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Kann der ifo-Chef die Eurozone revolutionieren?

Kann der erst seit letztem Jahr amtierende Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest das schaffen, was seinem (glorreichen?) Vorgänger Hans-Werner Sinn nie gelungen war? Kann er wirklich die...

Von Claudio Kummerfeld

Kann der erst seit letztem Jahr amtierende Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest das schaffen, was seinem (glorreichen?) Vorgänger Hans-Werner Sinn nie gelungen war? Kann er wirklich die tatsächliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa beeinflussen? Denn Sinn ist mit seinen kontroversen, aber auch oft sinnvollen Vorschlägen nie über den „Vorschlagsmodus“ hinausgekommen. Gerne hörte man ihm zu, interessant war er, auch immer gern gesehen in Talkshows, doch für die Realpolitik schienen seine oft radikalen Denkmodelle zu unpraktikabel.


Der seit letztem Jahr amtierende ifo-Chef Clemens Fuest. Foto: Institut der deutschen Wirtschaft/Wikipedia (CC BY
2.0
)

Fuest aber hat schon seit einiger Zeit den Vorschlag in den Raum gestellt die Schuldenaufnahme der Eurozonen-Mitglieder quasi in ein Zweiklassen-System aufzuteilen. Bis zu einem gewissen Grad sollen sich zukünftig Eurozonen-Mitgliedsstaaten wie bisher normal verschulden können. Ist ein Land zahlungsunfähig, würden wie auch bisher die schon vorhandenen Mechanismen wie der ESM einspringen. Auch kauft ja bisher die EZB Staatsanleihen auf, was offiziell natürlich nichts mit der Stützung der jeweiligen Staaten zu tun hat. Über dieses gewisse Maß hinaus sollten die Staaten aber zukünftig Nachranganleihen ausgeben, so die Idee von Fuest.

Das Modell ist in der Geschäftswelt bereits bekannt. Wer solche Schulden eines Emittenten kauft, ist sich bewusst, dass er im Falle von Rückzahlungsschwierigkeiten ganz am Ende der Verwertungskette steht. Erst wenn alle anderen Gläubiger bedient sind, darf er seine Forderungen stellen, und geht in der Regel leer aus. So auch bei dem Fuest-Modell. Sind Eurozonen-Mitglieder künftig nicht fleißig genug bei der Eindämmung ihre Haushaltsdefizite, können sie gerne so viele Zusatzschulden machen wie sie wollen, aber eben nur noch in Form solcher Nachranganleihen.

Laut Fuest´s Plan dürfte die EZB solche Anleihen nicht aufkaufen. Keine staatliche Einrichtung in Europa solle für den Ausfall dieser Anleihen haften. Auch dürften Banken, die solche Schulden aufkaufen möchten, sie nur noch mit einer hohen Eigenkapitalunterlegung kaufen. Die logische Folge solcher Einschränkungen: Für solche Anleihen müssten die Staaten den kaufwilligen Anlegern drastisch höhere Zinsen anbieten als für bisherige „normale“ Anleihen. Denn auf der Käuferseite ist deutlich weniger Nachfrage vorhanden (mangels EZB + Banken), und das Ausfallrisiko ist größer. In einer offiziellen Veröffentlichung beim ifo-Institut schreibt Fuest von einer Grenze von 0,5%. Zitat:

Zur Begrenzung des Schuldenmachens schlagen Fuest und Becker vor, dass Staaten nur noch 0,5 Prozent ihrer Jahreswirtschaftsleistung mit normalen Anleihen finanzieren dürfen. Sollten sie höhere Schulden machen, müssten diese Anleihen nachrangig sein, also als erste ausfallen, sie dürfen nicht von der EZB gekauft werden und auch von Banken nur mit hoher Eigenkapitalunterlegung gehalten werden. „Das würde deutlich höhere Zinsen für diese Anleihen bedeuten, weil die Kosten der Verschuldung nicht auf andere Länder abgewälzt werden können. Die derzeitige Subventionierung des Schuldenmachens durch Elemente der Solidarhaftung würde abgeschafft“, sagte Fuest.

An anderer Stelle ist von der 0,5%-Schwelle keine Rede. Fuest äußert sich aktuell gegenüber der Welt, dass Eurozonen-Mitgliedsstaaten erst dann gezwungen sein sollten statt normale nur noch Nachranganleihen auszugeben, wenn sie das erlaubte Defizitziel überschreiten. Und das liegt ja bekanntlich bei 3%, und nicht bei 0,5%. Aber auch das wäre ja eine sinnvolle Grenze. Fuest nennt die Nachranganleihen interessanterweise in diesem Zusammenhang „Accountability Bonds“, auf Deutsch „Verantwortungsanleihen“. Denn die Logik dahinter lautet: Jeder Staat wüsste, dass er drastisch höhere Zinsen zahlen muss, wenn er sein Budget nicht im Griff hat. Laut Fuest sei sein Konzept bei der EZB schon auf Zustimmung gestoßen, und die BaFin prüfe die Idee bereits. Und in der Tat: Das Konzept ist einfach wie genial. Staaten, die sich eh nicht oder nur ungerne an solche Defizitvorgaben halten wollen, können nach Lust und Laune kräftig neue Schulden machen, zahlen dafür aber eben deutlich mehr Zinsen. Das wird Ländern wie Griechenland eh egal sein bei dem astronomischen Schuldenberg.

Gleichzeitig weiß jeder Anleger klipp und klar: Hier erhalten ich deutlich mehr Zinsen. Ist der Staat aber pleite, sehe ich mein Geld nie wieder, und keine europäische Institution kauft mir den Schrott dann noch ab, weil das vorher so klar kommuniziert war. Alle wissen woran sie sind. Ein klarer und einfacher Deal. Das wäre ja mal was. Damit hätte der Schüler das geschafft, was der Lehrer (Sinn) eben nicht erreicht hat. Und auch das Theater zwischen Nord- und Südländern wäre geklärt. Der eine beharrte bisher auf Haushaltsdisziplin, der andere auf kräftiger Neuverschuldung, damit die Wirtschaft angekurbelt wird. Mit diesem Modell kann man beide Seiten im Großen und Ganzen glücklich machen – vermeintlich.



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5 Kommentare

  1. Entschuldigung, aber der Vorschlag ist doch vollkommener Schwachsinn ! Wenn einigen bzw. bonitätsschwachen Staaten ermöglicht wird Nachranganleihen zu begeben, dann verschulden die sich doch bis ins Unendliche weil sie genau wissen, das sie den Käufern dieser Anleihen nie irgendwas zurückzahlen müssen, weil diese ganz unten in der Empfängerkette stehen. Und Nord-und Südeuropa sollen dann trotzdem unter einer gemeinsamen Währung zusammen existieren ? Finanzstarke und Pleitegeier in einem Boot ?

    Herrn Fuest´s Modell gleicht eher einer gezielten Förderung der Insolvenzverschleppung.

  2. Wer am ESM festhalten will, hat sich schon disqualifiziert. Das EURO-System ist ebenso wenig reformierbar, wie das FIAT-Geldsystem. Wieviele Grenzen wurden versprochen und dann willkürlich gebrochen? Unzählige. Ein gutes System muss schon vom Design her so gestaltet sein, dass auch ein Verrückter (oder eine Verrückte) es nicht vor die Wand fahren kann.

  3. finger weg von diesem mann !!!

    glaubt ihm kein wort !!!

  4. „Denn die Logik dahinter lautet: Jeder Staat wüsste, dass er drastisch höhere Zinsen zahlen muss, wenn er sein Budget nicht im Griff hat.“… wie, bitte schön, sollen den Länder höhere Zinsen zahlen, wenn sie jetzt noch nicht mal die viel niedrigeren zahlen können.. es geht halt nicht ohne Reformen..

  5. Taschenspieler
    versuchen meist viel erfolgreicher an anderer Leute Geld zu kommen.
    Herr Fuest versucht offenbar das Unmögliche zu retten: Den EURO, der niemals als Einheitswährung für so viele EU-Staaten hätte eingeführt werden dürfen.
    Aus dieser Mega-Verschuldung kommt die EU nie raus und wird daran – wie an zahlreichen Gestezesverstößen – zerbrechen, wenn nicht heute dann morgen!!
    Das Vertrauen der Bürger in diese EU sinkt weiter und wird auch von dem „Heilsbringer Schulz“ mit seinen Euro-Bonds-Vorstellungen als gemeinsamer Schuldenhaftung erst recht an die Wand gefahren.

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