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Jeff Bezos: Warum hackt Saudi-Arabiens Kronprinz sein Handy?

Drei Handlungsstränge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, entpuppen sich nach langer Recherche als eine Story. Mohammed bin Salman, Saudi-Arabiens Kronprinz, Verteidigungsminister und Vize-Ministerpräsident, chattet per WhatsApp mit Jeff Bezos, dem reichsten Menschen der Welt. Wenige Monate später veröffentlicht ein US-Klatschblatt intime Details aus Bezos‘ Leben inklusive SMS und ein Reporter der Washington Post wird in einem saudi-arabischen Konsulat getötet. Die Washington Post gehört… Jeff Bezos. Diese drei Handlungsstränge sind in Wahrheit einer – und das könnte sich negativ auf das händeringend nach Investoren suchende Saudi-Arabien auswirken.

Dass der Kronprinz Saudi-Arabiens mit ihm chatten will, war für Jeff Bezos vermutlich nicht ungewöhnlich. 2018 wurde gerade der Börsengang von SaudiAramco vorbereitet und Mohammed bin Salman weltweit auf Investorensuche, um sein Land vorsichtig zu öffnen und zu modernisieren. Wer läge da als Ansprechpartner näher als der reichste Mensch auf Erden? Dass bin Salman im lockeren Smalltalk ein Video schickt, stimmte Bezos daher auch nicht misstrauisch, schließlich sind geteilte Videos Alltag bei Whatsapp.

bin Salman selbst versandte den Trojaner, mit das Handy von Bezos gehackt wurde

Blöd für Jeff Bezos, dass in den Stunden nach dem Anschauen des Videos der Inhalt seines Smartphone-Speichers ausgelesen und nach Saudi-Arabien transferiert wurde. Wirklich misstrauisch wurde er aber sicherlich erst, als einige Monate später vom Klatschblatt National Enquirer während der Scheidung von seiner Frau Details über seine außereheliche Affäre publiziert wurden – private Nachrichten inklusive. bin Salman dürfte damals aber noch nicht zu Bezos Verdächtigen gezählt haben. Denn wer geht schon davon aus, von einem der mächtigsten Männer Saudi-Arabiens persönlich gehackt worden zu sein?

Dass in dem von bin Salman versandten Video ein Trojaner steckte, der Bezos‘ Handy infizierte und Daten absaugte, das fanden nach der Veröffentlichung der Daten erst Experten heraus, die das Handy untersuchten. Und langsam schließt sich der Kreis. Denn der Besitzer des National Enquirer, David Pecker bzw. dessen Unternehmen American Media, arbeitet eng mit Saudi-Arabien zusammen, um den Ruf des Landes in den USA aufzupolieren. Pecker ist zudem ein Unterstützer Donald Trumps, der wiederrum schlecht auf Jeff Bezos zu sprechen ist. Denn Jeff Bezos ist Besitzer der Zeitung Washington Post, die ausnehmend kritisch über Trump berichtet. Und Trump wiederrum unterstützt bin Salman in seinen Bemühungen, Saudi-Arabien und sich selbst als achtbare Partner darzustellen.

Ließ sich Jeff Bezos nicht von Saudi-Arabien erpressen?

Und was hat Jamal Kashoggi mit all dem zu tun? Der wurde nicht nur auf Geheiß bin Salmans im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet. Er war zudem auch noch Journalist im Dienste der Washington Post, der in dieser Zeitung kritisch über Saudi-Arabien und bin Salman schreiben durfte. Denkbar also, dass Saudi-Arabien hoffte, mit dem Hack belastende Informationen über Bezos beschaffen zu können, um anschließend die Washington Post oder Bezos zu erpressen und die kritische Berichterstattung verstummen zu lassen. Als das nicht klappte, wurden private Informationen aus Bezos‘ Leben über ein Saudi-Arabien wohlgesonnenes Medium veröffentlicht und Kashoggi kurzerhand ermordet.

Zum Problem wird nun, dass das ganze aufgedeckt wurde. Und Probleme hat nicht nur Saudi-Arabien, sondern auch Donald Trump. Der gibt sich zwar als enger Freund bin Salmans, ist aber als US-amerikanischer Präsident den US-Amerikanern und Unternehmen – und nicht bin Salman verpflichtet. Wird der reichste Amerikaner gehackt, um die Pressefreiheit der USA zu untergraben, wird Trump als selbst ernannter Freund des Täters wohl oder übel einige kritische Worte dazu sagen müssen.

Ein viel größeres Problem könnte jedoch Saudi-Arabien bekommen. Das Land hat ohnehin nicht den besten Ruf und wer als potentieller Investor angesprochen wird, dürfte seit dem Fall Kashoggi zumindest stets darauf achten, kein saudi-arabisches Konsulat allein zu betreten. Nun kommt noch dazu, dass selbst Kontakte in höchste Regierungskreise offenbar nicht davor schützen, gehackt, ausgespäht, erpresst oder mit Dreck beworfen zu werden. Wer soll unter diesen Voraussetzungen die Milliardeninvestitionen stemmen, die sich Saudi-Arabien erhofft? Die geplante Öffnung Saudi-Arabiens für ausländische Investoren dürfte einen erheblichen Dämpfer bekommen.

Jeff Bezos - Opfer eines Trojaners des saudischen Kronprinzen

Jeff Bezos at Amazon Spheres Grand Opening in Seattle. Foto: Seattle City Council CC BY 2.0



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5 Kommentare

  1. Was hatte der für ein Handy, Android oder Iphone?

  2. Eine fantastische Story !

    Natürlich schon wieder so komplex,daß sie gut als „Verschwörungstheorie“
    verkauft werden kann.Trump wird wohl sicherlich in diese Richtung gehen
    und „Otto Normalverbraucher“ wird es nur zu gern glauben.

  3. Und wer schreibt ein Thriller aus dieser Geschichte?
    Teil geht sofort.
    Teil 2 auch, wenn man mutig vorrausschauend ist.
    Teil 3 kann in 2 Jahre geschrieben werden.
    Richtig spannend!

  4. Das solche Gesichten nichts neues sind…ist ja bekannt….Aber das dies so offensichtlich an die öffenltichkeit kommt, das ist doch neu…früher konnte/wurde noch besser vertuscht….

    Eigentlich kann man nur sprachlos sein….

  5. Die Geschichte ist eigentlich recht geradlinig, wenn man davon absieht, dass M.b.Salman einerseits Saudi Arabien modernisieren will und darüber eine außerordentliche Machtstellung im Haus Saud gewonnen hat, andererseits Kritiker wie in einem schlechten Mafia Film ermorden lässt. Beduinensitten hin oder her, das was realpolitisch nicht wirklich sinnvoll.

    Als die Geschichte damals in den Medien war, dachte ich an einen internen Machtkampf im Hause Saud. Jemand unter seinen Brüdern, der mit dem Kronprinzen und seinen Feinden vertraut ist, lässt einen von ihnen bestialisch ermorden. Das fordergründige Motiv kann bin Salman schlecht leugnen, denn die Feindschaft mit Kashoggi wurde ja offen ausgetragen. Das hintergründige Motiv bestünde darin den Kronprinz zu schwächen und die Familie im Gegenzug wieder zu stärken. Würde die Familie ganz offen ihre inneren Machtkämpfe austragen, so würde sie sich selbst und die Existenz des Königreichs aufs Spiel setzen. Die Intrige muss also jemand anderen zum Ziel haben, aber gleichwohl für den Adressaten, hier also bin Salman, klar lesbar sein. Ich hätte es cool gefunden, wenn es eine Palastintrige gewesen wäre. Der Bezos-Trojaner macht so einen Plot aber noch um einiges komplexer und unwahrscheinlicher.

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