die Preise weiter steigen werden.
Der Gesamt-Verbraucherpreisindex verharrt derzeit nahe seinem 30-Jahres-Hoch, wobei Japan mit 3,6 % nun die höchste Inflationsrate der G10-Länder aufweist. Die Bank of Japan bezeichnet den Anstieg der mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen als “moderat”. Technisch gesehen mag das zwar zutreffen, doch ihr absoluter Wert von durchschnittlich fast 10% für die nächsten fünf Jahre ist alles andere als das.
Die Notenbank bezeichnet den Anstieg der Inflationserwartungen auch als “adaptiv”. Das mag 2022/23 der Fall gewesen sein, als ein höherer Verbraucherpreisindex zu einem Anstieg der Erwartungen führte. Da letztere nun jedoch offenbar auf einem zweistelligen Niveau verharren, könnte sich “adaptiv” bald in “unverankert” verwandeln.
Für Anleihen wäre das natürlich ein Problem, da dadurch noch mehr Liquidität aus einem Markt abgezogen würde, der bereits Anzeichen eines ungeordneten Renditeanstiegs zeigt.
Die Liquiditätsrisiken auf dem Markt für japanische Staatsanleihen werden indessen durch dessen extrem unausgewogene Eigentümerstruktur verstärkt: Die Bank of Japan hält mehr als die Hälfte der ausstehenden japanischen Staatsanleihen — und hält sie damit aus dem Umlauf.
Ausländische Investoren haben ihr (ohnehin schon geringes) Engagement in japanischen Staatsanleihen reduziert, seit die BOJ mehr als die Hälfte des Marktes kontrolliert. Die gigantische Bilanz der Bank of Japan stellt eine der größten Gefahren für die Finanzstabilität in Japan und weltweit dar. Ein Anstieg der Renditen würde für die BoJ einen nicht unerheblichen Verlust ihrer japanischen Staatsanleihen im Wert von 4 Billionen Dollar bedeuten, die fast 80% ihrer Bilanz ausmachen.
Kein Problem, könnte man meinen, für eine Zentralbank mit potenziell unbegrenztem Kapital. Der Markt weiß jedoch: Dieser Verlust wird letztendlich mit frisch gedrucktem, inflationsförderndem Geld ausgeglichen, was zu weiteren Verkäufen japanischer Staatsanleihen führen würde. Im Extremfall würde Japans Notenbank am Ende den gesamten Markt für japanische Staatsanleihen besitzen — und der Yen würde zum primären Anpassungsmechanismus werden.
Wenn japanische Investoren Geld verlieren und die finanziellen Risiken steigen, ist es wahrscheinlich, dass ein Teil der enormen Nettoforderungen Japans gegenüber dem Rest der Welt repatriiert wird. Und dies würde die Wertpapierkurse in der Welt purzeln lassen — insbesondere in den USA und Europa.
FMW/Bloomberg
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„Dies könnte dann dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Konsum vorziehen, das Angebot sättigen und die Preise in die Höhe treiben, was zu einem weiteren Anstieg der Inflationserwartungen führt. Ein Teufelkreis käme in Gang.“
Der Teufelskreis schließt sich erst, wenn die Löhne mitziehen. Ansonsten ist das eine kurzfristige Teuerung.
Erstaunlich,dass die Inflation in Japan erst jetzt zu steigen beginnt, haben die Japser doch mit ihrer Tiefzins- Politik den Yen seit 2021 um 50% abwerten lassen. Früher war der Yen einer der besten Währungen und jetzt nur noch Konfetti.Da haben sich einige Dicke richtig die Taschen gefüllt. Yen- Kredite mit 50% Kursgewinn und jährlich ca.4% Zins in Dollaranlagen waren eine gute Sache für Wenige, den Schaden kann das japanische Volk nun ausfressen.Es passiert immer mehr,dass wenig Leute ganze Länder in den Ruin treiben, Trump macht es gerade mit der grössten Volkswirtschaft.
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